Michael Cramer, MdEP (Die Grünen/EFA im EP)Newsletter Nr. 6
EU in der Krise? - Chancen bei Führerscheinen und Verkehrssicherheit verpasst - Aus für Software-Patente. Neueste Nachrichten aus der europäischen Politik im aktuellen Newsletter.
Liebe Freundinnen und Freunde,
liebe Verkehrsthemen- und EU-Interessierte,
im Juni herrschte im Parlament das Thema "Wie weiter mit / in der EU?" vor, im Ausschuss wurden Straßenverkehrssicherheit und nachhaltiger Tourismus verhandelt und im Verkehrsministerrat glänzte der deutsche Minister Stolpe mit europapolitischer Ignoranz beim Thema EU Führerschein. Einen Erfolg haben wir im Juli-Plenum mit der Zurückweisung der Softwarepatent-Richtlinie errungen.
Auch wenn diesen Sommer von Pause nicht die Rede sein kann, steht zumindest die sitzungsfreie Zeit im Europäischen Parlament vor der Tür (18. Juli bis 28. August) und somit der letzte Newsletter vor der "Sommerpause". Wer während des heißen Sommer-Wahlkampfs mal frischen Wind um die Nase braucht, ist nach wie vor herzlich zu den Mauerstreifzügen im Juli und August eingeladen.
Und sollte jemand am 1. September nicht in Berlin sondern in Brüssel sein, ist sie / er herzlich zu unserem Grünen-"Workshop on Climate Change and Transport" eingeladen.
Mit europagrünen Sommergrüßen von
Michael Cramer
Aus dem Parlament
Bindende Zielvorgaben beim Energiesparen
Das Europäische Parlament will die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, im Schnitt jährlich 1 % des Endenergieverbrauchs während der nächsten drei Jahre einzusparen. Diese Zielvorgabe erhöht sich auf 1,3 % für die Periode von 2009-2012, und danach auf 1,5 % für die Jahre 2012-2015. Wir begrüßen die klare Entscheidung für bindende Zielvorgaben zur Steigerung der Energieeffizienz. In einer Zeit, in der die EU mit einer Energiekrise konfrontiert ist und der Klimaschutz noch erhebliche Anstrengungen erfordert, ist das ein sehr positives Signal.
vom Parlament angenommener Text
Finanzielle Vorausschau 2007-2013 - Grüne wollen ehrgeizigeres EU-Budget
Der dem Parlament vorgelegte Bericht zur finanziellen Vorausschau für die Jahre 2007-2013 ist völlig ambitionslos. Die Grünen konnten daher dem Böge-Bericht nicht zustimmen. Eine Union, die mit mehr Aufgaben und Herausforderungen denn je zuvor konfrontiert ist, kann man nicht mit weniger Geld funktionsfähig halten.
vom Parlament angenommener Text
EU-Verfassung
Nach dem "Nein" zur EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden hat das Scheitern des EU-Gipfels einmal mehr gezeigt, dass die in nationale Egoismen gefangenen EU-Staats- und Regierungschefs nicht in der Lage sind, Entscheidungen im allgemeinen Interesse Europas zu treffen. Es ist klar geworden, dass wir eine tiefgehende Debatte darüber brauchen, welches Europa wir wollen und in welche Richtung es gehen soll. Nachdem die EU-Regierungen keinen Ausweg aus der aktuellen Krise gefunden haben, liegt es nun am Europäischen Parlament, eine Schlüsselrolle in der kommenden Debatte über die Zukunft Europas einzunehmen.
PM Die Grünen/EFA, div. Juni 05
Britische EU-Präsidentschaft
Am 1. Juli löst die britische Ratspräsidentschaft die Luxemburger ab. Nach dem Scheitern des Finanzministertreffens hat Tony Blair vor dem EU-Parlament eine herausfordernde Rede gehalten, die im Widerspruch zu seinem Handeln steht.
