Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
Lärm macht krank – und Fluglärm macht besonders krank. Die Gesundheit leidet - physisch wie auch psychisch - wenn wir uns vor lauter Lärm nicht einmal zu Nachtzeiten vom Stress erholen können. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass EU-weit bis zu 1,6 Millionen gesunde Lebensjahre durch Verkehrslärm verloren gehen.
Deshalb demonstrieren wir hier in Friedrichshagen gegen die willkürlichen Flugrouten und den Großflughafen BER. Aber wir sind nicht allein: Auch in Frankfurt und Mainz wehren sich die Menschen gegen den Fluglärm und in München wurde durch den Widerstand der Ausbau des Flughafens gestoppt. All das macht uns Mut – und auch in Berlin können wir den Fluglärm reduzieren!
Von Nachtflugverbotsgegnern mussten wir uns lange anhören, dass die wirtschaftlichen Verluste und die Gefahr für Arbeitsplätze untragbar wären. Dem können wir nun entgegen setzen, dass trotz aller Schwarzmalerei der Wirtschaft, die Lufthansa-Cargo in Frankfurt Anfang des Jahres meldete, dass sie mit Steigerungen für 2014 rechnet. Sie investiert deshalb nun riesige Summen in den Standort Frankfurt - trotz des dort bestehenden Nachtflugverbots!
Auch die Reisenden in Frankfurt und anderswo freut ein Nachtflugverbot: Endlich können Charterflüge in den wohlverdienten Urlaub - der ja zur Erholung gedacht ist! - nicht mehr mitten in der Nacht starten, sondern werden zu normalen Tageszeiten abgewickelt. Ein Gewinn für alle Urlauber und für die Anwohner, die so endlich zu ein paar ruhigen Stunden Schlaf finden können.
Nach vielen Jahren Überzeugungsarbeit erkennt deshalb nun auch endlich die EU die Gesundheitsrisiken an, die vom Lärm ausgehen. Endlich wird an Lärmkarten und Aktionsplänen gearbeitet und über Möglichkeiten diskutiert, wie der Lärm direkt an der Quelle reduziert werden kann. Bei der Bahn gibt es inzwischen sogar eine Ko-Finanzierung mit EU-Geldern für sogenannte Flüsterbremsen. Da ist der richtige Ansatz! Ähnliche Lösungen brauchen wir auch für den Fluglärm!
Und es gibt eine weitere positive Nachricht von der Europäischen Ebene: Der Versuch der EU-Kommission, sich im Rahmen des sogenannten EU-Flughafenpakets ein Veto-Recht gegen vor Ort beschlossene Lärmschutzmaßnahmen zu sichern, wurde von uns gestoppt. Auf durch uns, die Grünen im Europäischen Parlament, konnte in den Verhandlungen verhindert werden, dass der Lärmschutz auf Druck der Luftverkehrs-Lobby ausgehebelt wird. Die EU-Kommission muss zwar über die Nachtflugverbote informiert werden, aber sie darf nicht eigenmächtig lokal errungene Kompromisse eigenmächtig aufheben. Und das ist richtig so! Denn wirtschaftliche Interessen dürfen nicht über den Gesundheitsschutz gestellt werden!
Es ist ein Irrglaube zu denken, dass es in der Wirtschaft stetiges Wachstum geben soll und geben kann. Und auch der Luftverkehrssektor ist davon nicht ausgenommen! Es gibt immer mehr Flughäfen, immer mehr Landebahnen werden angebaut, weil ständig von einer Verdoppelung des Luftverkehrs in den kommenden Jahren gesprochen wird. Dabei wird vergessen, dass dieses stetige Wachstum der Luftfahrt eine künstlich aufgeblähte Blase ist und wir einen hohen Preis zahlen, der nur bis zu einem bestimmten Teil in Eurosummen beziffert werden kann.
