"Schall und Rauch abwählen"

07. September 2013 zur Übersicht

Rede von Michael Cramer gegen den Fluglärm auf der Demonstration der Bürgerinitiativen "Schall und Rauch abwählen" am 07. September 2013 im Regierungsviertel von Berlin

Anrede,

Lärm macht krank – und Fluglärm macht besonders krank. Deshalb demonstrieren wir hier in Berlin gegen den Großflughafen BER. Aber wir sind nicht allein: Auch in Frankfurt, Wiesbaden und Mainz wehren sich die Menschen gegen den Fluglärm und in München wurde durch den Widerstand der Ausbau des Flughafens gestoppt. All das macht uns Mut – und auch in Berlin können wir den Fluglärm reduzieren!

Aber – von Anbeginn der Diskussion ging es in Berlin nur um die Größe – niemals um die Menschen in dieser Region. Geld spielte keine Rolle – denn die Quelle der Steuerzahler schien der großen Koalition von Berlin, Brandenburg und dem Bund grenzenlos.

Anfangs sollte der BER ja privat finanziert werden mit einer Flughafengebühr von 20 DM. Dies begründeten die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD, Klaus Rüdiger Landowski und Klaus Böger, folgendermaßen: „Es darf nicht sein, dass der Steuerzahler den Flughafen finanziert, das sollen die Nutzer tun. Wer fliegt, soll zahlen.“

Wie wahr! Aber als dann die private Finanzierung scheiterte und der Senat den Bau übernahm, war das erste, was die beiden Herren gestrichen haben: die Flughafengebühr.

Und natürlich wollte die große Koalition einen Großflughafen. Man träumte nach dem Fall der Mauer von 60 Millionen Passagieren pro Jahr. Wir Grüne waren immer gegen den Großflughafen. Wir wollten stattdessen einen Single-Airport, um die Belastung der Anwohner von drei Flughäfen erheblich zu reduzieren und haben im Abgeordnetenhaus von Berlin gegen den Großflughafen in Schönefeld votiert.

Begründet wird der Großflughafen durch die große Koalition immer wieder mit der Größe des Wachstums. Verschwiegen wird allerdings, dass dieses Wachstum künstlich erzeugt wird, dass es mit unseren Steuergeldern systematisch unterfüttert wird, dass die umweltfreundlichen Alternativen künstlich verteuert werden und der menschen- und umweltschädliche Flugverkehr extrem verbilligt wird.

Hinzu kommt, dass sich die Bundesregierung und die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg  offensichtlich nicht an die Gesetze halten:

So wurde im Planfeststellungsbeschluss ein weit reichender Lärmschutz für die Anwohner beschlossen. Als der jedoch zu teuer schien, wurde dieser richterliche Beschluss kurzerhand gekippt. Nur durch die Klage der Anwohner wurde der ursprüngliche Lärmschutz bestätigt. Die Kosten für diesen versuchten Rechtsbruch werden nun Mehrkosten genannt und man bittet in Brüssel um entsprechende Unterstützung. Dagegen wehren wir uns!

Auch bei den Demonstrationen wird das Recht gebrochen. So musste der Senat zugeben, dass die Flughafen-Gegner durch Polizeibeamte in Zivil standardmäßig überwacht werden.

Herr Innensenator Henkel: Law and Order sieht anders aus! Wir leben doch nicht in Russland! Die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit ist ein hohes Gut in der Demokratie. Stoppen sie diese Schnüffelei!

Und auch bei den Flugrouten wird die Bevölkerung getäuscht. Nun gibt es Schallschutz , wo kein Fluglärm ist, und fehlende Schallschutzmaßnahmen dort, wo sie nötig sind. Wir wollen die Flugrouten nicht nach den Profitinteressen der Airlines, sondern die Sicherheit und die Lärmbelastung für die Anwohner müssen die oberste Priorität bekommen.

Der Verkehr ist für 30 % aller CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist schon schlimm, aber schlimmer noch ist die Entwicklung seit 1990. In der Industrie wurde eine Senkung um 34 % erreicht, im Verkehr sind sie im selben Zeitraum um 29 % gestiegen. Der Verkehr frisst demnach all das doppelt und dreifach auf, was in anderen Sektoren mit Milliarden unserer Steuergelder erreicht wurde.  Warum ist das so?

Im Verkehr ist die Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt. Das sagt nicht ein Altkommunist der DDR, das sagt Johannes Ludewig von der CDU, der unter Helmut Kohl Staatssekretär im Wirtschaftsministerium war.

Wenn ich ihn dann frage: Heißt das, dass wir im Verkehr die üble sozialistische Planwirtschaft haben, erwidert er: Dem kann ich nicht widersprechen.

