Für ihre knapp zehn Kilometer lange Fahrradtour im grünen Herzen Deutschlands hat sich Anja Siegesmund Unterstützung aus dem EU-Parlament geholt. Michael Cramer begleitete die Politikerin von der Thüringer Warte bis zum Naturparkinformationszentrum in Spechtsbrunn. Thüringen hat mit insgesamt 763 Kilometern den größten Anteil am ehemaligen innerdeutschen Grenzstreifen. Dieser soll nun unter Naturschutz gestellt werden. Mit der Idee des "Nationalen Naturmonuments" würden damit auch die geschützten Perlen mit der nötigen Perlenschnur verbunden. So jedenfalls zeichnet die Ministerin ein plastisches Bild. Bereits im vergangenen Jahr, so berichtete sie, hätte es deshalb Gespräche mit den Nutzern, Bürgermeistern und Landräten gegeben, "um sie zu begeistern und mitzunehmen." Ziel sei es, den Tourismus im Grenzgebiet anzukurbeln. Blühende Heidelandschaft Auch wenn ihre Radtour nicht außergewöhnlich lang war, gesehen hat sie auf den wenigen Kilometern wunderschöne Ecken.
Vor allem die blühende Heidelandschaft hat es der Ministerin angetan. Davon gibt es entlang des Grünen Bandes gleich mehrere Stellen. Darauf verwies der Sonneberger Bürgermeister Heiko Voigt. Diesen Hinweis verband er zugleich mit einer Einladung an Anja Siegesmund. Bei der Gelegenheit, so kündigte er an, könne er ihr auch gleich Sonneberg mit seinem nachhaltigen Stadtzentrum erklären. Dass Michael Cramer, Verkehrsexperte und Mitglied des EU-Parlaments, bei der Fahrrad-Tour nach Spechtsbrunn dabei war, hat gute Gründe. Auch entlang des ehemaligen Grenzstreifens wird ein Radweg geschaffen, der durch ganz Europa führen soll. Dieser soll europäische Geschichte mit nachhaltigem Tourismus verbinden und so einen Beitrag zum Zusammenwachsen Europas leisten. Bereits im Jahr 2005 hatte das Europäische Parlament auf Initiative von Cramer mit großer Mehrheit, den Iron Curtain Trail als beispielhaftes europäisches Projekt für nachhaltigen Tourismus unterstützt. Das Logo dazu hat er schon mal an mehreren Wegweisern entlang des Grünen Bandes angebracht. Er erhofft sich mit der Ausweisung des Iron Curtain Trail einen Gewinn in Sachen Tourismus.
Denn: "Der Fahrrad-Tourismus boomt.Jedes Jahr werden hier 44 Milliarden Euro umgesetzt."
Selbst Kreuzschifffahrten kämen nicht auf diese Rekord-Umsatzsumme. Momentan, so kann Heiko Voigt berichten, kommen vor allem aus der bayerischen Nachbar-Region viele Gäste. Eben auch, weil es direkte Zugverbindungen nach Nürnberg gibt. Genau die fehlen allerdings in anderen Regionen. Nichtsdestotrotz: "Bayern ist für uns ein echtes Thema. Da gibt es Chancen für uns. Was uns fehlt sind aber die Leistungserbringer", mahnt das Sonneberger Stadtoberhaupt an. Sprich: Genügend Gaststätten oder touristische Einrichtungen, die ein lohnendes Ziel für die Gäste sind. Genau daran hapert es aber. Zudem gibt er zu bedenken, dass der Bau neuer Radwege finanzielle Belastungen für die ohnehin schon knappen Kommunen bedeuten. Das sieht Anja Siegesmund ein: "Da braucht es verstärkte Landesförderung."
