Schlechte Zeiten für neue EU-Verkehrspolitik

11. November 2008 zur Übersicht

Widerstand gegen höhere Kosten für den Schwerlastverkehr
Die FAZ über die Debatten im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlamentes zur neuen Eurovignetten-Regelung

Die Finanzmarktkrise und der drohende Wirtschaftsabschwung lähmen die europäische Verkehrspolitik. Der von der Europäischen Kommission im Juli vorgelegte Richtlinienentwurf zur Neuregelung der Anlastung der Gebühren für Schwerlastfahrzeuge (Eurovignette) sowie die Mitteilung zur Internalisierung der externen Kosten des Verkehrs werden derzeit im Kreis der EU-Verkehrsminister und im Europaparlament zwar kontrovers, doch eher schleppend behandelt.

Hohe Treibstoffpreise und die Finanzkrise seien schlecht für die Überarbeitung von Gebührensystemen, sagte der sozialdemokratische Europaabgeordnete Said El Khadraoui. Doch die Zeit dränge, eine nachhaltigere und bessere Verkehrspolitik zu schaffen. "Wenn die Preise nicht die angemessenen sozialen Kosten widerspiegeln, dann können sie auch nicht die richtigen ökonomischen Signale geben", sagt der Flame und Berichterstatter für die neue Eurovignetten-Regelung. Er spricht sich gegen ein pauschales, sondern für ein differenziertes System zur Erhebung von Straßenbenutzungskosten aus. Dieses sollte sich zum Beispiel an der tatsächlich zurückgelegten Strecke und der Schadstoffbelastung der Fahrzeuge ausrichten.
Nach der derzeitigen Rechtslage ist den Ländern nicht erlaubt, externe Kosten wie Umwelt-, Lärm- und Staukosten nach dem Verursacherprinzip in Straßenbenutzungsgebühren einzubeziehen. Nach der geplanten Neuregelung soll dies erlaubt sein. Mauterhebung soll jedoch auch weiterhin für die Länder ein freiwilliges Instrument sein. Der Grünenpolitiker Michael Cramer kritisiert das. Er fordert die zügige Einführung einer Lastwagenmaut in allen EU-Ländern und verweist dabei auf den Schienenverkehr. Dort sei nach EU-Recht die Erhebung von Trassenpreisen für jede Strecke und für alle Züge vorgeschrieben. In den baltischen Staaten und in der Slowakei sei die Maut auf der Schiene am höchsten und die Benutzung der Straßen kostenlos, kritisiert Cramer.
Der Hamburger Europaabgeordnete Georg Jarzembowski (CDU) fürchtet dagegen, dass die neue Eurovignetten-Richtlinie zu einer "erneuten einseitigen Belastung des Lkw" führen könnte. Vor einer neuen Gebührenregelung für die Straße solle die Kommission erst einmal Vorschläge unterbreiten, wie die externen Kosten auch in die Preise für Transporte auf Schiene und Wasserwegen sowie in der Luft angemessen berechnet werden könnten. Die sei auch zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Straße geboten.
Der Grünenpolitiker Cramer fordert, sich an der Schweiz auszurichten. Diese hätte der EU gezeigt, wie die Verlagerung von der Straße auf die Schiene gelingen könne. Die Einnahmen der Straßenmaut seien dort viermal so hoch wie in Deutschland und würden auf allen Straßen und für alle Lastkraftwagen gelten. Das Geld würde in die Modernisierung der Schienenwege und in die Lärmsenkung der Güterwagen investiert. Cramer verweist auf Berechnungen des Schweizer Instituts Infras: Danach beteilige sich der deutsche Steuerzahler an jedem Kilometer, den ein 40-Tonner zurücklegt, mit 63 Cent. In einem Jahr seien das etwa 12 Milliarden Euro. Die jährlichen Einnahmen der Lkw-Maut lägen gegenwärtig nur bei 3,3 Milliarden Euro. So sei es für Spediteure und die Wirtschaft finanziell attraktiv, beispielsweise die in Skandinavien gefangenen Krabben auf der Straße zum Poolen nach Marokko zu transportieren, um sie danach in den Restaurants von Oslo, London oder Stockholm zu servieren, erläuterte Cramer: "So wird das klimaschädliche Verkehrswachstum künstlich erzeugt und finanziell unterstützt."
Die Abstimmung der Parlamentsberichte im Straßburger Plenum ist für kommenden März vorgesehen. CDU-Verkehrspolitiker Jarzembowski erwartet keine Einigung mit den EU-Regierungen in erster Lesung vor der Europawahl im Juni 2009. Der Rat sei offensichtlich noch sehr zerstritten. Dies sei positiv, sagte Jarzembowski. Denn damit bestünde die Möglichkeit, noch Regelungen für andere Verkehrsträger vorzubereiten und so die Einseitigkeit neuer Belastungen zu vermeiden.