Der menschen- und umweltschädliche Luftverkehr wird nämlich im Verhältnis zur umweltfreundlichen Bahn extrem begünstigt:

Jede Lokomotive muss auf jedem Streckenkilometer eine Schienenmaut bezahlen, Trassenpreise für Flugzeuge gibt es nur über Sibirien. Darüber regen sich alle auf – aber wir könnten den Russen doch auch zeigen: Was ihr könnt, können wir auch.

Bei der Bahn gibt es europaweit bei einer Verspätung von einer Stunde 25 % und von zwei Stunden 50 % des Ticketpreises zurück. Bei den Airlines erst nach drei Stunden – und diese Zeit will die EU-Kommission – mit Unterstützung der schwarz-gelben Bundesregierung - nun auf 5 Stunden ausdehnen.

Die Kunden der Bahn sind über den Stromkauf am Emissionshandel beteiligt, müssen für den verbrauchten Dieseltreibstoff die Mineralölsteuer bezahlen und auf Auslandsfahrten auch 19 % Mehrwertsteuer  – die Airlines sind von alledem befreit.

Allein für die Befreiung von der Kerosinsteuer und bei Auslandsflügen auch von der MWSt bekommen die Airlines jedes Jahr vom europäischen Steuerzahler 30 Milliarden € geschenkt. Die Masse der Steuerzahler subventioniert also die Vielflieger und die Manager. Das ist nicht nur unökologisch, das ist auch asozial!

Von den 30 mrd. € bezahlen die deutschen Steuerzahler 12 Mrd. €. Die Luftfahrtgebühr, die die schwarz-gelbe Bundesregierung eingeführt hat und über die sich die Airlines beklagen, reduziert diese Subventionen gerademal um ein Zwölftel. Und dass die SPD diese Gebühr wieder abschaffen will, verstehe wer will – ich jedenfalls verstehe das nicht!

Nur diese unfairen Wettbewerbsbedingungen machen das Fliegen billig und das Bahnfahren teuer. Obwohl die Emissionen in der Stratosphäre drei- bis viermal so klimaschädlich sind, wie am Boden, wird die Bevölkerung geradezu finanziell gezwungen, die menschen- und umweltschädlichen Flugzeuge zu benutzen und nicht die umweltfreundliche Bahn.

All das muss sich ändern und deshalb sind wir heute hier! Wir müssen die Investitionen und die Subventionen in die falsche Richtung stoppen. Nur so können wir die Mobilität sichern und den Klimawandel stoppen!

Dafür brauen wir nicht mehr Geld sondern nur eine andere Politik. In Stuttgart werden 10 Mrd. € ausgegeben für einen Bahnhof, der nur halb so leistungsfähig ist, wie der bestehende und für eine Neubaustrecke nach Ulm, die steiler ist als die existierende „Geislinger Steige“. Wir hätten dann nicht nur eine, sondern zwei Strecken, die für den Güterverkehr nicht geeignet sind.

In Berlin wird eine Autobahn gebaut, die in den 1950er Jahren geplant wurde, als die „autogerechte Stadt“ noch das unumstrittene Leitbild war. Mit 150 Mio. € pro Kilometer ist das die teuerste Autobahn der Republik.

Und wir wissen: In Stuttgart und in Berlin können sich die jetzigen Planungskosten locker verdoppeln!

Nur mit einer anderen Politik - nicht mit mehr Geld - gibt es eine klima- und menschenfreundliche Alternative!

Nach dem Ausbau der Eisenbahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin und der zwischen Berlin und Hannover gibt es keinen Flugverkehr mehr. Ähnlich ist es zwischen Paris und Brüssel, zwischen Paris und London oder zwischen Madrid und Barcelona. Wenn die Zugfahrt nur eine Stunde länger als der Flug dauert, bevorzugen die Menschen die Bahn. Und auf diesen Relationen ist die Bahn von Stadtmitte zu Stadtmitte sogar eine Stunde schneller!

Man stelle sich vor, nur 10 Jahre lang würden die den Airlines jedes Jahr geschenkten  30 Mrd. € in die europäischen Bahnen investiert. Wir hätten ein Super-Eisenbahnnetz, billige Preise und den Flugverkehr halbiert. Das würde bedeuten, dass nicht nur die Emissionen halbiert würden sondern auch der Fluglärm.

Lärm macht krank, Fluglärm macht besonders krank. Nur wer gut schläft, kann gut arbeiten. Deshalb fordern wir Grünen in unserem Bundestagswahlprogramm ein Nachtflugverbot von 22.00 bis 6:00 und insgesamt eine andere Verkehrs- und Umweltpolitik.

Wir müssen den Klimawandel stoppen, damit unsere Kinder und deren Kinder auf diesem Planeten noch leben können. Wir können und wir wollen das auch:

Die Mobilität sichern und den Klimawandel stoppen. Beides ist möglich und dafür wünsche ich uns allen viel Erfolg!

Michael Cramer, MdEP