(Es gilt das gesprochene Wort)
Die europäischen Häfen befinden sich in einer schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage, die auf europäischer Ebene dringendes Handeln erfordert, um den umwelt- und verkehrspolitischen Zielen gerecht zu werden. Dies hat die Europäische Kommission durch ihre Initiativen, wie etwa im 'Grünbuch zur Hafenpolitik' und in der 'Richtlinie über die Öffnung der Hafendienste' auch angeschnitten. Bevor ich auf diese europäischen Initiativen noch einmal eingehe und unsere jahrelange 'Green Port Campaign' parallel streife, möchte ich kurz die allgemeine Problematik erläutern:
• Daseinsvorsorge ('public service')
Häfen erfüllen eine wichtige Rolle in der Pflicht zum Erhalten der Daseinsvorsorge, indem sie vitale und strategische Versorgungsknotenpunkte sind. Art. 16 des EU-Vertrages sowie die neue EU-Richtlinie über die öffentlichen Dienste bieten hierfür bereits eine wichtige Grundlage. Auch die vielen öffentlichen Gelder, die in Hafeninfrastrukturen investiert werden, stützen die Forderung, dass die Rolle der Häfen für die Daseinsfürsorge nicht demontiert werden darf, sondern weiter verbessert werden sollte.
• Soziales
Durch diesen Konkurrenzdruck werden soziale Regeln in Frage gestellt und ausgehöhlt. Es wird versucht, im Sog der Globalisierung gewisse Einspareffekte zu erzielen, indem mühsam erkämpfte soziale Rahmenbedingungen über Bord gekippt werden. Auch wird unter diesem Druck an der Kompetenz des Personals und der Sicherheit 'gespart', was schließlich zu mehr Kosten führt.
• Umweltprobleme
Obwohl der Verkehr über Wasserwege aus Umweltgründen grundsätzlich von den Grünen unterstützt werden sollte, kann ein unbeschränktes Wachstum auch zur Belastung der Umwelt führen. Art. 6 des EU-Vertrages beinhaltet jedoch die Pflicht, Umweltregeln und nachhaltige Entwicklung in den Verkehrsinfrastrukturbereich zu integrieren. Flächenverbrauch, Lärm, globale und lokale Emissionen, Austiefung der Flussmündungen, Schlickprobleme (wie z.B. in Antwerpen) sollten einem gut funktionierenden Umweltmanagement unterworfen werden.
• Wirtschaftliche Aspekte
Nicht nur unsere Nord-Range Häfen sind in einem rücksichtslosen Konkurrenzkampf verwickelt. Die beliebige Expansion der jeweiligen Häfen und die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten und Überkapazitäten wird von nationalen und regionalen Behörden unterstützt. Alle hoffen betriebswirtschaftlich, durch zusätzliche Investitionen und Kapazitätserweiterungen, ein größeres Stück der stark zunehmenden 'Containerisierung' abzubekommen. Wettbewerbsverzerrungen und unkoordinierte Ausgaben führen zu volkswirtschaftlichem Chaos und Ineffizienz.
• Verkehrspolitik
Die unkoordinierte Verzerrung der Konkurrenz führt zu einer verkehrspolitischen Konzeptionslosigkeit : jeder Hafen versucht egal welche Güterströme mit abzuwickeln, auch wenn dies zu allzu aufwendigem Landverkehr führt und zusätzliche externe und Landinfrastrukturkosten verursacht werden.
Das Weißbuch der Kommission von 2001 über die 'künftige Verkehrspolitik hin zu 2010' hat die die Bedeutung der Häfen und Wasserwege im intermodalen Rahmen der europäischen Verkehrspolitik unterstrichen. Auch die neu revidierten transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN) haben die Rolle der Seeverkehrswege zur Priorität erklärt, wie wir aus Projekt Nr. 21 - 'Motorways of the Sea' entnehmen können. Grundlagen genug um eine koordinierte und unterstützende europäische Hafenpolitik zu intensivieren.
