Michael Cramer, MdEP (Die Grünen/EFA im EP) Newsletter Nr. 8
Schwarze Listen, LKW-Maut und ERTMS - Neuigkeiten aus der europäischen Verkehrspolitik
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Verkehrsthemen- und EU-Interessierte,
bei einigen Themen ging es in den letzten beiden Monaten hoch her. Die Eurovignette und der Marktzugang zu Hafendiensten (Hafenpaket) haben im Verkehrsausschuss für lebhafte Diskussionen und Abstimmungen gesorgt und werden uns nun in die kommenden Plenarsitzungen begleiten. Vorerst abgeschlossen - zumindest auf Parlamentsseite - sind einige Berichte zu Energie und Klima sowie das "3. Eisenbahnpaket" mit einem umfassenden Katalog zu den Fahrgastrechten, dem jetzt der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs zustimmen muss.
Mit europagrünen Grüßen von
Michael Cramer
Aus dem Parlament
EU-Parlament beschließt Black Lists
Die Häufung von tragischen Unfällen im letzten Sommer haben das EP dazu veranlasst, eine Harmonisierung der so genannten "Schwarzen Listen" von unsicheren Fluglinien, die es derzeit in einigen Staaten gibt, in Angriff zu nehmen. Dies wurde in bemerkenswert kurzer Zeit geschafft: Im November hat das EP beschlossen, eine europaweite "Black List" einzuführen.
Legislative Entschließung des EP zur Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens
EU-Parlament fordert europaweite Tempolimits
In der vom EP verabschiedeten "Strategie für eine erfolgreiche Bekämpfung der globalen Klimaänderungen" wurde u.a. festgestellt, dass den Entwicklungen im Verkehrssektor eine entscheidende Bedeutung zukommt. Endlich wird eine Politik strengerer Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen auch im Verkehrssektor gefordert und in diesem Zusammenhang auch EU-weite Geschwindigkeitsbeschränkungen. Deutschland ist der einzige Mitgliedsstaat der EU, der bisher kein Tempolimit auf Autobahnen hat.
Entschließung des EP zur Bekämpfung der globalen Klimaänderung
"Iron Curtain Trail" im Haushalt verankert
Das Europäische Parlament hat Ende Oktober mit seiner Abstimmung über den Gesamthaushaltsplan 2006 im Bereich des nachhaltigen Tourismus das Projekt "Iron Curtain Trail" integriert. Es ist uns gelungen, den "Iron Curtain Trail ... als Beispiel für sanfte Mobilität im Fremdenverkehr und als ein Symbol für die Wiedervereinigung Europas" hier zu verankern. Somit haben wir einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Umsetzung des Projektes erreicht, dem das Parlament Anfang September bereits als Bestandteil des Berichtes zum nachhaltigen europäischen Tourismus zugestimmt hatte. Mehr ...
Entschließung des EP zum Gesamthaushaltsplan 2006: Einzelplan III
Europa-Parlament stoppt Berlusconi
Mit dem Beschluss zum Mauro-Bericht über die Finanzierungsmodalitäten der Transeuropäischen Netze im Bereich Transport und Energie hat das Europa-Parlament die größenwahnsinnigen Pläne des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi gestoppt, der sich mit der Brücke über die Straße von Messina ein überwiegend aus EU-Geldern finanziertes Denkmal setzen wollte. Das EP hat zwar für grenzüberschreitende Projekte eine Co-Finanzierung in Höhe von 50 % (bisher 20%) beschlossen. Die Ausweitung auch auf Projekte im nationalen Rahmen ("natürliche Hindernisse") wurde jedoch zurückgewiesen. Die Brücke über die Straße von Messina kann deshalb nicht mit dem Höchstsatz von der EU gefördert werden und ist damit für den italienischen Staat nicht mehr finanzierbar.
