Michael Cramer im Europäischen Parlament

13. November 2003 zur Übersicht

Meine Kandidatur für die Wahlen zum Europäischen Parlament 2009

Gründe und Motive - was ich im Europäischen Parlament erreichen will:

Liebe Freundinnen und Freunde,

wenn es die EU nicht gäbe, wir müssten sie erfinden. In einem geeinten Europa haben wir Grüne bessere Chancen, eine nachhaltige Finanz-, Energie- und Klimapolitik durchzusetzen. Gerade die Finanzkrise zeigt es uns in diesen Tagen brandaktuell - die Nationalstaaten alleine sind längst nicht mehr in der Lage, Probleme dieser Größe zu meistern. Das wissen wir schon lange, wenn es um Energie- und Klimapolitik geht. Das Kapital kennt ebenso wenig Grenzen wie die Erderwärmung. Im Europäischen Parlament möchte ich mich auch weiterhin für eine ökologische Verkehrspolitik einsetzen. Sie ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, den Klimawandel zu stoppen.

Verkehrspolitik: mit Vollgas in den Klimawandel?

Dass sich unser Klima ändert, liegt in zunehmendem Maße am Verkehr, der für fast 30 Prozent der CO²-Emissionen in der Europäischen Union verantwortlich ist. Während in anderen Sektoren wie der Industrie seit 1990 eine Reduktion um etwa 10 Prozent erreicht wurde, hat der CO²-Ausstoß im Verkehr um mehr als 30 Prozent zugenommen, im Luftverkehr hat er sich sogar verdoppelt. Rund 70 Prozent des importierten Erdöls wird im Verkehrssektor verbrannt. Alle wollen weg vom Öl, alle wollen den Klimawandel stoppen - aber nur wir Grünen treten entschieden für eine andere Mobilität ein. Sie ist Voraussetzung, um beide Ziele zu erreichen.

Grüne Erfolge - Grüne Ziele

Obwohl noch vieles im Argen liegt, ist es uns gelungen, in Brüssel die Themen Klimawandel, Ost-West-Verbindungen oder Fahrgastrechte auf die Agenda zu setzen. Wir finden mit unseren Vorschlägen zunehmend Gehör - und in einigen Fällen auch Mehrheiten. Wir sind nicht nur in Brüssel gefragt, auch in Ländern wie Spanien, Polen, England, Tschechien oder Frankreich werden unsere grünen Vorschläge in Podiumsdiskussionen und Konferenzen aufgegriffen.

Priorität für Ost-West-Verbindungen: Wir haben erreicht, dass mit der "Rail Baltica" die schon fast im Dornröschenschlaf versunkene Bahn-Verbindung zwischen Berlin-Warschau-Tallinn als eines von sechs vorrangigen Verkehrsprojekten in der EU festgelegt wurde. Die leidige Situation, dass man für die Strecke 60 Stunden braucht und damit doppelt solange wie zu Zeiten der Dampflokomotive wird bald der Vergangenheit angehören.

Mehr Geld für Busse und Bahnen: Mindestens 40 Prozent der EU-Ausgaben für Verkehr sollen in den Ausbau der Schieneninfrastruktur gehen. Das hat das Europäische Parlament auf Initiative der Grünen beschlossen. Für den Nordosten Deutschlands als Zielgebiet der EU-Regional- und Strukturförderung besteht die Chance, mit Geld aus Brüssel die nachhaltigen Verkehrsträger im ÖPNV auszubauen.

Die Fahrgastrechte für Bahn-Kunden gelten nun europaweit im gesamten Fernverkehr - und damit auch deutlich bessere Entschädigungsregeln. Mit großer Mehrheit hat sich das EP in namentlicher Abstimmung auf unseren Antrag hin dafür ausgesprochen, dass künftig in allen Fernzügen das Fahrrad mitgenommen werden kann. Im Eurostar ist das zwischen Brüssel und London ebenso möglich wie im TGV zwischen Stuttgart und Paris. Auch der neue Thalys zwischen Köln-Brüssel-Paris, der im November in Betrieb genommen wurde, bietet diese Möglichkeit. Nur im ICE der in Staatsbesitz befindlichen DB AG ist das noch immer nicht möglich, obwohl sich auch Bundestag und Bundesrat dafür ausgesprochen haben.

Großprojekte auf dem Prüfstand: Verhindern konnten wir, dass weder EU-Gelder in den Münchener Transrapid geflossen wären noch in "Stuttgart 21" fließen können. Für die Verbindung Paris-Stuttgart-Bratislava wird nur die Strecke, nicht der Bahnhof von der EU kofinanziert.

Die Fehmarnbelt-Brücke konnten wir bisher nicht verhindern, doch dank unserer Arbeit ist auch in der EU die Skepsis gegenüber diesem Großprojekt gewachsen, das sich besonders in Mecklenburg-Vorpommern negativ auf die modernisierten Häfen auswirken würde. Die Deckelung des EU-Anteils bei der Finanzierung wird ihren Anteil daran haben, dass das Projekt spätestens dann wieder ins Wanken kommt, wenn die wahren Kosten deutlich werden. Was beim Transrapid in München gelang, kann bei der Fehmarnbrücke nicht unmöglich sein.

