Michael Cramer, MdEP (Die Grünen/EFA im EP) - Nr. 5 - Mai 2005
Neuigkeiten aus der europäischen Verkehrspolitik im aktuellen Newsletter von Michael Cramer.
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Verkehrsthemen- und EU-Interessierte,
trotz turbulenter Zeiten in Europa und Deutschland gehen die Alltagsgeschäfte weiter. Der negative Ausgang der Referenden zur EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden ist besonders bedauerlich, weil die Verfassung hinsichtlich Transparenz und Beteiligung echte Fortschritte bringen würde. Wir müssen jedoch das Votum der Franzosen und Niederländer respektieren und es als Weckruf für mehr Transparenz und Mitsprache auf europäischer Ebene sehen. Spätestens jetzt ist klar, dass die Zeit, in der man Europa von oben nach unten aufbauen konnte, endgültig vorbei ist. Europa braucht eine breite öffentliche Debatte über seine Zukunft und die Politikerinnen und Politiker den Mut, diese auf eine Weise zu formulieren, die erstens die Bürgerinnen und Bürger Europas ernst nimmt und die zweitens in der Lage ist, über den Tellerrand rein nationaler Interessen hinauszusehen.
Und noch ein Hinweis: Auch wenn in Berlin jetzt Wahlkampf angesagt ist, finden die Mauerstreifzüge trotzdem weiter planmäßig statt - der nächste am Sonnabend, 4. Juni vom S-Bahnhof Schöneweide zum S-Bahnhof Lichtenrade (http://www.michael-cramer.de/mauer/67404.html).
Mit europagrünen Grüßen von
Michael Cramer
Aus dem Parlament
TEN-Finanzierbarkeit im EP bezweifelt
Aufgrund einer Mündlichen Anfrage des Verkehrsausschusses an den Rat und die Kommission fand eine Aussprache zur Finanzierung des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-T) statt. Für die 30 TEN-Projekte werden insgesamt 220 Milliarden Euro benötigt. Die Finanzielle Vorausschau für den Zeitraum von zunächst 7 Jahren (2007-2013) sieht ein Budget von 20 Milliarden Euro für die TEN's vor. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses Paolo Costa und EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot bezeichneten beide die 30 großen transeuropäischen Verkehrsverbindungen als bedeutend. Sie wiesen jedoch darauf hin, dass die Staaten die Projekte baureif planen und die nötigen Gelder bereitstellen müssen, damit die EU-Mitfinanzierung einen Sinn ergibt. Ebenso müssten diese Großprojekte als gesamtes Netz, nicht als Einzelprojekte gesehen und daher auch untereinander verbunden werden, so Barrot. Wir haben uns in der Aussprache erneut für die Prioritätensetzung der Bahnverbindungen nach Osteuropa statt teurer Prestigeprojekte eingesetzt. Der Brennerbasistunnel beispielsweise ist über die bescheidenen Mauteinnahmen in 300 Jahren nicht finanzierbar.
www.michael-cramer.de/europa/70110.html
Verbesserung der Gefahrenabwehr in Häfen
Das Europäische Parlament hat eine Reihe von Änderungsanträgen zum Vorschlag der Kommission angenommen, die auf einem zwischen der Berichterstatterin, dem Rat und der Kommission ausgehandelten Kompromiss beruhen.
Laut dem Parlament sollen die Mitgliedstaaten einen Beauftragten für die Gefahrenabwehr in jedem Hafen zulassen. Zwar sollte grundsätzlich jeder Hafen einen eigenen Beauftragten haben, dennoch wird es nicht ausgeschlossen, dass ein Beauftragter für mehrere Häfen zuständig sein könnte (Änderungsantrag = ÄA 53). Außerdem sollen die Mitgliedstaaten den zuständigen Behörden die in jedem Hafen geltende Gefahrenstufe sowie alle Änderungen daran bekannt geben (ÄA 52).
Dem Kommissionsvorschlag zufolge sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass für die Häfen Gutachten zur Risikobewertung erstellt werden. Die Abgeordneten sind der Meinung, dass diese Gutachten von dem betreffenden Mitgliedstaat genehmigt werden sollen (ÄA 41).
Bezüglich der Finanzierung von zusätzlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in Häfen betonen die Abgeordneten, dass diese nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen dürfen. Darüber hinaus sollte die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bis spätestens 30. Juni 2006 die Ergebnisse einer Studie über die Kosten der in dieser Richtlinie erhaltenen Maßnahmen unterbreiten. Die Studie sollte sich u. a. auf die Klärung der Frage der Aufteilung der Finanzierung zwischen den staatlichen Behörden, den Hafenbehörden und den Betreibern konzentrieren (ÄA 24).