www.europarl.eu.int/omk/sipade3
[Legislative Entschließung des EP zur Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze im Bereich Transport und Energie]
Freie Fahrt durch Europa - mit der Bahn
Ende September hat das Parlament über die vier Berichte des "3. Eisenbahnpakets" abgestimmt und das Paket als Ganzes verabschiedet. Der verabschiedete umfassende Katalog zur Stärkung der Fahrgastrechte orientiert sich am Flugverkehr, um Wettbewerbsnachteile für die Bahn zu vermeiden. Im Eisenbahn-Personenverkehr aller EU-Mitgliedsstaaten sollen im Falle von Verspätungen einklagbare Entschädigungen ermöglicht werden. In namentlicher Abstimmung (550:87:16) votierten die Abgeordneten für unseren Antrag, die Fahrradmitnahme auch in Hochgeschwindigkeitszügen zu ermöglichen. Was im TGV bereits möglich ist, darf der ICE zukünftig nicht mehr verweigern. Zudem werden die Eisenbahngesellschaften verpflichtet, umfassende Informationen und den Kauf europaweiter Tickets zu garantieren. Der Zugang für mobilitätsbehinderte Fahrgäste ist sicher zu stellen.
Mit der großen Zustimmung zum europäischen Lok-Führerschein wird der Fahrerwechsel an der Grenze zwischen den Mitgliedsstaaten überflüssig. Die Öffnung der nationalen Eisenbahnnetze soll schrittweise auch im Personenfernverkehr stattfinden. Mehr ...
Legislative Entschließung zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft
www.europarl.eu.int/omk/sipade3
[Legislative Entschließung über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr]
Parlament verpasst Chance zur Reduzierung von Unfallopferzahlen
Der Beschluss zum "Aktionsprogramm zur Halbierung der Unfallopferzahl im Straßenverkehr" ist eine einzigartige Enttäuschung. Mit dem ehemaligen Ralley-Fahrer Ari Vatanen (Paris - Dakar) als Berichterstatter wurde von den Konservativen der Bock zum Gärtner gemacht. Statt sich mit den Hauptursachen der 50 000 Verkehrstoten pro Jahr in der EU - überhöhte Geschwindigkeit und Fahren mit Alkohol im Blut - auseinander zu setzen, wurden als Lösung mehr Straßen, neue Technologien und höhere Investitionen vorgeschlagen. Dadurch entsteht ein Kosten-Nutzen-Verhältnis in absoluter Schieflage: Mit höheren Investitionen wird keine vergleichbar höhere Sicherheit erreicht. Statt kostengünstiger und effizienter Entscheidungen wurden teure, nicht sehr effiziente Maßnahmen befürwortet Mit diesem Programm werden die Unfallzahlen nicht reduziert und schon gar nicht halbiert.
www.europarl.eu.int/omk/sipade3
[Entschließung des EP zum Europäischen Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit]
Parlament fordert bis zu 25% Anteil für Erneuerbare Energien bis 2020
Das EP unterstützte fraktionsübergreifend mit überwältigender Mehrheit einen Bericht des grünen Europa-Abgeordneten Claude Turmes (Luxemburg) über erneuerbare Energiequellen in der EU. Die Parlamentarier fordern darin die EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedsstaaten auf, die Entwicklung erneuerbarer Energien in allen Sektoren (Stromerzeugung, Heizung/Kühlung, Verkehr) stärker voranzutreiben.
www.europarl.eu.int/omk/sipade3
[Entschließung zu dem Anteil der erneuerbaren Energieträger in der EU]
Aus dem Verkehrsausschuss
Mautgebühr soll externe Kosten des Lkw-Verkehrs berücksichtigen
Am 15.11. hat der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments über die Eurovignetten-Richtlinie abgestimmt. Mit großer Mehrheit wurde beschlossen, den Geltungsbereich der Maut auf alle LKW ab 3,5 t auszudehnen. Das ist ein wichtiges Signal an die neue deutsche Koalition: Hier liegt das Geld auf der Straße und schwarz-rot will es partout nicht aufheben. Dabei wäre diese Lösung allemal besser als die Erhöhung der Mehrwertsteuer oder ein verfassungswidriger Haushalt. Weitere Erfolge der Abstimmung: Berücksichtigung der externen Kosten, höhere Gebühren für sensible Gebirgsregionen, Ballungsräume sind mit einzubeziehen, die Maut-Einnahmen fließen in die gesamte Verkehrsinfrastruktur zurück, dazu mehr ... Die Abstimmung im Parlament findet voraussichtlich am 14.12.05 statt.