Mobil in Europa - nachhaltig und klimafreundlich

Diese Erfolge stehen leider im Kontrast zu dem unfairen Wettbewerb, der entgegen aller Vernunft Straße und Luftverkehr begünstigt und die Schiene benachteiligt. Bei der aktuellen Diskussion um die Eurovignette setzen wir uns dafür ein, dass zumindest gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden. Denn Europas Bahnen zahlen - nahezu unbegrenzt - Schienenmaut für jeden Kilometer, Neben- oder Hauptstrecke, Güter- oder Personenzug. So schreibt es die EU vor. Auf der Straße ist es den EU-Mitgliedsstaaten freigestellt, ob sie eine Maut überhaupt erheben. Sie ist in der Höhe begrenzt, gilt nur auf Autobahnen und zudem nur für LKW ab 12 Tonnen. Aus Wettbewerbs- und nicht zuletzt aus Klimaschutzgründen muss eine LKW-Maut europaweit auf allen Straßen gelten.

Fairer Wettbewerb für die Bahnen:

Kerosinsteuer für den Klimakiller Flugverkehr: Das umweltschädlichste aller Verkehrsmittel bewegt sich noch immer fast steuerfrei. Weder der Treibstoff noch die internationalen Flugtickets der Airlines werden besteuert - und bei Kyoto ist der Flugverkehr auch ausgenommen. Wir fordern eine EU-Kerosinsteuer und die Abschaffung der Steuerbefreiung für internationale Flugtickets. Mit den zu erwartenden Einnahmen von rund 14 Milliarden Euro könnte das Schienennetz auf den Stand des 21. Jahrhunderts gebracht werden.

Mobil ohne Auto in den Städten: 90 Prozent aller Autofahrten in den Städten sind kürzer als sechs Kilometer - ideale Entfernungen für Bus und Bahn, fürs Radfahren und Zu-Fuß-Gehen. Wir wollen erreichen, dass die EU künftig nur noch Gelder an jene Kommunen gibt, die durch nachhaltige Mobilitätspläne den Umweltverbund von Bus, Bahn, Rad und Zu-Fuß-Gehen fördern.

Geschichte erfahrbar machen: der "Europa-Radweg Eiserner Vorhang"

Neben der Verkehrspolitik gilt meine Leidenschaft dem Zusammenwachsen von Ost und West. Deshalb habe ich mich auch um die Beziehungen zwischen den alten und neuen EU-Mitgliedsstaaten bemüht - und hier vor allem durch das Projekt "Europa-Radweg Eiserner Vorhang". Denn nicht nur Berlin und Deutschland waren geteilt, sondern ganz Europa. Von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer erstreckte sich einst die Grenze, die Europa teilte. Um diese gemeinsame geschichtliche Erinnerung sichtbar zu machen, habe ich die Idee vom "Berliner Mauer-Radweg" auf Europa übertragen. Das Europäische Parlament hat 2005 meinen Antrag mit großer Mehrheit unterstützt. Dieses Projekt, das auf 6.800 km an 20 Staatsgrenzen vorbeiführt, leistet auch "einen Beitrag zur Schaffung der europäischen Identität" (so der EP-Beschluss vom 7. Oktober 2005). Inzwischen konnten wir das Projekt auch im EU-Haushalt verankern.

Wenn sich 2009 zum 20. Mal der Fall des Eisernen Vorhangs jährt, möchte ich mit grenzüber-schreitenden Fahrradtouren auf dem „Iron Curtain Trail“, dem "Europa-Radweg Eiserner Vorhang", die Spaltung des Kontinents und deren Überwindung erfahrbar machen. Da 14 EU-Mitgliedsstaaten direkt daran beteiligt sind, eignet sich das Projekt auch für den europäischen Wahlkampf der Grünen. Nicht nur an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze können wir mit organisierten Touren die Erinnerung an die Teilung und deren Überwindung sichtbar machen. Damit setzen wir zum einen auf umweltfreundliche Mobilität, zum anderen kann man auf diese Weise Geschichte, Politik und Kultur im wahrsten Sinne des Wortes erfahren.

Vor der Europa-Wahl 2004 hatte ich mir drei Ziele gesetzt: Erstens, dass grüne Konzepte in der Verkehrspolitik auch auf europäischer Ebene eine starke Lobby finden. Zweitens, dass der Ausbau der Schienen-Verbindungen von West nach Ost zur Priorität der EU wird. Drittens, dass nach dem Vorbild vom Berliner Mauer-Radweg auch auf europäischer Ebene Geschichte anschaulich und nachhaltig erlebbar wird.

Gemeinsam mit der grünen Europa-Fraktion und mit vielen aktiven Grünen auf lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene haben wir in dieser Hinsicht eine ganze Menge erreicht. Ich möchte meine Arbeit für diese Politik gerne fortsetzen und bitte deshalb um Eure Unterstützung für meine Kandidatur.

Mit grünen Grüßen

Michael Cramer