Von den 23 Flughäfen in Deutschland schreiben nur 6 – ich wiederhole nur 6 Flughäfen – schwarze Zahlen. Alle anderen, das sind 17 Flughäfen, sind defizitär. Das ist nicht nur Kassel-Calden. Das ist übrigens der 270 Mio. Euro teure Flughafen, von dem aus die Passagiere mit dem Taxi nach Paderborn gefahren wurden. Nein, es gibt außer Kassel-Calden noch weitere 16 hoch defizitäre Flughäfen. Zum Beispiel den in Dortmund. Dessen jährliches Defizit beträgt knapp 20 Mio. Euro. Offensichtlich muss diese Stadt sehr reich sein, müssen Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser in hervorragendem Zustand sein, dass die Stadt sich solche Millionengeschenke leisten kann.
Und die Billig-Airlines, Easyjet und Ryanair? Die weisen zwar Gewinne aus, Ryanair im Jahr 2010 sogar 500 Mio. Euro. Tatsächlich hatte diese Fluggesellschaft aber ein Minus von 300 Mio. Euro. Wer gleicht das aus? Das sind die Steuerzahler. Das ist verrückt, aber traurige Realität! Das ist klimaschädlich und unsozial.
Nur diese unfairen Wettbewerbsbedingungen machen das Fliegen billig und das Bahnfahren teuer. Seit der Bahnreform 1994 ist der innerdeutsche Flugverkehr um 70 % gestiegen. Im Fernverkehr der Bahn wurden in diesen 20 Jahren 15 mal die Ticketpreise erhöht und 80 Milliarden in die Infrastruktur investiert. Trotzdem sind die Fahrgastzahlen im Fernverkehr zurückgegangen. <s style="text-line-through: double"></s>
Obwohl die Emissionen in der Stratosphäre drei- bis viermal so klimaschädlich sind, wie am Boden, werden die Menschen geradezu finanziell gezwungen, die umweltschädlichen Flugzeuge zu benutzen und nicht die umweltfreundliche Bahn. Wer kann es ihnen verübeln, wenn man für ein Flugticket quer durch Deutschland häufig weniger bezahlt als für eine Taxifahrt in Berlin.
All das muss sich ändern und deshalb sind wir heute hier! Wir müssen die Investitionen und die Subventionen in die falsche Richtung stoppen. Nur so können wir die Mobilität sichern und den Klimawandel stoppen!
Dafür brauen wir nicht mehr Geld sondern nur eine andere Politik! Nur mit einer anderen Verkehrs- und Umweltpolitik - nicht unbedingt mit mehr Geld - gibt es eine klima- und menschenfreundliche Alternative!
Positive Beispiele dafür gibt es bereits: Nach dem Ausbau der Eisenbahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin und der zwischen Berlin und Hannover gibt es dort keinen Flugverkehr mehr. Ähnlich ist es zwischen Paris und Brüssel, zwischen Paris und London oder zwischen Madrid und Barcelona. Wenn die Zugfahrt nur eine Stunde länger als der Flug dauert, bevorzugen die Menschen die Bahn. Und auf diesen Relationen ist die Bahn von Stadtmitte zu Stadtmitte sogar noch mehr als eine Stunde schneller!
Dennoch ist der umweltschädliche Luftverkehr im Verhältnis zur umweltfreundlichen Bahn heute immer noch extrem begünstigt:
Vor noch nicht einmal zwei Wochen, wurde beschlossen, dass die Beteiligung des europäischen Luftverkehrs an den Emissionshandel noch bis 2016 weiter ausgesetzt wird. Die Kunden der Bahn sind über den Stromkauf am Emissionshandel beteiligt, müssen für den verbrauchten Dieseltreibstoff die Mineralölsteuer bezahlen und auf Auslandsfahrten auch 19 % Mehrwertsteuer – die Airlines sind von alledem befreit.
Allein für die Befreiung von der Kerosinsteuer und bei Auslandsflügen auch von der Mehrwertsteuer bekommen die Airlines jedes Jahr vom europäischen Steuerzahler 30 Milliarden € geschenkt. Die Masse der Steuerzahler subventioniert also die Vielflieger und die Manager. Das ist nicht nur unökologisch, das ist auch asozial!
Im Verkehr ist die Marktwirtschaft außer Kraft gesetzt. Das sagt nicht ein Altkommunist der DDR, das sagt Johannes Ludewig von der CDU, der unter Helmut Kohl Staatssekretär im Wirtschaftsministerium war. Wenn ich ihn dann frage: Heißt das, dass wir im Verkehr die üble sozialistische Planwirtschaft haben, erwidert er: Dem kann ich nicht widersprechen.