Es war seine Regierung, die im Jahr 2003 half, eine Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik zu verhindern. Tony Blair hat sich auch geweigert, die Obergrenze für Agrarförderungen festzusetzen, vermutlich um den Ländereien der britischen Königin und der Dukes von Bedford, Westminster und Malboroughdie EU-Subventionen zu sichern. Diese Weigerung hat Folgen: Der größte britische Zuckerkonzern Tate & Lyle kassiert 180 Millionen Euro Förderung pro Jahr. Hätte Blair unserem grünen Vorschlag der nationalen Ko-Finanzierung der Agrarpolitik zugestimmt, wäre ein gerechterer Ausgleich zwischen England und Frankreich möglich gewesen. Stattdessen unterstützte er Thatchers "money back", um damit Druck auszuüben für eine Modell des Europäischen Supermarktes.
Blair hat im Parlament dem Kommissionspräsidenten Barroso applaudiert, als der ein visionäres Budget forderte und die Geizhälse in der EU kritisierte. Aber er selbst hat den Brief der sechs Nettozahler unterschrieben, in dem eine Begrenzung des EU-Budgets auf 1% der Europäischen Wirtschaftsleistung gefordert wird. Spätestens ab dem 1. Juli müssen den Worten auch Taten folgen.
Rede Tony Blair Teil 2
EU-Parlament verwirft Softwarepatent-Richtlinie
Die Europäische Kommission und der Rat haben eine wohlverdiente Niederlage erlitten. Das Parlament hat seine Macht eingesetzt, um einen missratenen Gesetzentwurf abzulehnen. Die Kommission hat sich mit der Großindustrie verbündet und sich geweigert, dem Parlament zuzuhören. Kommission und Rat haben die Verbesserungen abgelehnt, die das Parlament in erster Lesung eingebracht hat und die klargestellt hätten, dass Software unter keinen Umständen patentiert werden kann. Deshalb tragen beide die Verantwortung für das Scheitern der Richtlinie. Unsere Fraktion hat schon nach der Ablehnung in erster Lesung die Ansicht vertreten, dass keine Richtlinie besser ist als eine schlechte.
PM Die Grünen/EFA, 06.07.05
Europäische Regional- und Strukturpolitik ab 2007
Das Ziel, wirtschaftliche Entwicklung und Umweltschutz in Einklang zu bringen, wird jetzt in einzelnen Aspekten der Leitlinien der Kohäsionspolitik konkret benannt. Im Bereich des städtischen und überregionalen Verkehrs soll Umweltfreundlichkeit zum Beispiel einen eigenen Schwerpunkt darstellen. Radwegenetze und innovative ÖPNV-Konzepte haben dann weiterhin gute Chancen auf eine EU-Förderung.
Das Ziel "Vermeidung von Naturkatastrophen" steht im engen Zusammenhang mit den Flutkatastrophen der Vergangenheit. Damit stellt die Kommission klar, dass sie keine EU-Mittel dafür zu Verfügung stellen will, um Elbe und Havel auszubauen. Ihr Ansatz ist vielmehr dort zu fördern, wo Flüsse naturnah erhalten werden.
Mit Blick auf die Erweiterung soll den Grenzregionen und der grenzübergreifenden Zusammenarbeit besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Im Hinblick auf die Transeuropäischen Netze sollte der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) die Verbindungen zu den Beitrittsländern verbessern, vor allem um die Wirtschaftsbeziehungen mit diesen Ländern zu stärken.
Aus dem Verkehrsausschuss
Verkehrsausschuss verpasst Chance zur Reduzierung von Unfallopferzahlen
Der Beschluss zum "Aktionsprogramm zur Halbierung der Unfallopferzahl im Straßenverkehr" ist eine einzigartige Enttäuschung. Mit dem ehemaligen Ralley-Fahrer Ari Vatanen (Paris - Dakar) als Berichterstatter wurde von den Konservativen der Bock zum Gärtner gemacht. Mit den Hauptursachen der 50 000 Verkehrstoten pro Jahr in der EU - überhöhte Geschwindigkeit und Fahren mit Alkohol im Blut - wollte sich die Mehrheit im Verkehrsausschuss nicht befassen. Mit diesem Bericht werden die Unfallzahlen nicht reduziert und schon gar nicht halbiert.
