BRÜSSEL/FRANKFURT--Neue Regeln für die maximal zulässigen Flugzeiten für Piloten sind in einem ersten Schritt im Europäischen Parlament gescheitert. Der federführende Verkehrsausschuss stimmte am Montag mehrheitlich gegen die geplanten Bestimmungen. Ist das gesamte Parlament der gleichen Meinung, wären die Flugzeiten, die seit Monaten europaweit für Streit zwischen Piloten, Volksvertretern, Arbeitgeberverbänden und der europäischen Flugsicherheitsagentur sorgen, wieder vom Tisch.
Nach Meinung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) und der Arbeitgeberverbände würden die neuen Flugzeiten zwar für eine Verbesserung für die Piloten sorgen. Piloten und viele Europaabgeordnete kritisieren die geplanten Flugzeiten aber dennoch als "unsicher" und "verantwortungslos".
Nach den geplanten Regeln dürften Piloten nachts eine Dreiviertelstunde weniger lang fliegen als bisher. Die erlaubten Dienstzeiten bei Nachtflügen würden laut EU-Kommission von 11 Stunden und 45 Minuten auf 11 Stunden verkürzt. Zudem sollen die Bereitschaftsdienstzeiten EU-weit zum Teil harmonisiert werden. Länger als 16 Stunden dürfe kein Bereitschaftsdienst gehen, hieß es zuletzt aus der EU-Kommission. Die genaue Dauer hinge davon ab, ob der Pilot zum Einsatz gerufen werde oder nicht. Die bisherigen Regeln stammen aus dem Jahr 2007.
Die Pilotenvereinigung Cockpit moniert hingegen, dass es schon bei zehn Stunden Nachtflug zu gefährlichen Übermüdungen kommen kann. "Über diese Zeit hinaus erleben Flugbesatzungen kritische Übermüdungszustände, die eine sichere Flugdurchführung nicht mehr ermöglichen", sagte Ilja Schulz, Präsident der Vereinigung Cockpit.
Zudem werde den Piloten gestattet, nach 22 Stunden Dienstzeit noch ein Flugzeug zu landen, da die neuen Regelungen weiterhin einen vollen Flugdienst von bis zu 14 Stunden nach einem achtstündigen Bereitschaftsdienst erlaubten. Schulz kritisierte, dass die EASA die Flugdienstzeiten nicht nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet habe, sondern den Wünschen der Fluggesellschaften zu weit nachgegeben habe.
Der Grünen-Europaabgeordnete Michael Cramer verwies zudem auf den jüngsten Vorfall vom 13. August, bei dem beide Piloten einer britischen Passagiermaschine wegen Übermüdung eingeschlafen seien. Laut Umfragen sei dies jedem dritten Piloten schon mindestens einmal passiert. Auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu Bereitschaftszeiten von Ärzten, nach denen Bereitschaftszeiten als Arbeitszeit anzusehen sind, werde ignoriert, kritisierte Cramer.
Die Flugsicherheitsagentur bewertet die vorgeschlagenen, neuen Flugzeiten allerdings gänzlich anders. Auch die existierenden Flugdienstzeiten seien sicher gewesen, teilte die EASA im Vorfeld der Abstimmung mit. Nun würden diese noch einmal verschärft. Die die Kommentare der Gegner bezeichnete die EASA als "Desinformationskampagne".
Auch Europaabgeordnete der CDU sehen das so. "Wenn das Plenum des Parlaments die heutige Entscheidung nicht korrigiert, dann haben wir überhaupt keine Verbesserungen bei der Sicherheit", kritisierten die beiden Christdemokraten Werner Kuhn und Dieter-Lebrecht Koch. "Der Verordnungsvorschlag der EU-Kommission reduziert die Flugdienstzeiten, auch wenn dabei mancher seine Maximalforderungen vielleicht nicht erfüllt sieht." Mit dem Vorschlag werde das Prinzip eingeführt, je länger die Flugzeit, desto länger die darauf folgende Ruhezeit - mindestens aber 10 Stunden, so die beiden Abgeordneten.
Kuhn und Koch betonten, dass Piloten durchschnittlich 80 Tage im Jahr flögen und dabei etwa 800 Stunden absolvierten im Vergleich zu 1.600 Stunden, die "normale" Arbeitnehmer arbeiteten. Zudem handele es sich bei den vorgeschlagenen, neuen Flugzeiten um Mindeststandards. Die Vertragsparteien könnten auch strengere Regeln vereinbaren.
Das Europäische Parlament hat bei dem Gesetzesvorschlag zwar kein Mitspracherecht und kann den Text nicht inhaltlich ändern. Doch es kann, wie nun im Verkehrsausschuss geschehen, die geplanten Regeln vollständig per Veto ablehnen. Stimmt das Parlamentsplenum nun genauso ab, treten die neuen Flugzeiten nicht in Kraft. Die EU-Kommission müsste dann einen neuen Vorschlag machen.