Abschließend fordert das Parlament, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften 18 Monate nach dem In-Kraft-Treten dieser Richtlinie erlassen, um den darin erhaltenen Regelungen nachzukommen (ÄA 63).
www2.europarl.eu.int/omk/sipade2
Verbesserte Frontschutzbügel an Fahrzeugen sollen Fußgänger schützen
Die im normalen Personenverkehr eingesetzten Frontschutzbügel werden als gefährlich für Fußgänger und Radfahrer angesehen. Der Ausschuss für Verkehr und Fremdenverkehr hat daher Änderungsanträge zum Kommissionsvorschlag angenommen, in denen er stärkere Sicherheitsstandards für Frontschutzbügel an Fahrzeugen fordert.
Der Kommissionsvorschlag listet vier Prüfungen zur Genehmigung von Frontschutzbügeln auf. Diese Prüfungen sollen aber den Abgeordneten zufolge so entworfen werden, dass die Sicherheit der Fußgänger erhöht und die Zahl von Verletzungen abnimmt (Änderungsantrag = ÄA 1).
Die Richtlinie soll zudem der Verbesserung der Sicherheit der Fußgänger und Fahrzeuge durch passive Maßnahmen dienen (ÄA 5). Bezüglich des Geltungsbereichs der Richtlinie sind die Abgeordneten damit einverstanden, dass er sich auf Fahrzeuge beschränkt, welche bis 3,5 Tonnen schwer sind (ÄA 6). Darüber hinaus soll die Kommission spätestens vier Jahre und neun Monate nach Veröffentlichung der Richtlinie die technischen Vorschriften Letzterer im Lichte des technischen Fortschritts und der gewonnenen Erfahrungen überprüfen (ÄA 13). Andere Änderungsanträge ändern die Daten des In-Kraft-Tretens der Richtlinie (ÄA 7-11).
www2.europarl.eu.int/omk/sipade2
Anschnallpflicht auch in Bussen und LKW
Eine generelle Pflicht zum Einbau von Sicherheitsgurten und zum Anschnallen soll künftig auch die Sicherheit in Bussen und LKWs verbessern. Nach derzeit gültigem EU-Recht müssen nur PKW mit Sicherheitsgurten ausgestattet sein. Künftig soll "Bitte anschnallen!" auch in Kleinbussen und Reisebussen sowie in Fahrzeugen für den Gütertransport Vorschrift sein. Von der Regelung ausgenommen sind Stadtbusse.
Mit einem Maßnahmenpaket zu Gurtpflicht und -einbau sowie zur Verankerung von Sitzen, Kopfstützen und Gurten will das Europäische Parlament die Gefahren für Busreisende, Busfahrer und LKW-Fahrer möglichst gering halten. Das Plenum hat drei entsprechende Berichte mit großer Mehrheit angenommen.
www2.europarl.eu.int/omk/sipade2
www2.europarl.eu.int/omk/sipade2
www2.europarl.eu.int/omk/sipade2
Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern: Bahnverkehr
Das europäische Parlament unterstützt die Vereinbarung der Sozialpartner über bestimmte Aspekte der Einsatzbedingungen des fahrenden Personals im interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr. Die Abgeordneten sind der Auffassung, dass diese Vereinbarung ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und dem Schutz von Gesundheit und Sicherheit des fahrenden Personals einerseits und der Notwendigkeit der Förderung des grenzüberschreitenden Verkehrs innerhalb der Europäischen Union andererseits schafft.
www2.europarl.eu.int/omk/sipade2
Aus dem Verkehrsausschuss
Gemeinschaftszuschüsse für TEN
Die Beratung zur "Stellungnahme des Verkehrsausschusses für den Haushaltsausschuss über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze im Bereich Transport und Energie" war - wie zuvor - von den Diskussionen um die Finanzierung und Fertigstellung der 30 Projekte im geplanten Zeitrahmen bestimmt. Entgegen unserem Änderungsantrag (Nr. 39), den für die TEN-Projekte vorgesehenen Betrag von 20 Milliarden Euro für 2007-2013 als Maximalbetrag anzusehen, ist der Ausschuss dem Berichterstatter gefolgt, der die Summe als Minimalforderung bezeichnet. Die weiter in unserem Änderungsantrag enthaltene Gegenfinanzierung von Mittelaufstockungen z.B. über Kerosinsteuer oder Mehrwertsteuererhebung auf Flugtickets wurde ebenfalls abgelehnt. Unserem zweiten Änderungsantrag (Nr. 33), der den expliziten Hinweis auf die UVP-, SUV-, Habitat- und Vogelschutzrichtlinie als Konkretisierung zum "Schutz der Umwelt" vorsieht, ist der Ausschuss ebenfalls nicht gefolgt.
