Entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs soll ein Rad- und Wanderweg entstehen - Von Frank Herold
Die Trennlinie, die Europa bis vor 17 Jahren in feindliche Blöcke geteilt hat, ist noch sichtbar. Überwiegend wuchert üppiges Grün, mancherorts ist auch der Kolonnenweg erhalten. Das macht den Eisernen Vorhang erfahrbar - im doppelten Wortsinne.
Michael Cramer, Europaabgeordneter der Grünen, ist gerade entlanggeradelt. Von der Ostsee bis nach Lauenburg war er unterwegs. "Es ist erschreckend, wie wenig Hinweise man findet auf die physische und geistige Grenze, die Europa im 20. Jahrhundert durchzogen hat", sagt Cramer. Er sieht darin ein weiteres Argument für das Projekt, das ihn umtreibt: ein Rad- und Wanderweg auf dem Grenzstreifen von der Barentsee bis zum Schwarzen Meer.
Dabei geht es nicht allein darum, eine Schneise zu schlagen und auszubauen. Schließlich ist inzwischen fast schon eine Generation herangewachsen, für die sich die Geschichte dieses monströsen Bauwerks nicht mehr aus der Erinnerung speist. So sollen erklärende Tafeln an besonders markanten Stellen Auskunft geben - ähnlich wie am Berliner Mauerradweg, zu dessen Initiatoren Cramer gehörte. Er hat inzwischen in allen der 19 beteiligten Länder Mitstreiter gefunden. Derzeit werden Routen in Norwegen und Finnland erkundet. Weiter soll der Weg über die Ostseeküste der baltischen Staaten, Polen und Deutschland bis nahe Travemünde führen. Dann folgt die Route der deutsch-deutschen Grenze, gelangt an Tschechien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien entlang bis zum Schwarzen Meer.
Inzwischen ist auch die EU eingestiegen. Erstmals können in diesem Jahr Fördermittel für den Ausbau der Strecke beantragt werden. In zehn Jahren, so hofft Cramer, könne der "Fernwanderweg Eiserner Vorhang" auf voller Länge befahr- und begehbar sein.
Copyright: Berliner Zeitung, 20.06.2006