Doch nicht nur beim Neubau von Radwegen sind die Kassen klamm. Naturpark-Geschäftsführer Florian Meusel weiß, dass es bei der Werterhaltung deutlich hapert. Dem kann Heiko Voigt nur zustimmen. Wo früher ABM-Kräfte beispielsweise Wegweiser und Schilder geschnitzt hätten, da gäbe es heute weder ABM-Kräfte noch Schilder. Denn letztere haben ihre besten Zeiten längst hinter sich. Florian Meusel gibt weiter zu verstehen, dass viele der Wege, die durch Forstgebiete verlaufen, nicht den touristischen Anforderungen entsprechen. "Der Thüringen Forst hat schon Probleme, seine Wege wegen des Einschlags in Ordnung zu halten." All das registriert die Ministerin zwar, möchte aber dennoch nicht darauf verzichten, das Grüne Band als ein Flächendenkmal auszuweisen. Hier könne man die "Geschichte vom Todesstreifen zur Lebenslinie" darstellen. Allerdings regt sie an, besser zu Fuß als mit dem Rad auf Erkundungstour zu gehen. Denn nach ihrer Erfahrung ist der Kolonnenweg für Fahrradfahrer eher ungeeignet.
Bürgermeister Voigt weist in diesem Zusammenhang auf ein weiteres Problem hin. Weil sich die Betonplatten im Laufe der Jahre gelöst haben, gibt es selbst für Wanderer mögliche Hürden. Und : "Sobald ein Kind links oder rechts raus muss, wer garantiert mir dann, dass da nichts mehr liegt. Da muss man drüber reden." Auch wenn der Name "Nationales Naturmonument" gut klingt, so muss man sich der Frage stellen, wer überhaupt die Wege bauen soll. "Wir als Kommunen sind nicht in der Lage, touristische Fernwege zu finanzieren. Das kriegen wir nicht gebacken", so die eindeutige Ansage Voigts. Eine eindeutige Antwort auf seine Frage hat die Ministerin erst mal nicht parat. Sie hat vorrangig andere Ziele. Und die heißen: "Mir geht es darum, mit den Kommunen, die am Weg liegen, Geschichte zu erzählen zum Grünen Band." Doch nicht jeder sieht die Pläne aus dem Umweltministerium positiv. So haben beispielsweise Waldbesitzer an der ehemaligen Grenze das Vorhaben abgelehnt, weil sie zusätzliche Einschränkungen befürchten. Waldbesitzer Fred Schumann aus Effelder beispielsweise hatte moniert: "Wir brauchen kein Gesetz und neue Verbote. Die Biotope im Grünen Band haben sich in den vergangenen 28 Jahren ohne Gesetz, aber auch dank der Waldbesitzer und Landnutzer so hervorragend entwickelt".
Ziel: Mahnmal sichern
Diese Bedenken seien längst ausgeräumt, gibt Anja Siegesmund auf Nachfrage zu verstehen. Bereits im April habe man mit den Privatwaldbesitzern gesprochen. "Wir wollen keine Nutzungseinschränkungen erwirken", so die Ministerin. Der Bauer solle weiter Getreide anbauen, der Jäger weiter Wild bejagen und der Förster weiter im Wald arbeiten können. Aber man wolle verhindern, dass aus dem Kolonnenweg beispielsweise plötzlich eine Kiesgrube wird. Es gehe einzig darum, ein Mahnmal auf einer Fläche von 6500 Hektar Fläche zu sichern. Dazu ist nach ihren Worten ein Festschreiben des jetzigen Zustandes auf Status Quo zu erwarten. Sonst sei in 15 oder 20 Jahren von dem ehemaligen Grenzstreifen nicht mehr viel übrig. "Dann sind keine Platten mehr zu finden und der historische Grenzverlauf nicht mehr nachvollziehbar." Ob die Bedenken der Waldbesitzer am Grünen Band tatsächlich ausgeräumt wurden, bleibt fraglich. Fred Schumann hatte seinen Protest zum geplanten Gesetz im August diesen Jahres zu Papier gebracht. Also vier Monate nach dem von der Ministerin erwähnten Gespräch. Fakt ist auf jeden Fall, dass es Besitzer gibt, die eine intensivere Pflege ihres Grundstücks befürchten. Diese Tatsache ist Siegesmund durchaus bewusst.