SCHRIFTLICHE ANFRAGE
von Michael Cramer (Verts/ALE)
an die Kommission
12.10.2005 - E-3871/05
Betrifft: Wettbewerbsverzerrung Schiff/Straße im Baltikumsverkehr
Die ökologisch und ökonomisch sinnvolle und von der EU gewollte Verlagerung des Frachtverkehrs von der Straße auf das Schiff wird im Ostseeraum seit dem 1. Mai 2004 durch eine offensichtliche Wettbewerbsverzerrung behindert. Die umwelt- und verkehrspolitischen Ziele der EU werden damit konterkariert: Mehr LKW auf den Straßen bedeuten mehr Abgase. Unausgeruhte Fahrer, deren Lenkzeiten nicht kontrolliert werden, stellen ein großes Risiko für Mensch und Umwelt dar. Der Rückgang des Frachtverkehrs auf See im Baltikumsverkehr ist eklatant. Die Zahl der LKW auf den Straßen hat sich in dieser Zeit verdoppelt. Erste Routen von Deutschland in das Baltikum (z. B. Kiel-Klaipeda und Sassnitz-Klaipeda) sind bereits eingestellt worden, was mit negativen ökologischen Konsequenzen und dem Verlust von Arbeitsplätzen verbunden ist. Während Hafengesellschaften und Reedereien den gesetzlichen Vorgaben zu Sicherheits- und Umweltstandards sowie den Zollmodalitäten Folge leisten, führen unzureichende Kontrollen im Straßenverkehr zu Missbrauch und Wettbewerbsverzerrungen. Die Instrumente der EU, die diesem negativen Trend entgegenwirken und für einen fairen, transparenten Wettbewerb sorgen könnten (wie z. B. die LKW-Maut), verzögern sich.
1. Ist sich die Kommission der Tatsache bewusst, dass auf Grund der hier beschriebenen Wettbewerbsverzerrung bereits Routen eingestellt wurden und Arbeitsplätze verloren gingen?
2. Auf welche Weise gedenkt die Kommission die Chancengleichheit zwischen den Verkehrsträgern auch in Zusammenarbeit und Koordination mit den Mitgliedsstaaten wiederherzustellen?
3. Werden nun kurzfristige Maßnahmen erwogen, um den weiteren Verlust von Verbindungen und Arbeitsplätzen im Seeverkehr zu verhindern? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?
Antwort von Herrn Barrot
im Namen der Kommission
06.01.2006 - E-3871/05D
Der Kommission ist bewusst, dass in manchen regionalen Güterverkehrsmärkten im Ostseeraum der Seeverkehr zurückgegangen ist und der Straßenverkehr zugenommen hat. Die Kommission beobachtet den Markt auch hinsichtlich der Einrichtung neuer Kurzstrecken-Seeverkehrsrouten und der Schließung bestehender Routen. Unterschiedliche Gründe können eine Reederei zur Aufgabe einer Route veranlassen, etwa hohe Kraftstoffpreise, unternehmensstrategische Überlegungen oder Schwankungen beim Frachtaufkommen. Solche Routenschließungen können, müssen aber nicht zum Verlust von Arbeitsplätzen führen. So sind beispielsweise qualifizierte Seeleute aus der Europäischen Union auf Schiffen der Europäischen Union weiterhin gesucht.
Wie in der Antwort auf die schriftliche Anfrage E 2130/05 des Herrn Abgeordneten ausgeführt wurde, gelten die Rechtsvorschriften der Europäischen Union in allen Mitgliedstaaten. Die Kommission überwacht dies streng und ergreift gegebenenfalls Maßnahmen im Einklang mit dem EG Vertrag. Diesbezüglich wird die Kommission etwaige ihr zugehende Beschwerden zu dem vom Herrn Abgeordneten angesprochenen Gegenstand sehr sorgfältig prüfen.
Für die Lenk- und Ruhezeiten von Kraftfahrern gelten gemeinschaftliche Rechtsvorschriften, die in den Verordnungen Nr. 3820/85 und 3821/85 des Rates festgelegt sind. Mit der letztgenannten Verordnung werden nach einer Übergangszeit digitale Fahrtenschreiber im Straßenverkehr eingeführt, mit denen die Lenkzeiten genau und fälschungssicher aufgezeichnet werden, um wirksamere Kontrollen auf der Straße und in Betrieben vornehmen zu können. Diese Kontrollen werden ausschließlich von den Mitgliedstaaten durchgeführt. Ein Richtlinienentwurf, mit dem die Mindestzahl der von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Kontrollen erhöht werden soll, steht nach dem Vermittlungsverfahren zwischen Parlament und Rat noch zur abschließenden Genehmigung durch das Parlament an.
Bezüglich der Straßenbenutzungsgebühren möchte die Kommission den Herrn Abgeordneten auf die überarbeitete Eurovignetten-Richtlinie hinweisen, mit der transparentere und harmonisierte Regeln zur Gebührenerhebung für Lkw festgelegt werden. Die Umsetzung dieser Richtlinie nach ihrer Annahme wird zur Angleichung der Wettbewerbsbedingungen für die verschiedenen Verkehrsträger führen. Die Kommission macht auch darauf aufmerksam, dass in Deutschland 2005 ein Mautsystem für Lkw auf Autobahnen eingeführt wurde, Polen die Einführung eines Mautsystems in den kommenden Jahren beabsichtigt und Litauen, wo Klaipeda liegt, 2005 ein System von Benutzungsgebühren eingeführt hat. Estland und Lettland, die allerdings nicht vom Straßengüterverkehr von Klaipeda nach Deutschland betroffen sind, erheben keine Straßenbenutzungsgebühren.
Der Kurzstreckenseeverkehr und dessen Bedingungen können durch die Initiative für Meeresautobahnen weiter verbessert werden. Die Nutzung dieser Meeresautobahnen sollte für den Kunden so einfach werden wie die Nutzung des Verkehrsträgers Straße. Die Partnerschaft und Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten mit der Verkehrsbranche sind Schlüsselelemente für die Konzentration des Güteraufkommens auf die Meeresautobahnen und für ein Infrastruktur- und Dienstleistungsangebot höchster Qualität auf der gesamten intermodalen Lieferkette von Tür zu Tür unter Einbeziehung des Kurzstreckenseeverkehrs. Dafür sind umfassende Logistikstrukturen zusammen mit einer Erleichterung und Vereinfachung der Verfahren erforderlich. Die an die Ostsee anrainenden Mitgliedstaaten bereiten die Planung und Umsetzung der Ostsee-Meeresautobahn aktiv vor.