Änderungsanträge
Jarzembowski-Bericht zum Hafenpaket ohne Mehrheit
Das Abstimmungsverhalten im Verkehrsausschuss über den Zugang zum Markt für Hafendienste lässt einen nur wundern, mit dem Ergebnis ist jedoch noch nicht alles verloren: Nachdem der Grünen-Antrag auf Zurückweisung des Kommissionsvorschlags und der Jarzembowski-Bericht insgesamt abgelehnt wurde, hat Ausschuss - für uns unerklärlich - den ursprünglichen Kommissionsvorschlag beschlossen. Wir werden nun im Januar-Plenum unseren Antrag auf Zurückweisung der Richtlinie wiederholen. Nachdem die Ausschüsse für Binnenmarkt und Verbraucherschutz sowie für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten den gesamten Kommissionsentwurf negativ beschieden hatten und der Verkehrsausschuss zumindest den Jarzembowski-Bericht abgelehnt hat, sehen wir gute Aussichten für eine Mehrheit auf Zurückweisung des Kommissionsvorschlags im EP.
Änderungsanträge
Förderinstrument Marco Polo: Nachfolgeprogramm beschlossen
Der Ausschuss hat in 1. Lesung grünes Licht für die Weiterführung des Marco-Polo-Programms für den Zeitraum 2007-2013 gegeben. "Marco Polo II" soll mit 740 Mio. € ausgestattet sein und fördert Aktionen zur Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf umweltfreundlichere Verkehrsträger, in der kommenden Laufzeit vor allem auf den Seeverkehr. Der Ausschuss sprach sich vor allem für einen erleichterten Zugang für kleine und mittlere Unternehmen durch niedrigere finanzielle Schwellenwerte aus.
Änderungsanträge
Besserer Service für Menschen mit besonderen Bedürfnissen
Der Verkehrsausschuss hat einer neuen europäischen Regelung für den Service auf Flughäfen im Dienst von Menschen mit Mobilitäts- und anderen Behinderungen zugestimmt. Diese Regelung ist eine Reaktion auf eine neue negative Tendenz im Flugverkehr. Es wurden immer mehr Fälle bekannt, dass Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern oder sonstigen Behinderten das Mitfliegen verweigert wurde, oder dass von bestimmten Fluglinien zusätzliche Zahlungen für diesen Service verlangt wurden.
Evans-Bericht
Siebtes Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007-2013)
Der Berichterstatter hat alle Änderungswünsche von uns in seine Stellungnahme für den Bereich "Verkehr" aufgenommen, insbesondere die Kürzung der Forschungsgelder für den Luftverkehr sowie die Verwendung der dadurch frei werdenden Mittel für "Sustainable Surface Transport" (z.B. Effizienzprüfung von Straßenbahn- gegenüber U-Bahn-Verkehr). Weiter übernahm er unsere Forderung nach Forschung über die Vermeidung, Reduzierung und Verlagerung von Verkehr. Die Forschungsbereiche Fahrrad und nachhaltiger Tourismus wurden ebenfalls in den Bericht aufgenommen. Der Verkehrsausschuss hat die Stellungnahme mit großer Mehrheit angenommen.
Kohlicek-Bericht
Öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße
Im November-Ausschuss fand ein erster Austausch statt über den neuen Kommissionsvorschlag zu den öffentlichen Personenverkehrsdiensten (vgl. VO 1191/69) vom 20. Juni 2005. In diesem Vorschlag wird Abstand genommen von der Ausschreibung öffentlicher Verkehrsleistungen um jeden Preis. Die Verkehrsunternehmen, die jedoch per Direktvergabe ohne Ausschreibung beauftragt werden, dürfen sich nirgendwo am Wettbewerb beteiligen (Reziprozitätsprinzip). Das gilt auch für Tochterunternehmen, ob für "Geschwister", muss geklärt werden. Notwendig ist daher eine starke Transparenz der Vergabebedingungen. Sie müssen nachvollziehbar sein für die Bevölkerung, die Fahrgäste und auch für potenzielle Wettbewerber. Diese Debatte wird uns in Zukunft nicht nur im EP beschäftigen.
