"Pkw-Maut unökologisch, unsozial und antieuropäisch"

21. März 2017 zur Übersicht

Artikel erschienen in "Tiroler Tageszeitung" am 21.03.2017

Der deutsche Grünen-Politiker Michael Cramer glaubt nicht, dass die deutsche Pkw-Maut kommt. Die Bahn werde gegenüber der Straße benachteiligt, sagt er.

Wien – Dass 100 Prozent des Schienennetzes laut EU-Gesetz bemautet sein müssten, aber lediglich für ein Prozent des Straßennetzes Lkw-Maut anfalle, stößt dem deutschen Grünen Michael Cramer sauer auf. Denn auf der Straße sei es eine freiwillige Angelegenheit der Mitgliedsländer, wo sie Maut verlangen. „Wenn das so weitergeht, hat die umweltfreundliche Eisenbahn keine Chance“, kritisierte Cramer gestern gemeinsam mit dem Tiroler Grünen Georg Willi in Wien.

Der europäische Schienenverkehr sei einem unfairen Wettbewerb ausgeliefert: „Klimaschädliche Transportarten werden begünstigt und klimafreundliche belastet“, sagte Cramer. Auch die Fluggesellschaften „bekommen von Europas Steuerzahlern jedes Jahr 30 Mrd. Euro, weil sie keine Kerosinsteuer und im internationalen Verkehr keine Mehrwertsteuer zahlen“. Die Bahnkunden müssten das alles zahlen. „Deshalb wird Fliegen und Autofahren künstlich billig gehalten und Bahnfahren teuer“, kritisierte der deutsche Grünen-Politiker.

Zudem würde vor allem auf deutscher und italienischer Seite der Ausbau von Zulaufstrecken für große Tunnelprojekte wie den Brennerbasistunnel stocken. Dafür sei kein Geld da, für die Förderung von E-Autos hingegen stünden vier Mrd. Euro zur Verfügung, monierte Cramer, der bis Jahresbeginn 2017 Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Europäischen Parlament war und derzeit Mitglied im Ausschuss ist.

Dass die in Deutschland geplante Pkw-Maut kommt, glaubt Cramer nicht. „Die Pkw-Maut ist unökologisch, unsozial und antieuropäisch.“ Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hätte ohnehin schon 1992 einem ähnlichen Ansinnen eine Absage erteilt. Daher setzt er nun erneut auf den EuGH. Warum die EU-Kommission zuletzt Zustimmung für die deutschen Mautpläne signalisiert hat, weiß Cramer nicht so genau. „Was der Deal war, weiß ich nicht“, vielleicht habe ja Deutschland EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gedroht, im Zusammenhang mit Luxleaks „etwas aufzumachen“. Aber „wenn die Politik versagt, dann machen die Richter die Politik“, das habe man schon oft erlebt und deshalb „bin ich zuversichtlich, dass diese Pkw-Maut für Ausländer nicht realisiert wird“.

Cramer würde sich eine europaweit einheitliche kilometerabhängige Maut wünschen. Auch Georg Willi sprach sich für eine harmonisierte Maut aus.

Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ), der die „Ausländermaut für diskriminierend hält“, wartet noch ab, bis der Beschluss in Deutschland fällt. Schon kommende Woche soll es so weit sein, hieß es gestern aus dem Büro des Ministers. Zum letztgültigen Gesetzestext, der kommenden Freitag feststehen soll (bis dahin könnte es noch Änderungen geben), erstellt der Innsbrucker Europarechtsexperte Walter Obwexer ein Gutachten. Dann werde geprüft, ob eine Klage sinnvoll sei oder nicht, hieß es weiter. Leichtfried schließt eine Klage nicht aus, wie er bereits mehrmals betonte. Dazu schmiedet er auch eine Allianz mit den Anrainerstaaten.

Große Freude hat Cramer mit den sektoralen Fahrverboten in Tirol. „Dass es überhaupt möglich ist, das zu machen, ist ganz toll.“ Das sei ein gewaltiger Schritt, weil nun andere Regionen nicht mehr sagen können, das sei ja in Österreich verboten worden.