Von Markus Balser und Christian Gschwendtner
Dass die Pkw-Maut ein schönes Wahlkampf-Thema ist, weiß Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) aus eigener Erfahrung nur zu gut. Vor vier Jahren ersann er selbst jenes Thema, das seine eigene Partei wieder mit den Wählern versöhnen sollte. Schließlich konnten sich die Deutschen seit Jahren darüber ärgern, dass sie in Italien, Österreich oder Frankreich im Urlaub für Fernstraßen zahlen müssen, in Deutschland für die Nachbarn aber freie Fahrt gilt. „Diesen unfairen Zustand wollen wir ändern“, schrieb die CSU damals in ihrem „Bayernplan“. Es gehe um eine Frage der Gerechtigkeit.
Heute ist die Maut in Deutschland Gesetz. Dass sie sich bestens als Wahlkampfthema eignet, wollen nun auch ihre Gegner nutzen. Kurz vor der Wahl am Sonntag kündigte Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried von der SPÖ an, die seit Monaten erwartete Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die deutsche Pkw-Maut einzureichen. Sie sei „eine reine Ausländermaut. Wir lassen das nicht durchgehen“, sagte Leichtfried in Wien. Die EU-Kommission habe die Augen bei der deutschen Pkw-Maut „fest zugedrückt“. Durch die Klage werde die Angelegenheit nun „eine Nagelprobe für das europäische Rechtsverständnis“, sagt der Minister voraus. Die EU müsse doch eine Solidargemeinschaft sein, es dürfe nicht das Gesetz des Stärkeren gelten, kritisierte Leichtfried.
Besonders große Chancen gesteht man dem Vorhaben in Brüssel allerdings nicht ein. Die EU-Kommission hatte Dobrindts Prestigeprojekt schließlich schon vor Monaten gebilligt und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingestellt. Eine Entscheidung, an der die Kommission nach wie vor festhält. „Das war damals die Ansicht und ist es auch heute noch“, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Aus dem aktuellen Konflikt wolle man sich deshalb heraushalten und allenfalls als Vermittler tätig werden.
Aus dem EU-Parlament kommt Kritik daran. „Österreich muss die Arbeit der EU-Kommission erledigen“, sagt der deutsche Verkehrspolitiker Michael Cramer (Grüne). Er wirft Kommissionspräsident Jean Claude Juncker vor, vor Deutschland eingeknickt zu sein. Mit dieser Einschätzung steht der Grünen-Abgeordnete nicht alleine da. Zehn EU-Staaten halten die geänderte Mautversion für rechtswidrig. Am Donnerstag gaben aber nur die Niederlande bekannt, sich der Klage anzuschließen. Wie sich die anderen Länder aus der Anti-Maut-Allianz entscheiden, ist noch unklar. Nur Tschechien hat dem Vorgehen Österreichs bereits eine Absage erteilt.
Das Bundesverkehrsministerium beharrt trotz internationaler Widerstände auf der Rechtmäßigkeit des eigenen Plans. „Die Ausschreibungen für das Mautsystem laufen. Die Maut kommt“, erklärte das Verkehrsministerium in Berlin. Nach dem Prinzip „Wer nutzt, der zahlt - und keiner zahlt doppelt“ werde Gerechtigkeit auf deutschen Straßen geschaffen. „Daran ändert auch die Klage der österreichischen Regierung nichts.“ Die SPD fordert angesichts der angekündigten Klage Österreichs gegen die Pkw-Maut, weitere Vorbereitungen für die Einführung der Maut zu stoppen. „Die Gefahr ist zu groß, dass ansonsten Millionen Steuergelder verbrannt werden“, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol am Donnerstag. Verkehrsminister Dobrindt (CSU) müsse die laufenden Ausschreibungen daher aussetzen. Das Ministerium hatte noch vor der Bundestagswahl zwei Verfahren gestartet, mit denen private Betreiber für die Erhebung und die Kontrolle der Maut gesucht werden. Die Pkw-Maut hatte im Frühjahr die letzte parlamentarische Hürde in Deutschland genommen. Der Aufbau des System wird aber dauern. Experten rechnen damit, dass die Maut frühestens 2019 kassiert werden kann.
Vorher dürfte die Maut aber noch ein Thema in den Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition werden. Grüne und FDP haben sich klar gegen die Maut positioniert.