Pkw-Maut - Bulc: Erst nach Bundestagsbeschluss entscheiden

15. Februar 2017 zur Übersicht

Artikel in der "Tiroler Tageszeitung" online vom 15.02.2017

Einhellige Kritik an der EU-Kommission wegen des Deals für eine deutsche Pkw-Maut gab es Mittwochabend von allen Fraktionen im Europaparlament in Straßburg.

Straßburg/Wien (APA) - Einhellige Kritik an der EU-Kommission wegen des Deals für eine deutsche Pkw-Maut gab es Mittwochabend von allen Fraktionen im Europaparlament in Straßburg. Die Abgeordneten warfen der Brüsseler Behörde eine Verletzung des Diskriminierungsverbots und von EU-Recht vor. EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc sagte, für eine Reaktion sei es noch viel zu früh.

Bulc erklärte, die Kommission könne erst nach Beschluss des deutschen Bundestags das Gesetz endgültig bewerten und dann über den Fall entscheiden. Das Vertragsverletzungsverfahren sei noch nicht abgeschlossen, es sei ausgesetzt. Jetzt werde sie keine Spekulationen vornehmen. Es handle sich um ein sehr emotional aufgeladenes Thema sowohl in Deutschland als auch in dessen Nachbarstaaten. Sie trete bei der Straußenmaut für das Verschmutzer- und für das Benutzerprinzip ein. Es sei klar, dass ausländische Autofahrer nicht diskriminiert würden. Darüber spreche die Kommission mit Deutschland, und das werde nicht öffentlich erörtert.

Der EVP-Abgeordnete Pascal Arimont kritisierte, dass EU-Ausländer im Ergebnis bei der deutschen Pkw-Maut stärker belastet würden als deutsche Autofahrer. „Der belgische Autofahrer bezahlt die Maut, der deutsche nicht. Das ist kein Symbol für gute europäische Zusammenarbeit.“ Bulc habe es in der Hand, das Vertragsverletzungsverfahren fortzusetzen, „sonst werden die Staaten klagen“.

Die ÖVP-Europamandatarin Claudia Schmidt wiederholte ihre Bedenken und unterstrich, dass in Europa immer noch die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren gelte. Die Kommission sei aufgefordert, grenzüberschreitende Mobilität nicht zu bestrafen. Autofahrer egal welcher Nationalität dürfen nicht „Freiwild für Finanzminister und Populisten sein“.

Die SPÖ-Europaabgeordnete Karoline Graswander-Hainz nannte die Pkw-Maut „unsolidarisch und unfair“. Damit werde das Prinzip der Nichtdiskriminierung verletzt. Niemand wolle Deutschland hindern, eine Maut einzuführen. Aber „bezahlen sollen sie alle, die die Straßen nutzen, egal mit welchem Kennzeichen“. Es müsse in Europa gleiches Recht für alle gelten.

Ihr Fraktionskollege Ismail Ertug meinte, der Verkehrskommissarin sei das alles nicht recht. „Sie müssen vertreten, was auf oberer Ebene zwischen Juncker und Merkel eingetütet worden ist, um zwischen CDU und CSU die Friedenspfeife zu rauchen.“

Roberet Zile von den Konservativen bemängelte ebenfalls die deutsche Mautregelung. „Das erinnert mich an Orwell, einige sind gleicher als die anderen.“

Die liberale Abgeordnete Gesine Meissner sagte, die Mautregelung sei „keine gute Blaupause“. Sie sei nicht kilometerbasiert und viel zu bürokratisch. Probleme gebe es für Grenzgebiete, beispielsweise zwischen Deutschland und den Niederlanden, wo eine Euregio-Region bewusst eingerichtet worden sei. „Das wird massiv unterlaufen.“

Katerina Konecna unterstrich, dass ausländische Fahrer nicht diskriminiert werden dürften. Das deutsche Konzept sei aber diskriminierend, weil die Deutschen das Geld für die Maut zurückerhalten, damit werde die Maut nur von ausländischen Autofahrern bezahlt. Man könne nicht Menschen Geld aus der Tasche ziehen, anderen aber nicht. Wenn es so weitergehe, werde es immer schlimmer, wenn die Kommission nicht handle, wenn sie es tun sollte. „Das ist wirklich eine Schande.“

Der grüne Mandatar Michael Cramer nannte die deutsche Pkw-Maut europafeindlich. Schon 1990 habe der damalige deutsche Verkehrsminister versucht, eine Lkw-Maut durchzusetzen und dafür die Kfz-Steuer für Lastwagen zu senken. Die Kommission habe dies abgelehnt und 1992 habe der EuGH das als europafeindlich verurteilt. Aus Fehlern werde man aber offenbar nicht klug. Das müsse gestoppt werden.

Der FPÖ-Abgeordnete Georg Mayer sprach von einer klaren Rechtswidrigkeit. Es handle sich um versteckte Diskriminierung. „Sie brechen und biegen nicht nur ihre eigenen Regeln, die sie beschlossen haben, nur weil es gerade politisch opportun ist. Das schafft sicher kein Vertrauen in die EU.“

Aus der Kritiker-Reihe tanzte die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler. Sie verstehe die Aufregung nicht. Sie könne auch keine Diskriminierung erkennen. Jeder Nutzer der deutschen Autobahnen solle künftig zahlen. Die Steuerreduzierung der Kfz-Steuer dagegen sei Sache jedes EU-Landes. In Österreich gebe es ja auch eine Pendlerpauschale mit steuerlichen Begünstigungen für in Österreich fahrende Autofahrer.

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