In weniger als vier Stunden nach München

19. April 2017 zur Übersicht

Artikel erschienen in "Berliner Zeitung" am 19.04.2017

Von Peter Neumann

Noch ist ungewiss, wer nach der Wahl im September Bundeskanzlerin oder Bundeskanzler sein wird. Doch wer immer das oberste Regierungsamt bekommt: Ein Ticket für eine kostenlose Bahnfahrt mit Tempo 300 durch den Thüringer Wald ist schon reserviert. Dort geht in diesem Jahr ein weiterer Teil der Schnellbahnverbindung zwischen Berlin und Bayern in Betrieb. Bevor am 10. Dezember der erste Intercity Express (ICE) in knapp vier Stunden von Berlin nach München rast, gibt es eine Sonderfahrt mit einem hohen Prominentenfaktor. Unumstritten ist das milliardenschwere Verkehrsbauprojekt allerdings nicht.

Dank der neuen Schnellstrecke durch Thüringen und Franken verkürzt sich die Bahnreise zwischen Berlin und München im Vergleich zu heute um mehr als zweieinhalb Stunden. Auf der neuen Direktroute in den Süden wird nach dem Fahrplanwechsel am zweiten Advent jede Stunde ein ICE fahren - jeweils im Wechsel über Halle (Saale) und Leipzig, sagte Alexander Kaczmarek, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn (DB) für Berlin.

Konkurrenz fürs Flugzeug


"Alle zwei Stunden verkehrt ein ICE-Sprinter von Berlin nach München. Die Fahrzeit beträgt drei Stunden und 55 Minuten", so der Bahn-Manager. Diese Züge halten unterwegs nur in Halle (Saale), Erfurt und Nürnberg. Im Sprinter soll die Reise von Berlin in die größte Stadt Frankens zwei Stunden und 50 Minuten dauern, sagte Kaczmarek. Im Vergleich zu heute sind die Reisenden um zwei bis drei Stunden schneller.

ICE-Züge, die über Leipzig verkehren, brauchen etwas länger. "Sie sind zwischen Berlin und München rund vier Stunden und 20 Minuten unterwegs", sagte Kaczmarek. Doch im Vergleich zu heute sei auch diese Fahrzeit eine große Verbesserung.

So geht die DB davon aus, dass Reisende vom Flugzeug oder dem Auto auf den ICE umsteigen. Bisher wurden nur 15 Prozent aller Reisen zwischen Berlin und München mit der Bahn zurückgelegt, so Kaczmarek. "Wir erwarten, dass wir unseren Marktanteil verdoppeln und den Flugverkehr überholen werden."

29 Brücken, 22 Tunnel


Doch die Fahrzeitverkürzung hat einen hohen Preis, wie Kritiker bemängeln. Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit 8, wie die Verbindung heißt, umfasst teure Neubaustrecken. Besonders kostspielig ist die Trasse im Thüringer Wald. Die Strecke Erfurt - Ebensfeld führt über 29 Brücken und durch 22 Tunnel. Der Blessbergtunnel, längster Durchstich, ist 8,3 Kilometer lang.

"Nach jetzigem Stand betragen die Kosten für die Strecke Berlin - Nürnberg zehn Milliarden Euro, und es werden sicher noch mehr", warnte Michael Cramer, Berliner Europa-Abgeordneter der Grünen. Viel Geld für eine Trasse, auf der wenige Züge unterwegs sein werden.

Sicher, preiswert sei die neue Schnellverbindung nicht, hieß es auch bei der Bahn. Doch teuer war auch die Autobahn A 71, die unter einer rot-grünen Bundesregierung im Thüringer Wald entstand - und schon lange fertig ist.

"Wir sind uns sicher, dass unsere neue Strecke ein Riesenerfolg wird", sagte Kaczmarek. "Gut möglich, dass es nicht beim Ein-Stunden-Takt bleibt" - und die Züge öfter fahren. Allerdings: Auf der Strecke im Saaletal, die heute noch Route vieler ICE-Züge ist, wird der Fernverkehr kräftig ausgedünnt. Übrig bleibt ein Intercity zwischen Jena und Berlin - morgens hin, abends zurück.