www.europarl.eu.int/meetdocs/2004_2009/documents/PA/561/561838/561838de.pdf
www.europarl.eu.int/meetdocs/2004_2009/documents/AM/565/565006/565006de.pdf
Halbierung der Zahl der Unfallopfer im Straßenverkehr
In der Beratung zum "Europäischen Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit: Halbierung der Zahl der Unfallopfer im Straßenverkehr in der Europäischen Union bis 2010" haben wir uns für ein europaweites Tempolimit auf Autobahnen und eine einheitliche Promillegrenze eingesetzt.
Zudem wollen wir Tempo 30 auf allen Stadtstraßen zur Regel machen, wobei die Städte selbst entscheiden können, auf welchen Stadtstraßen schneller gefahren werden darf. Das würde nicht nur die Akzeptanz von Tempo 30 fördern. Der Schilderwald würde gelichtet - in Berlin sind z. B. 70 % aller Stadtstraßen als Tempo-30-Straßen ausgeschildert - was auch Finanzmittel einsparen würde.
www.europarl.eu.int/meetdocs/2004_2009/documents/PR/557/557697/557697de.pdf
www.europarl.eu.int/meetdocs/2004_2009/documents/AM/561/561181/561181de.pdf
Nachhaltiger europäischer Tourismus
Für den "Bericht über die neuen Perspektiven und neuen Herausforderungen für einen nachhaltigen europäischen Fremdenverkehr" gab es breite Zustimmung, diesem Sektor mehr Aufmerksamkeit zu widmen, der 4 % des BIP und 7 Millionen Beschäftige in der EU ausmacht. Unser Vorschlag, in der Endabstimmung den "Iron Curtain Trail" entlang dem Eisernen Vorhang als Beitrag zur europäischen Kultur und Geschichte zu verankern, soll einvernehmlich noch aufgenommen werden. Die Abstimmung im Verkehrsausschuss ist für den 14. Juni vorgesehen.
www.europarl.eu.int/meetdocs/2004_2009/documents/PR/558/558524/558524de.pdf
www.europarl.eu.int/meetdocs/2004_2009/documents/AM/561/561461/561461de.pdf
www.europarl.eu.int/meetdocs/2004_2009/documents/AM/567/567460/567460en.pdf
und sonst in der EU
Richterspruch im Sinne der EU-Vorgaben und der Bürger
Wir begrüßen das Stuttgarter Feinstaub-Urteil. Somit wurde auch von richterlicher Seite anerkannt, dass die Städte keineswegs von der "plötzlichen und unerwarteten" Feinstaubrichtlinie der EU überrascht wurden. Die Gefahr unzulässiger hoher Feinstaubwerte war seit Jahren bekannt. Trotzdem wurde bis zum Inkrafttreten der Richtlinie nichts unternommen. Die Städte sind nun einmal mehr gefordert, den Gesundheitsschutz ihrer Bewohnerinnen und Bewohner ernst zu nehmen. Es ist überfällig, dass auch die Verkehrspolitik hierzu ihren Beitrag leistet.
www.michael-cramer.de/europa/73621.html
Behindertenfeindliches Bahnhofsurteil in Mannheim widerspricht EU-Bestrebungen
Beim Umbau des Bahnhofs von Oberkochen wurde die behindertengerechte Zugänglichkeit nicht berücksichtigt, obwohl sie bisher - ebenerdig - gegeben war.
Die EU setzt sich auf unterschiedlichen Ebenen dafür ein, den Zugang zu Verkehrsmitteln barrierefrei zu gestalten. Im letzten Jahr hat sie ein Gesetz beschlossen, nach dem alle (Klein)Busse mit mehr als acht Sitzen behindertengerecht sein müssen. Das Antidiskriminierungsgesetz der EU fordert ebenfalls die behindertengerechte Zugänglichkeit der öffentlichen Infrastruktur. Denn: behindert ist man nicht - behindert wird man. Hieran sollten sich auch die DB AG und das Eisenbahnbundesamt orientieren.
www.michael-cramer.de/europa/71387.html