Anrede,
Sparen und Gestalten gelingt in der Verkehrspolitik am leichtesten. Doch bevor das Leichte umgesetzt wird, verhebt sich der Finanzsenator lieber am Klinikum, an einer Universität oder an einer Oper. An einigen Punkten möchte ich den mangelnden Sparwillen skizzieren:
1. In Berlin ist ein Flughafen völlig überflüssig. Im Vergleich zu London, wo auf fünf Flughäfen pro Jahr 130 Millionen Passagiere abgefertigt werden, braucht Berlin für die jährlich 13 Millionen Fluggäste gerade mal einen halben Airport der britischen Hauptstadt. Weil der Flughafen in Tempelhof Jahr für Jahr ein Defizit von 40 Millionen Euro verursacht, ist das ökonomischer, ökologischer und verkehrspolitischer Unsinn!
Wäre der Flughafen Tempelhof ein privates Unternehmen, er hätte längst den Gang zum Konkursrichter angetreten. Gegenüber dem Vorjahr hat Tempelhof die Hälfte seiner Passagiere verloren. Unabhängig vom Standort und unabhängig von der Privatisierung ist schon heute klar: Der Flughafen Tempelhof ist überflüssig wie ein Kropf - er belastet nur den Steuerzahler in Bund und Land. Doch trotz dieser vernichtenden Bilanz blieben Sie untätig. Das ist unverantwortlich!
2. Die BVG ist heute ja schon öfter angesprochen worden. Ausweislich der Senats-Broschüre "Mobilität in der Stadt" (S. 41) führte die fast 100%ige Preiserhöhung für den Fahrschein bei BVG und S-Bahn zu einem dramatischen Fahrgastrückgang. Von 1,27 in 1993 auf 1,08 Milliarden in 1998 um fast 20 %. Der leichte Anstieg in den letzten Jahren um jeweils ein Prozent ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein! In 2001 lag die Zahl bei 1,1 Milliarden Fahrgästen - noch weit entfernt von 1993, dem Beginn der Fahrgastvertreibungspolitik bei BVG und S-Bahn.
Doch anstatt aus diesen Fehlern von rot-schwarz zu lernen, weitet rot-rot das falsche Rezept nun auf die Bäderbetriebe aus. Wir brauchen aber einen Mentalitätswechsel! Die Fixkosten müssen besser ausgenutzt werden. Fahrpreissenkungen ziehen mehr Fahrgäste an, wodurch die Einnahmen erhöht werden. Das funktionierte nicht nur in Basel und Freiburg. Das hat auch die DB AG mit dem "Schönes-Wochende-Ticket" unter Beweis gestellt. Wenn Sie schon nicht in der Lage sind, selber pfiffige Ideen zu entwickeln, so übernehmen Sie doch wenigstens die positiven Pioniertaten anderer Städte.
3. Die Erkenntnisse des wissenschaftlichen Beirats für die Erarbeitung des Stadtentwicklungsplan Verkehr bestätigen die Position der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. "Wer Straßen sät wird Verkehr ernten" war nicht nur die Auffassung von H.J. Vogel aus dem Jahr 1972. Der Beirat untermauert auch, dass die vom Senat verfolgte Veränderung des modal split nur mit einer flächendeckenden Parkraumbewirtschaftung zu machen ist. Zu beidem - Verzicht auf Straßenbau, Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung - fehlt dem Senat der Mut bzw. setzt rot-rot die Verkehrspolitik von rot-schwarz nahtlos fort.
Im Koalitionsvertrag hatten sich SPD und PDS noch auf folgendes verständigt: "Die Gebühren der Anwohnervignette werden auf die von der Rechtsprechung akzeptierte Höhe von 60,- DM pro Jahr erhöht. Davon erhalten die jeweiligen Bezirke ein Drittel für die Finanzierung der Parkraumüberwa-chung." Nur so ist die Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung für die Bezirke kein Defizit, nur so wird der Autoverkehr reduziert, nur so lässt sich sparen und gestalten. Und trotzdem war rot-rot nicht in der Lage, diese Vignetten-Regelung verbindlich im Haushalt zu verankern. Über die Erhöhung der Parkgebühren wird noch nicht einmal geredet.
