Nach langem Streit einigen sich Berlin und Brüssel auf die deutsche Pkw-Maut. Aber nun drohen neue Hürden. Die Niederlande erwägen eine Klage gegen die Maut. Andere Länder könnten sich anschließen.
Die Niederlande wollen gegen die Einführung der Pkw-Maut in Deutschland klagen. Das sagte Verkehrsministerin Melanie Schultz van Haegen am Donnerstagabend in Brüssel der niederländischen Nachrichtenagentur ANP. Auch wenn die EU-Kommission den Plänen zustimme, würden die Nachbarländer Deutschlands vor Gericht ziehen. Nach ihren Worten ist auch Österreich mit dabei. Belgien und Dänemark würden sich möglicherweise der Klage ebenso anschließen, sagte die Ministerin der Agentur.
Die Maut-Pläne nannte Schultz besorgniserregend. "Diese Sorgen können nur ausgeräumt werden, wenn die Maut nicht eingeführt wird."
Die EU-Kommission gibt nach jahrelangem Streit grünes Licht für ein geändertes Modell der deutschen Pkw-Maut. Inländische Autobesitzer mit besonders sauberen Wagen können damit auf stärkere Steuerentlastungen von zusätzlich 100 Millionen Euro pro Jahr hoffen. Das sieht ein Kompromiss vor, den Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc am Donnerstag in Brüssel besiegelten.
Die Einigung sieht vor, dass es mehr Staffeln für die verschiedenen Vignetten gibt - je nach Hubraum und Schadstoffausstoß. Statt bisher drei Stufen soll es künftig fünf Stufen geben, wie Dobrindt bekanntgab. Eine Zehn-Tages-Vignette soll demnach je nach Fahrzeugeigenschaften 2,50 Euro, vier Euro, acht Euro, 14 oder 20 Euro kosten. Ursprünglich waren Preise von fünf, zehn und 15 Euro vorgesehen.
Die Maut sei "fair, sinnvoll und gerecht", weil es auch in anderen Ländern solche Abgaben gebe und das Geld wieder in die Infrastruktur investiert werde, betonte der Bundesverkehrsminister. Wer deutsche Straßen nutze, zahle einen "angemessenen Beitrag".
Wie geplant soll es den Angaben zufolge auch keine Mehrbelastung für inländische Autofahrer geben. Sie werden im Gegenzug bei der Kfz-Steuer entlastet werden, die Besitzer von besonders umweltfreundlichen Fahrzeugen nun aber stärker als andere. Sie erhielten einen "ökologischen Bonus" und würden zusätzlich um hundert Millionen Euro entlastet, sagte Dobrindt.
Brüssel und Berlin hatten seit Langem um die Pkw-Maut in Deutschland gestritten. Die EU-Kommission hatte Mitte 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil die ursprünglich geplante Abgabe ihrer Auffassung nach ausländische Autofahrer gegenüber Einheimischen benachteiligte. Im September 2016 folgte die Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof. Erst Anfang November zeichnete sich ein Durchbruch in den Verhandlungen ab.
Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Europaparlament, der Grünen-Politiker Michael Cramer, bezeichnete die Einigung als "faulen Kompromiss". Es sei "antieuropäisch", dass letztlich nur ausländische Fahrer die Maut bezahlen müssten.
Schon zuvor hatte SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Christine Lambrecht angekündigt, ihre Partei werde das Ergebnis "sehr genau unter die Lupe nehmen". Den Änderungen werde die SPD nur zustimmen, wenn die Bedingungen des Koalitionsvertrags "strikt eingehalten" werden.
Aus der Opposition kam bereits scharfe Kritik. Dobrindt beglücke das Land mit einer Maut, die den Staat mehr koste als sie einbringe, kritisierte der Grünen-Politiker Oliver Krischer. Deutschland mache sich "mit der CSU-Maut zur Lachnummer in ganz Europa".
Ursprünglich sollte die Pkw-Maut in Deutschland bereits Anfang 2016 starten. Der Bundestag hatte dafür im März 2015 das nötige Gesetz verabschiedet. Nun sind zunächst einmal Gesetzesänderungen erforderlich.