Die europäische Eisenbahnpolitik, gestützt auf Richtlinie 91/440/EWG und die drei Eisenbahnpakete über verschiedene Maßnahmen zur Sicherheit, Interoperabilität, Marktzugangs- und Preisregeln usw. ... sind inspirierend für eine entsprechende künftige Hafenpolitik.
Aus dieser Lage heraus und parallel zum 'Grünbuch' und zur 'Hafenrichtlinie' der Kommission, haben wir mit mehreren Veranstaltungen in Antwerpen, Rotterdam, Hamburg, Bremen, Brüssel eine Green Port Campaign entwickelt. So fand erst im März 2004 eine grüne Konferenz zur Hafenpolitik in Hamburg statt und Anfang 2005 wird es wieder eine solche Veranstaltung in Rotterdam geben.
Es gab und gibt genügend Gründe für diese Kampagne. Anlässlich des Grünbuchs hatten wir gefordert, dass die Kommission eine koordinierte, grenzüberschreitende Hafenpolitik für die EU konkretisieren und vorschlagen sollte.
Das Europäische Parlament (EP) verabschiedete in 1997 eine entsprechende Entschließung, worin es unter anderem forderte, dass
• die Kommission eine 'Transparenz-Studie' über Organisation und Finanzierung der europäischen Häfen durchführen sollte,
• Kontrolle über die gleiche Anwendung von Beihilfen und Konkurrenzbedingungen gewährleistet wird,
• Staatsbeihilfen nach 'öffentlich' oder 'kommerziell' zu unterscheiden und Hafensuperstruktur von Staatsbeihilfen auszuschließen sind.
Groß war die allgemeine Enttäuschung, als die Kommission mit der Richtlinie zur Liberalisierung einiger Dienste (z.B. Lotsen, Selbstabfertigung/'self-handling') in den Europäischen Häfen kam. Das geschah auf Betreiben spanischer Interessen und der Energie- und Verkehrskommissarin Loyola de Palacio.
Die europäischen Gewerkschaften und Hafenarbeiter waren vor allem über die Freigabe der Selbstabfertigung empört - sichtbar an der Demonstration am 17. Februar 2003 in Brüssel. Die europäischen Grünen fanden für ihre ablehnende Haltung immer mehr politische Unterstützung und in dritter Lesung sprach das EP sich am 20. November endlich mit knapper Mehrheit gegen diese Richtlinie aus.
Der neue Richtlinienvorschlag der Kommission begrenzt die Liberalisierung der Selbstabfertigung zwar auf die 'maritime highways' bzgl. 'Küstenschifffahrt', aber auch hierfür besteht keine Rechtfertigung und wieder werden hierdurch Probleme hinsichtlich der Sicherheit und Sozialstandards der Hafenarbeiter geschaffen.
Unsere Green Port Campaign bleibt jedoch kontinuierlich. Nach jahrelanger Beobachtung kristallisieren sich einige vorrangige Forderungen für die nahe Zukunft heraus:
1. eine europäische Hafenpolitik mit grenzüberschreitender Koordination der Hafeninfrastruktur und -investitionspolitik im intermodalen Rahmen,
2. eine intensive Überwachung und Koordination der Beihilfen an Häfen, um nicht nur Konkurrenzverzerrungen sondern auch Überkapazitäten möglichst zu vermeiden,
3. eine schrittweise Internalisierung der externen sozialen und Umweltkosten für alle Verkehrsträger, also auch für die Hafenbenutzer,
4. keine sozialen Rückschritte in den Häfen der erweiterten EU, damit die Sicherheit weiterhin gewährleistet und verbessert wird,
5. mehr Kontrolle über die Anwendung der Umweltrichtlinien, wie Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), Strategische Umweltvertäglichkeitsprüfung (SUP), Natura 2000 und eine Intensivierung von Umweltmanagement in den europäischen Häfen,
6. eine stärkere Einbeziehung der Häfen in das weiter zu konkretisierende TEN-T Projekt Nr. 21 - 'Motorways of the Sea',
7. eine EU-Gesetzgebung über die Häfen, ähnlich wie in den erwähnten drei Eisenbahnpaketen vorgesehen.