All diese genannten Privilegien - und es gibt noch einige mehr davon - sowie die unerwünschten Nebenkosten des Fliegens, wie Verschmutzung und Lärmemissionen, werden nicht von den Airlines oder den Passagieren getragen, sondern von der Allgemeinheit. Sie bezahlen mit ihren Steuergeldern und mit ihrer Gesundheit!
Von den 30 Mrd. € bezahlen die deutschen Steuerzahler 12 Mrd. €. Die Luftfahrtgebühr, die die schwarz-gelbe Bundesregierung eingeführt hat und über die sich die Airlines beklagen, reduziert diese Subventionen gerademal um ein Zwölftel. Und dass die SPD diese Gebühr im Koalitionsvertrag wieder abschaffen wollte, verstehe wer will – ich jedenfalls verstehe das nicht!
Und auch der neue Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) wird – inklusive der Mehrkosten in Milliardenhöhe – aus Steuergeld und nicht von den Airlines finanziert. Es wäre Aufgabe der Politik, den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Verkehrsträgern im Sinne des Gemeinschaftsinteresses fair zu gestalten. Dabei geht es nicht um Planwirtschaft, sondern darum, die Marktwirtschaft wiederherzustellen. Ein fairer Wettbewerb zwischen allen Verkehrsmitteln ist ein vernünftiges und marktorientiertes Ziel.
Man stelle sich vor, nur 10 Jahre lang würden die den Airlines jedes Jahr geschenkten 30 Mrd. € in die europäischen Bahnen investiert. Wir hätten ein Super-Eisenbahnnetz, billige Preise und den Flugverkehr halbiert. Das würde bedeuten, dass nicht nur die Emissionen halbiert würden sondern auch der Fluglärm.
Stattdessen wird die Luftverkehrsblase immer weiter aufgebläht. Da werden Krabben aus Skandinavien per Luftfracht nach Marokko zum Pulen geschickt, weil der Transport per Flugzeug weniger kostet als die Arbeitslöhne vor Ort. Und nur dank der schwindelerregenden Subventionen kommen manche Menschen auf die Idee, eben mal kurz für einen Shoppingtag nach London oder Mailand zu jetten. Doch das widerspricht jeglicher Marktlogik!
Der wirtschaftliche Schaden, der für den Steuerzahler dabei entsteht, ist nur die eine Seite der Medaille. Der vorenthaltene Gesundheitsschutz für lärmgeplagte Flughafenanwohner die andere. Nachtflugverbote waren nie als Ärgernis für die Wirtschaft gedacht, sondern notwendig, um die Menschen im Einzugsgebiet großer Flughäfen wenigstens einige Stunden vor dem Fluglärm zu schützen. Andernfalls drohen - da ist sich die Wissenschaft einig - eine ganze Reihe stressbedingter Erkrankungen, angefangen bei Bluthochdruck und Herzkreislauferkrankungen. Diese Ruhezeiten zu verweigern oder gar wieder abzuschaffen, ist blanker Hohn für die betroffenen Anwohner.
Lärm macht krank, Fluglärm macht besonders krank. Nur wer gut schläft, kann gut arbeiten. Das wissen die Anwohner von Flughäfen aus eigener Erfahrung! Deshalb ist es so wichtig und richtig, dass Sie als Teil der Bürgerinitiativen und der Öffentlichkeit den Druck aufrechterhalten. Nur gemeinsam und mit viel Anstrengung können wir es schaffen, den Flugverkehr endlich zu begrenzen und die ökologisch und sozial fatale Logik eines ungebremsten Wachstums zu durchbrechen.
Bei der Europa-Wahl am 25. Mai 2014 können Sie darüber mitentscheiden, in welche Richtung sich die Europäische Mobilitäts- und Verkehrspolitik entwickelt: Die Mobilität sichern, den Lärm reduzieren und dabei den Klimawandel stoppen. Das alles ist möglich und dafür wünsche ich uns allen viel Erfolg!