Die Bundesregierung will bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straßen bringen, um die Luftqualität zu verbessern. Angesichts eines Bestands von knapp 50 Millionen Fahrzeugen ist dieses milliardenschwere Vorhaben eine teuer bezahlte Illusion.
Denn bisher sind die Fortschritte in Richtung effizienterer und sauberer Fahrzeuge durch die Diesel-Subventionierung und den Trend zu immer größeren und stärker motorisierten Pkw zunichtegemacht worden. Der Verkehr ist in der EU für ein Viertel aller CO2-Emissionen verantwortlich, er ist zudem der einzige Sektor, in dem diese seit 1990 gestiegen sind. Während der CO2-Ausstoß der Industrie seitdem um 38 Prozent gesunken ist, hat er im Verkehr im selben Zeitraum um 22 Prozent zugenommen.
Dass man mit einer klugen Verkehrspolitik die Mobilität sichern und das Klima schützen kann, zeigt Kopenhagen. Dort fahren heute 55 Prozent der Menschen mit dem Fahrrad zur Schule oder zur Arbeit und nur 22 Prozent der Haushalte haben ein Auto. Nach der - trügerischen - Hoffnung, die in Agrosprit gesetzt wurde, will man nun auf das Elektroauto wetten. Doch ob die Umweltbilanz besser ist, hängt vor allem von der Stromquelle ab. Derzeit wird der Strom in Deutschland zu 70 Prozent aus fossilen Brennstoffen produziert, vornehmlich aus der klimaschädlichen Kohle.
Vor mehr als 40 Jahren sagte der damalige Oberbürgermeister von München, Hans-Jochen Vogel (SPD): "Das Auto mordet unsere Städte. Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten!" Selbst wenn morgen alle Autos aus erneuerbaren Quellen elektrisch betrieben würden, ginge die Zerstörung unserer Städte weiter. Denn noch immer verschwinden in Deutschland Tag für Tag 70 Hektar unter Asphalt und Beton.
Um den ökologischen Wert elektrischer Antriebe beurteilen zu können, muss man die Verkehrsträger getrennt betrachten. Statistisch wird ein Auto durchschnittlich nur eine Stunde am Tag bewegt. Ganz anders sieht es bei einem 18-Meter-Bus aus, der täglich viele Stunden unterwegs ist. Jedes Jahr verbrennt er 40 000 Liter Diesel und stößt mehr als 100 Tonnen CO2 aus. Hier würde ein elektrischer Antrieb spürbar zur Luftverbesserung beitragen. Da die Probleme der Ladestationen bei E-Bussen sofort und kostengünstig lösbar sind, müsste hier gezielt gefördert werden.
Die finanzielle Förderung nach dem Gießkannenprinzip hilft nicht viel weiter. Wie man übrigens an der schnellen Zunahme der heute schon mehr als zwei Millionen Elektrofahrräder in Deutschland sieht, gibt es sinnvolle Entwicklungen ganz ohne einen einzigen Eurocent aus der Staatskasse!
Dass das Fahrrad in die multimodale Verkehrspolitik integriert werden muss, wird kaum noch bestritten. Den Worten fehlen aber die Taten - insbesondere in Berlin. Umso überraschender ist die "Luxemburger Erklärung über das Fahrrad als klima- und umweltfreundliches Verkehrsmittel", die der EU-Verkehrsministerrat 2015 einstimmig beschlossen hat. Demnach ist auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt davon überzeugt, dass in den EU-Städten mehr als die Hälfte des Güterverkehrs auf Cargo Bikes verlagert werden kann - elektrisch betriebene Lastenfahrräder, die bis zu 200 Kilogramm transportieren können. Man stelle sich vor, die Hälfte der Lkw würde in den Städten verschwinden. Die Staus wären reduziert, die Luft besser und die Städte erheblich attraktiver.
Wo es ökologisch und verkehrspolitisch sinnvoll ist, muss die Elektromobilität auch finanziell unterstützt werden - allerdings nicht nach dem Gießkannenprinzip wie bei der Abwrackprämie. Eine Unterstützung elektrischer Antriebe bei Cargo-Bikes, Elektro-Bussen, Carsharing und Taxis würde einer sinnvollen Mobilitätsveränderung dienen. Das Dienstwagenprivileg dagegen sollte nicht erweitert, sondern abgeschafft werden.
Bei der Finanzierung sollte das Verursacherprinzip gelten. Das Diesel-Privileg von 18 Cent pro Liter wurde einst damit begründet, dass Diesel etwas geringere CO2-Emissionen verursacht. Heute wissen wir aber, dass die gesundheitsschädlich hohen Stickstoffwerte und die vielen Feinstaubpartikel jährlich zu tausenden vorzeitigen Todesfällen führen. Diesel ist für die Menschen gefährlicher als Benzin!
Angesichts des heute niedrigen Diesel-Preises von unter einem Euro muss das Diesel-Privileg fallen. Wann, wenn nicht jetzt? Das wäre nicht nur besser für die Menschen, es wäre auch eine gerechte Finanzierungsquelle für den gezielten Einsatz von Elektromobilität.
Michael Cramer ist Mitglied der Grünen und seit 2004 Abgeordneter im Europäischen Parlament. 2014 übernahm er den Vorsitz im Verkehrsausschuss.