Vatanen-Bericht
Änderungsanträge
Nachhaltiger Europäischer Fremdenverkehr: Parlament will Iron Curtain Trail
Auf Antrag der Fraktion der Grünen/EFA werden "die Kommission und die Mitgliedsstaaten aufgefordert - analog zum "Boston Freedom Trail", der an den US-amerikanischen Unabhängigkeitskrieg erinnert oder den "Berliner Mauerweg", der den Bau und Fall der Berliner Mauer thematisiert - den "Iron Curtain Trail" zu realisieren, um die Europäische Identität zu fördern". Mehr dazu und zu weiteren Grünen Aspekten des Tourismusberichts unter mehr
Queiró-Bericht
Änderungsanträge 1-157
Änderungsanträge 158-162
Weitere Informationen über Themen, die im Ausschuss beraten bzw. behandelt wurden sind in den "TRANNews", dem "Newsletter from the EP Committee on Transport and Tourism, June 2005" zu finden
und sonst in der EU
EU Führerschein
Sicherheit auf Europas Straßen von Deutschland blockiert
Verkehrsminister Stolpe haben wir es zu verdanken, dass der illegale Führerscheintourismus weiter blüht. Der Ersatz von derzeit etwa 110 verschiedenen Führerscheintypen durch ein einheitliches Format würde in Zeiten wachsender innereuropäischer Mobilität die Verkehrskontrollen erleichtern. Ein Autofahrer, dem sein Führerschein etwa wegen Alkoholisierung in einem EU-Land entzogen wurde, hätte in Zukunft keine Chance mehr gehabt, einfach im Nachbarstaat einen neuen Führerschein zu erwerben. Diese u.a. Vorschläge des Parlaments zur Erhöhung der Verkehrssicherheit auf Europas Straßen haben neben Deutschland noch Österreich, Frankreich, Polen und Dänemark auf dem Verkehrsministerrat mit europapolitischer Ignoranz blockiert.
...noch mehr
Alarmierender Anstieg der Treibhausgasemissionen in der EU
Die Ende Juni von der EU-Kommission vorgelegten Zahlen zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen sind alarmierend. Mit einem Anstieg der Emissionen um 1,5 % im Jahre 2003 gegenüber 2000 entfernt sich die Union immer weiter von der Erreichung der Kyoto-Ziele statt sich ihnen anzunähern. Die Erreichung der Kyoto-Ziele in der Periode 2008-2012 ist ernsthaft gefährdet.
PM Die Grünen/EFA, 21.06.05
Mehr Möglichkeiten und Rechte für Radfahrerinnen und Radfahrer
Anfang Juni 2005 startete die EUSTAFF (EUropa-STAFFel). Auf ihrer Route von insgesamt 2.000 km durch Europa transportierte die Radstaffel Briefe mehrerer Bürgermeister an ihren Kollegen in Berlin sowie meinen Brief an Verkehrsminister Stolpe. Der Brief, in dem ich mehr und bessere Möglichkeiten für Radfahrerinnen und Radfahrer unterstütze, kam aus Straßburg pünktlich zur Fahrradsternfahrt am 5. Juni in Berlin an.
und in meinem Berliner Wahlkreis
Abkoppelung der Bahnhöfe Zoo und Ostbahnhof: Ingo Schmitt mit schlechtem Gedächtnis
Der EU-Parlamentarier und neue Chef der Berliner CDU, Ingo Schmitt, hat ein schlechtes Gedächtnis. Als Staatssekretär unter dem legendären Verkehrssenator Haase (CDU) hatte er zu Beginn der 90er Jahre dem Pilzkonzept zugestimmt. Mit der Unterstützung von Eberhard Diepgen (CDU), Dietmar Staffelt (SPD), Bahnchef Dürr (CDU) und den Bundesverkehrsministern Krause/Wissmann (beide CDU) wurde das Konzept gegen die Grünen beschlossen. Als verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion im Abgeordnetenhaus habe ich schon damals darauf hingewiesen, dass die Züge durch Berlin zwar schneller fahren, die Reisezeit für die Fahrgäste aber bis zu 30 Minuten länger dauern wird, weil die Bahnhöfe Zoo und Ostbahnhof - damals noch Hauptbahnhof - vom Fernverkehr abgekoppelt und zu Haltepunkten des Regionalverkehrs degradiert werden. Notwendig ist statt dessen, einen Mix aus Regional- und Fernverkehr auf den Gleisen von Nordring, Tunnel und Stadtbahn zu realisieren.