Korridore und Fördermittel sollen Infrastrukturausbau voranbringen

18. Dezember 2012 zur Übersicht

Ein Artikel in den Dow Jones Newswires, erschienen am 18.12.2012.

BRÜSSEL--Die Infrastruktur für Energie, Verkehr und Telekommunikation innerhalb der EU soll innereuropäische Grenzen überwinden und zu einem Binnenmarkt beitragen. Die federführenden Ausschüsse für Verkehr und Industrie im Europäischen Parlament stimmten daher am Dienstag zwei Verordnungen zu, durch die ein transeuropäisches Energie- sowie Verkehrsnetz aufgebaut werden soll. Auch eine weitere Verordnung, um dafür sowie für den Ausbau der Telekommunikationsnetze entsprechende Finanzierunginstrumente über die Europa-Verbinden-Fazilität (Connecting Europe) einzurichten, erhielt die Zustimmung der beiden Ausschüsse.

Mit den neuen Gesetzen sollen Engpässe in der Energie-, Verkehrs- und Telekominfrastruktur beseitigt werden. "Nach zwei Jahrzehnten europäischer Infrastrukturpolitik klaffen die Lücken, vor allem im Eisenbahnnetz, noch immer ausgerechnet an den Grenzen", kritisierten die Grünen-Abgeordneten Eva Lichtenberger und Michael Cramer. Der Ausbau der Infrastruktur sei nicht nur für den EU-Binnenmarkt wichtig, sondern auch, um aus der Krise zu kommen, sagte auch der Co-Berichterstatter für die Verkehrsnetze, Ismail Ertug.

Die EU-Kommission schätzt, dass bis 2020 Investitionen von insgesamt 1,5 Billionen Euro für Verkehrs-, Energie- und Telekommunikationsnetze notwendig sind. Doch der Ausbau kommt nur schleppend voran, da viele Netze zwar wichtig, aber sehr teuer und oft auch nicht rentabel sind. Für die Jahre 2014 bis 2020 hatte die Kommission daher 50 Milliarden Euro für neue Finanzierungsinstrumente wie Anleihen, Darlehen, Bürgschaften oder Fördermittel vorgeschlagen, wovon der Großteil für Verkehrsnetze vorgesehen ist. Ein Pilotprojekt mit Infrastrukturanleihen läuft bereits. Ob dieses Geld tatsächlich für die Connecting Europe Fazilität zur Verfügung stehen wird, ist aber noch offen, da sich die EU-Mitgliedstaaten noch nicht auf den nächsten Haushaltsrahmen einigen konnten.

Die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über die Verordnungen für die Verkehrsnetze und die Finanzierungsinstrumente sollen nun aufgenommen werden, damit das Parlament die neuen Gesetze bereits in erster Lesung beschließen kann, wie das Parlament mitteilte.

Zu den Energienetzen hatten Vertreter von Parlament und Mitgliedstaaten bereits Ende November einen Kompromiss erzielt, der Anfang 2013 vom Parlamentsplenum beschlossen werden soll. Die Einigung sieht neben einer Vorauswahl wichtiger Energiekorridore auch vor, dass die Genehmigungsverfahren für grenzüberschreitende Strom- und Gasleitungen stark auf dreieinhalb Jahre verkürzt werden sollen. Derzeit dauert es bis zu zwölf Jahre oder noch länger bis eine Leitung genehmigt ist.

Der Verband Kommunaler Unternehmen kritisierte allerdings erneut, dass bei der Auswahl der Energieinfrastrukturprojekte, die konkret bis Ende 2013 erfolgen soll, die Verteilnetzebene nicht ausreichend berücksichtigt werde. "Allein in Deutschland werden 97 Prozent der erneuerbaren Energien in die Verteilnetzebene eingespeist", kritisierte der VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. Doch die Verordnung konzentriere sich auf die "Stromautobahnen", ohne die "Auf- und Abfahrten sowie wichtige Bundes- und Landesstraßen" zu berücksichtigen.

Welche Projekte konkret im Bereich Verkehr für Fördergelder oder eine Finanzierungshilfe aus der Connecting Europe Fazilität ausgewählt werden, müssen auch Kommission und Mitgliedstaaten noch entscheiden. Dazu sei bereits von der Kommission ein Katalog von Kriterien ausgearbeitet worden, den der Ausschuss noch um eine Umweltfolgenabschätzung erweitert habe, erklärte der SPD-Abgeordnete Ertug. So sollen zum Beispiel der Anschluss von Flughäfen an das Schienennetz nur dann gefördert werden, wenn sie ein Passagieraufkommen von über 1 Prozent des gesamten Passagieraufkommens der EU-Flughäfen aufweisen, was etwa 780.000 Reisenden entspreche. Als städtische Knotenpunkte dürften nur Städte oder Städte-Cluster ausgewählt werden mit über einer Million Einwohnern.

Während Ertug allerdings betonte, dass sich das Parlament im Gegensatz zu den nationalen Regierungen für eine stärkere europäische Koordinierung eingesetzt und nationale Extrawünsche versucht habe auszuräumen, kritisierten die Grünen-Abgeordneten Cramer und Lichtenberger sowie der Umweltverband Transport & Environment die Liste der vorab ausgewählten förderfähigen Verkehrsprojekte als "Weihnachtswunschliste". "Die angenommene Ansammlung nationaler wie regionaler Groß- und Wunschprojekte hat weder in diesem noch in den kommenden Jahren eine Chance auf Verwirklichung", erklärten die beiden Abgeordneten weiter. Ertug betonte, dass die jetzt auf der Liste befindlichen Verkehrsprojekte nicht alle eine Förderung erhielten, sonder nur als förderfähig eingestuft worden seien. Die Endauswahl erfolge durch Kommission und Mitgliedstaaten, die anhand des Kriterienkatalogs nochmals Prioritäten festlegen würden.