Luftverkehr: BGH stärkt Fluggastrechte

05. September 2018 zur Übersicht

Beitrag im Internet-Portal MOZ.de vom 05.09.2018

Flieger hob ohne Passagiere ab - Ehepaar kann mit Entschädigungszahlung rechnen

Michael Gabel / 05.09.2018, 08:00 Uhr

Berlin/Karlsruhe (MOZ) Flugreisende können auch dann auf eine Entschädigung hoffen, wenn ihr Flug wegen eines Streiks an den Passagierkontrollen des Flughafens gestrichen wurde. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag entschieden.

Ein Ehepaar hatte Easyjet auf eine Ausgleichszahlungen in Höhe von 900 Euro verklagt, weil es seine Reise nicht antreten konnte. Es berief sich dabei auf die EU-Fluggastrechteverordnung. In den Vorinstanzen war die Klage noch erfolglos geblieben. Der BGH hob nun das Urteil des Landgerichts Hamburg im Berufungsverfahren auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung an das Gericht zurück. (Az: X ZR 111/17)

Worum geht es bei dem Rechtsstreit?

Das Ehepaar wollte am 9. Februar 2015 vom Hamburger Flughafen aus nach Lanzarote fliegen. Das Problem: An diesem Tag streikte der Großteil des Sicherheitspersonals. Von 400 geplanten Flügen wurde ein Großteil gestrichen. Auch der Easyjet-Flug des Ehepaars fiel aus, und der Flieger hob ohne Passagiere ab. Das Paar verlangte daraufhin Ausgleichszahlungen unter anderem für die Kosten des Ersatzflugs. Als das Unternehmen nicht zahlte, verklagten die beiden es. In den Vorinstanzen hatte Easyjet recht bekommen. Es habe ein Sicherheitsrisiko bestanden, weil infolge des Streiks nicht alle Passagiere hätten kontrolliert werden können, hieß es damals. Deshalb hätten „außergewöhnliche Umstände“ vorgelegen, die das Unternehmen von jeglicher Verantwortung freigesprochen hätten.

Wie begründet der Bundesgerichtshof seine Entscheidung?

Der Bundesgerichtshof teilte mit, ein Streik sei zwar generell geeignet, solche „außergewöhnlichen Umstände“ herbeizuführen. Im konkreten Fall habe man allerdings nicht festgestellt, „dass kein einziger Passagier den Flug hätte wahrnehmen können“. Im Gegenteil: Zahlreiche Passagiere wurden kontrolliert. Der Flieger hätte also durchaus mit Passagieren abheben können.

Wie sieht es bei Bahnen und Fernbussen aus – bekommen streikgeschädigte Passagiere dort eine Entschädigung?

Das ist je nach Branche unterschiedlich geregelt. Busreisende sind vergleichsweise schlecht dran. Bei Streiks, Unwettern und Staus erhalten sie keinerlei Entschädigung. Nur in einigen anderen Fällen muss das Unternehmen den Fahrpreis erstatten oder die Weiterreise auf anderem Weg anbieten. Dies gilt beispielsweise, wenn die Fahrt annulliert wird, wenn sie überbucht ist oder wenn sich die Abreise um mehr als zwei Stunden verzögert und betrifft nur Reisen mit einer Wegstrecke von mehr als 250 Kilometern.

Bahnreisende werden dagegen auch bei Zugausfällen infolge von Streiks und Unwettern entschädigt. Bei 60 Minuten Verspätung stehen ihnen 25 Prozent des Fahrpreises zu, ab 120 Minuten sind es 50 Prozent.

Die EU-Kommission will die Besserstellung von Bahnreisenden nun streichen. Wie begründet sie das?

Eben mit dieser Besserstellung gegenüber Flug- und Fernbusreisenden. Man wolle gleiche Wettbewerbsbedingungen herstellen, heißt es. Hintergrund ist, dass vor allem die wetterbedingten Zugausfälle in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben. Nach Bahn-Angaben waren es im Jahr 2017 sechs Tage, an denen in manchen Regionen überhaupt nichts mehr ging. Das hänge zum einen mit den Klimawandel zusammen. Zum andern seien ICE wesentlich empfindlicher als die früher eingesetzten Diesel- und Dampfloks, bei denen der Lokführer „noch mit Axt und Sägeunterwegs gewesen“ seien, wie ein Bahn-Sprecher sagte.

Im EU-Parlament regt sich Widerstand. Kann es die Kommissionspläne noch kippen?

In den Ausschüssen Verkehr und Verbraucherschutz ist man sich weitgehend einig, dass man die alte Regel beibehalten will. Der grüne Europaabgeordnete Michael Cramer kritisierte schon früh den Vorstoß der Kommission, künftig „schlechte Witterungsbedingen“ als Ausschlussgrund für Entschädigungszahlungen zuzulassen. „Solche Formulierungen öffnen Tür und Tor für Interpretationen, gerade wenn ich mir die Ereignisse bei den Herbststürmen vom vergangenen Jahr vor Augen führe“, sagt er dieser Zeitung. Die Abgeordneten wollen sich in der kommenden Woche erneut mit dem Thema beschäftigen.

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