VO-Vorschlag über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße
Weitere Informationen über Themen, die im Ausschuss beraten bzw. behandelt wurden sind in den "TRANNews", dem "Newsletter from the EP Committee on Transport and Tourism", Nummer 13 und Nummer 14 zu finden.
... und sonst in der EU und Deutschland
ERTMS - einheitliches Zugsicherungssystem für Europa
Der Verkehrsausschuss hat mich als Berichterstatter beauftragt, den Parlaments-Bericht zu der Mitteilung der Kommission vom 04.07.05 über die "Einführung des Europäischen Zugsicherungs-/Zugsteuerungs- und Signalgebungssystems ERTMS/ETCS" vorzulegen. Eine öffentliche Experten-Anhörung hierzu wird am 24.01.06, 15-18 Uhr, im Verkehrsausschuss des EP stattfinden. Mit ERTMS wird die digitale Technik auch bei der Eisenbahninfrastruktur eingeführt. Perspektivisch - nach mehreren Jahrzehnten - werden dann die heute noch existierenden 20 unterschiedlichen Signalsysteme der Vergangenheit angehören und durch ein einziges System - dem ERTMS - in allen Mitgliedsstaaten der EU ersetzt sein.
Redebeitrag auf dem Symposium "Korridor Rotterdam-Rheinschiene-Schweiz-Genua" (TEN-Projekt Nr. 24)
Euro IV: Neue Emissionsgrenzwerte für schwere Nutzfahrzeuge
Am 29. September 2005 wurde die Richtlinie zur Verringerung der Emissionen von Kraftfahrzeugen vom Rat verabschiedet. Die neuen verbindlichen Grenzwerte werden durch die Richtlinie auf 1,5g/kWh Kohlenmonoxid sowie 0,46g/kWh Kohlenwasserstoffe, 3,5g/kWh Stickstoffoxide und 0,02g/kWh für Partikel gesenkt.
Ältere Dieselfahrzeuge, die ihre Abgase mit Katalysatoren und/oder Partikelfiltern nachbehandeln, werden einer zusätzlichen Prüfung unterzogen. Ab 2005 sollen die Werte auf 4,0 g/kWh für Kohlenmonoxid, 0,55g/kWh für Nicht-Methan-Wasserstoffe, 1,1g/kWh für Methan, 3,5g/kWh für Stickstoffoxide und 0,03g/kWh für Partikel gesenkt werden. Ab 2008 soll der Wert für Stickstoffoxide auf 2,0g/kWh reduziert werden. Die Richtlinie tritt am 9. November 2005 in Kraft. Mit dieser Richtlinie wird auch der Weg für die Euro-V Norm geebnet. Dazu wird noch bis Ende 2005 ein Richtlinienvorschlag der Kommission erwartet.
Euro-IV-Richtlinie
Kommission will CO2-Emissionen im Luftverkehr begrenzen
Die von internationalen Flügen verursachten CO2-Emissionen sollen nach einer Mitteilung der Kommission vom 27. September verringert und Teil des EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS) werden. Der Vorschlag kommt allerdings zu spät und geht nicht weit genug. Warum hat die Kommission nicht gleich einen Gesetzesvorschlag vorgelegt? Das Parlament fordert seit Jahren Maßnahmen zur Bewältigung der Flugverkehrsemissionen. Jetzt wird der weitere europäische Prozess wohl so lange dauern, dass mit einer Aufnahme des Flugverkehrs in das EU-ETS erst zur dritten Phase 2013 zu rechnen sein wird.
PM der Europäischen Kommission, 27.09.05
Kürzungen bei der Schiene - Zementierung der Privilegien auf der Straße
Werden die von der deutschen Bundesregierung angekündigten Kürzungen bei den Regionalisierungsmitteln realisiert, müssen die Länder in drei Jahren jeden fünften Nahverkehrszug abbestellen. Die Grünen-Fraktion im Europaparlament fordert die Bundesregierung auf, das Sparen an falscher Stelle zu beenden. Die notwendigen Finanzmittel für eine Beibehaltung der Regionalisierungsmittel stellt die Ausweitung der LKW-Maut bereit. CDU und SPD müssen ihre Mitglieder im Europäischen Parlament darin unterstützen, dem Beschluss des Verkehrsausschusses zur notwendigen qualifizierten Mehrheit zu verhelfen.
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