Mauerradweg soll unter Schutz gestellt werden

20. Juli 2016 zur Übersicht

Artikel von Roland Becker in Märkische Online Zeitung am 19.07.2016

Oberhavel/Berlin (HGA) Nachdem vor 15 Jahren der Mauerradweg rund um das ehemalige Westberlin entstand, fordert die Berliner Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen nun, den geschichtsträchtigen und 160 Kilometer langen Rundkurs unter Denkmalschutz zu stellen. Diesbezügliche Bemühungen beschränken sich allerdings bisher eher auf Berlin.

 

"Haben Sie nichts besseres zu tun, als die Mauer rauf und runter zu radeln?", erinnert sich Michael Cramer, der Vater des Mauerradwegs, einst vom damaligen Berliner Senatsbaudirektor Hans Stimmann spöttisch gefragt worden zu sein. Der Europa-Abgeordnete und Verkehrspolitiker der Grünen geht durchaus noch anderen Beschäftigungen nach. Doch in jedem Sommer umrundet er in samstäglichen Etappen mit vielen Radlern das ehemalige Westberlin. Ihm gleich tun es jährlich wohl Hunderttausende. Da es auf der Strecke keine Zählstellen gibt, ist die genaue Zahl der Radler unbekannt.

 

Am Beispiel von Hennigsdorf lässt sich die Beliebtheit des Radwegs gut nachvollziehen: Ein großer Teil der aus Deutschland und dem Ausland kommenden Touristen stoppen am Nieder Neuendorfer Grenzturm, wo sie mit der Geschichte der Berliner Mauer vertraut gemacht werden. 2015 wurden 12 200 Besucher gezählt. Zunehmend erradeln sich hier auch Ausländer, vor allem aus Holland und der Schweiz, deutsche Geschichte. Darüber hinaus nutzen Oberhaveler den Radweg für Wochenendtouren. Werden die Spaziergänger hinzugezählt, wird es auf dem sehr gut ausgebautem Weg entlang des Nieder Neuendorfer Sees oftmals richtig eng.

So perfekt wie dort präsentiert sich der Radweg nicht überall in Brandenburg. Cramer erinnert daran, dass der Bund den Ländern einst den ehemaligen Todesstreifen zum Erwerb anbot. Im Gegensatz zu Thüringen habe Brandenburg darauf verzichtet. "Das hat zur Folge, dass der Streifen teils privatisiert und bebaut wurde", ärgert sich Cramer. So habe die Gemeinde Schönefeld gerade ein Grundstück, über das der Mauerradweg verläuft, verkauft. In Hennigsdorf hingegen setzte die Politik von Anfang an darauf, den ehemaligen Todesstreifen als öffentlichen Uferweg zu widmen. Nach und nach wurden auch die etwa drei Kilometer bis zur Havelbrücke an der Ruppiner Chaussee perfekt ausgebaut.

 

Hennigsdorf könnte dabei für den großen Nachbarn Berlin durchaus zum Vorbild werden. Als Stefan Gelbhaar, Verkehrspolitischer Sprecher der Berliner Grünen-Fraktion, im November 2015 dem Senat eine Liste mit Mängeln überreichte und anfragte, wann diese behoben werden, bekam er alles andere als konkrete Antworten. "In der Antwort war eine vollständige Distanz zu spüren. Man muss sich nicht kümmern oder fühlt sich nicht zuständig", resümierte Gelbhaar am Donnerstag auf einer Pressekonferenz der Grünen zu 15 Jahren Mauerradweg.

Würde der Mauerradweg als Flächendenkmal unter Schutz gestellt, "wäre Berlin verpflichtet, dann denkmalpflegerisch tätig zu werden", argumentiert Gelbhaar. Die Gefahr, "dass die Mauergeschichte weiter verwaschen wird", könnte so gebremst werden. "Es ist wichtig, Geschichte auf diese Weise erfahren zu können", wirbt Gelbhaar für das Projekt. Nur: Schreibt allein die Hauptstadt Geschichte? Er hat bei dem Vorhaben allein die 40 Berliner Kilometer im Visier. Auf Nachfrage räumt er ein: "Wir müssen mit Brandenburg reden." Eine erste Gelegenheit dazu bot sich Cramer kürzlich am Rande einer Ausstellungseröffnung in Sacrow, bei er Brandenburgs Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) traf. "Die war richtig offen für das Projekt", freut sich Cramer.

 

Noch könnte Brandenburg Berlin in dieser Hinsicht überholen. Denn die Hauptstadt-Grünen sprechen beim Unterschutzstellen lediglich von einer Idee. "Das muss ins Wahlprogramm!", schaut Cramer auf die Berlin-Wahl im September. Aber haben die Grünen das nicht längst verabschiedet? Auf Nachfrage muss Gelbhaar bestätigen, dass darin ein Flächendenkmal namens Mauerradweg nicht auftaucht.