Von Peter Kirnich
BERLIN. Das Projekt ist ein technisches Wunderwerk: Eine Brücke, die sich 20 Kilometer über die Ostsee erstreckt, gehalten von vier Pylonen, die jeweils 281 Meter in den Himmel ragen. Seit rund 20 Jahren träumen Politiker aus Dänemark und Deutschland von einer festen Querung über den Fehmarnbelt von Puttgarden bis nach Rødby. In den nächsten Wochen wird sich entscheiden, ob der Traum in Erfüllung geht, oder ob er auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben wird. Bis Juli müssen die Länder das Projekt bei der EU-Kommission anmelden. "Wenn sie es nicht tun, gibt es keinen Cent EU-Fördermittel", sagt der Europa-Abgeordnete der Grünen, Michael Cramer.
Osthäfen abgehängt
Doch eine Einigung über das Projekt ist noch immer offen. Je älter die Idee von der Fehmarnbelt-Querung wird, desto umstrittener ist sie. Selbst für Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat das Projekt "keine hervorragende Priorität". In seinem Investitionsrahmenplan für die wichtigsten Verkehrsprojekte bis 2010 taucht die Fehmarnbelt-Querung nicht auf. Für ihn sind andere Projekte wichtiger, zumal die Brücke sehr teuer ist. Die Kosten werden auf 5,5 Milliarden Euro geschätzt. "Das ist viel Geld, wenn man bedenkt, dass es längst alternative Verkehrswege von und nach Skandinavien gibt", sagt EU-Politiker Cramer.
Für ihn ist die geplante Querung "ein typisches Produkt des Kalten Krieges". Seit 1989 hätten sich aber Europa und die Verkehrsströme gewaltig verändert. Tatsächlich gibt es vom schwedischen Trelleborg heute täglich mehr als zehn Schiffsverbindungen mit Rostock und Sassnitz. Zwischen dem dänischen Gedser und Rostock verkehren schnelle Fährschiffe im Zwei-Stunden-Takt. Seit sechs Jahren fahren über den Fehmarnbelt Fähren, die im Hafen nicht mal wenden müssen, rund um die Uhr, 96 mal am Tag, das ganze Jahr über. Die Überfahrt dauert nur 45 Minuten. Zudem wurde erst im Jahr 2000 mit der Öresund-Brücke eine feste Verbindung zwischen Deutschland, Dänemark und Schweden übergeben. "Käme die Fehmarnbelt-Brücke hinzu, würden die mit Milliarden-Investitionen modernisierten Häfen in Mecklenburg-Vorpommern und Südschweden absterben", sagt Cramer.
Verständlich, dass man auch in Mecklenburg-Vorpommern wenig von dem Projekt hält. "Die Brücke ist überflüssig, wir brauchen sie nicht", sagt der Verkehrsminister des Landes, Otto Ebnet. Der Ostsee-Fährverkehr nach Skandinavien boome und er komme im Gegensatz zu dem Brückenprojekt ganz ohne Subventionen aus.
Auch für den Lübecker Hafen wäre eine feste Belt-Querung Gift. Etwa 20 Prozent der südschwedischen Verkehre würden dort wegfallen. "Das Projekt ist ökonomisch und ökologisch Unsinn", sagt Wirtschaftssenator Wolfgang Halbedel. Aus einem ganz anderen Grund rät der Naturschutzbund (Nabu) von dem Projekt ab: "Bei heftigen Stürmen ist kein gesicherter Verkehr über eine feste Fehmarnbelt-Querung möglich", sagt Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. Der Grund: Jüngste Klimamodelle prognostizierten für die Ostseeregion eine deutliche Zunahme der Zahl und der Stärke von Stürmen. Selbst die viel kleinere Fehmarnsund-Brücke zwischen Fehmarn und dem deutschen Festland musste im letzten Winter wegen Stürmen häufig für den Lkw-Verkehr gesperrt werden. Dagegen fuhren die Fähren zwischen Fehmarn und Rødby fast pausenlos. Bei der Deutschen Bahn spielt die Brücke über den Fehmarnbelt ebenfalls keine entscheidende Rolle. Der mit dem Bund abgestimmte Plan über die Güterverkehrsnetze sieht als künftige Hauptader im Skandinavienverkehr den Weg über den Großen Belt und die Öresund-Brücke vor. Dort gebe es noch große Kapazitätsreserven. Die Strecke Hamburg-Flensburg soll modernisiert werden. Auch die Verbindung Berlin-Rostock wird ausgebaut.
Dänen machen Druck
Doch die Dänen machen Druck auf Tiefensee, dem gigantischen Projekt zuzustimmen. Sie erhoffen sich davon wirtschaftliche Impulse. Deutschland ist für Dänemark der wichtigste Außenhandelspartner, Zentraleuropa der Hauptabsatzmarkt. Offenbar sind die Dänen bereit, dafür einen hohen Preis zu zahlen. Bisher sollen von den 5,5 Milliarden Euro Kosten Dänemark 650 Millionen und Deutschland 840 Millionen für ihre Hinterlandanbindungen aufbringen. Der vier Milliarden Euro teure Brückenbau soll von einem privaten Betreiber vorfinanziert und über Mauteinnahmen wieder eingespielt werden.
Wie verlautete, bieten die Dänen nun unter anderem an, für die gesamten Baukosten eine 100-prozentige staatliche Bürgschaft zu übernehmen. Deutschland indes will seinen Anteil möglichst komplett über EU-Fördermittel begleichen. "Da ist aber nicht viel zu holen", warnt Cramer. "Die Mittel für die 30 wichtigsten EU- Verkehrprojekte wurden um zwei Drittel auf knapp sieben Milliarden Euro gekürzt." Es sei "zwecklos, auf einen Geldsegen aus Brüssel zu hoffen."