In München ist der Eintritt in die Bäder nur halb so teuer, die Parkgebühren dafür aber doppelt so hoch wie in Berlin. Obwohl die Preise für die BVG, die Bewag, das Wasser, den Kitaplatz etc. erheblich gestiegen sind, blieben die Parkgebühren seit 1990 konstant. Das gibt es sonst in keinem Bereich! Das ist kinderfeindlich und unsozial. Ich stelle fest: Der rot-rote Senat verspielt eher die Chancen unserer Kinder, als das er das Autoparken an die Gebühren anderer deutscher Großstädte anpasst - von Metropolen wie London und New York einmal ganz zu schweigen. In London kostet das Befahren der Innenstadt mit dem Auto 8 Euro, in New York muss für den Parkplatz 27 Dollar bezahlt werden.
4. Auch beim Straßenbau wird weder gespart noch gestaltet: Die umstrittene Stadtautobahn zum Ostkreuz ist dem Bund zu teuer, der geplante Tunnel soll nicht gebaut werden - mit fatalen Konsequenzen:
Das Estrel-Hotel, seine Erweiterung und viele hundert Arbeitsplätze wären gefährdet, das angrenzende Wohnviertel würde zerstört. Zudem würden die Fahrgäste vom parallelen S-Bahnverkehr abgezogen, Obwohl die Überarbeitung des BVWP noch nicht abgeschlossen ist, hat der Senat das Än-derungsverfahren zum Flächennutzungsplan schon eingeleitet.
Der Mentalitätswechsel besteht also darin, dass auf den Lärmschutz einer Straße und auf die Wiede-rinbetriebnahme der Stammbahn verzichtet wird, damit in Wowereits Wahlkreis für die Dresdener Fernbahn ein Tunnel finanziert werden kann. Der verkehrspolitisch Effekt ist gleich null. Avanti dilletanti! Wir fordern: wenn schon, denn schon. Wir fordern Autobahn-Verzicht: statt Tunnel-Verzicht!
5. Sparen und gestalten könnten Sie auch in Charlottenburg. Anstatt sich von der DB AG eine Lu-xusmodernisierung aufschwatzen zu lassen, die Bund und Land zu bezahlen haben, sollten Sie unsere Variante realisieren, die fahrgastfreundlich ist und nur die Hälfte kostet. Mit dem eingesparten Geld könnten sie z.B. die fehlenden S-Bahnhöfe Oderstraße und Kiefholzstraße finanzieren, wodurch zusätzlich Fahrgäste gewonnen würden, was die Einnahmen erhöhen würde.
Wenn die DB AG das nicht will, fragen Sie die Konkurrenz. Nach dem jüngsten Urteil im Vergabe-recht können sie, nein müssen Sie ausschreiben. Schreiben Sie die S-Bahnleistung auf der Stadtbahn mit der Verschiebung nur eines Bahnsteigs aus. Sie werden es sehen: So schnell wie die DB AG sich dann bewegt, so schnell werden Sie kaum gucken können!
Anrede,
Für eine zukunftsträchtige Verkehrspolitik ist die finanzielle Not der Öffentlichen Haushalte kein Nachteil - im Gegenteil. Wer es hier nicht schafft, braucht auf anderen Gebieten gar nicht erst an-zutreten. Oder anders gesagt: Wer hier versagt, hat auf den anderen Gebieten schon längst verloren.
Herr Senator Strieder, Sie sind seit drei Jahren Verkehrssenator. Sie haben uns bei Ihrem Amtsantritt eine andere Verkehrspolitik als Ihre Vorgänger versprochen. In drei Jahren haben Sie keinen Plan-feststellungsbeschluss erlassen, keinen zusätzlicher Straßenbahn-Kilometer in Betrieb genommen, eine Erhöhung der Parkgebühren verhindert, die Bus- und Bahntarife aber erhöht. Diese Bilanz hatten auch schon Ihre Vorgänger Haase und Klemann. Sie wollten besser sein.
Herr Strieder, Maulhelden haben wir genug, wir wollen Taten sehen!