Luftverkehr
Flugzeuge auf Langstrecken bekommen in München verbilligtes Kerosin. Die Bundesregierung rechtfertigt die Praxis: Anders sei der Flughafen nicht konkurrenzfähig. Die EU prüft, ob ungerechtfertigte Beihilfen vorliegen. Grüne fordern harte Strafen

Viele Langstreckenflugzeuge starten nur deshalb vom Münchner Flughafen, weil der Staat kräftig zubuttert. Das räumt die Bundesregierung in ihrer
Antwort auf eine Anfrage der EU-Kommission ein. Seit Ende 1994 wird jede Tankfüllung eines Jets bezuschusst, der mehr als fünf Stunden Flugzeit
vor sich hat. Im vergangenen Jahr zahlte der Flughafen, der vollständig im Besitz der öffentlichen Hand ist, noch 14 Euro für 1.000 Liter Kerosin. Inzwischen wird nach einem anderen System gefördert, dessen genaue Ausgestaltung die Bundesregierung jedoch geheim hält. Auch was
das gegenwärtig kostet, bleibt unter Verschluss. Bekannt ist lediglich, dass allein im Jahr 2002 rund 6 Millionen Euro für die Sprithilfe
aufgewendet wurden. Nach Angaben der Bundesregierung sind die Zuschüsse nicht direkt aus der Staatskasse geflossen, sondern wurden aus den laufenden Betriebseinnahmen des Flughafens finanziert.
Die Bundesregierung begründet die Notwendigkeit der Unterstützung mit dem "Standortnachteil Münchens zu anderen Flughäfen - insbesondere zum
Flughafen Frankfurt/Main". So habe die bayerische Hauptstadt weder einen Binnenhafen noch eine Pipeline-Verbindung zu den Häfen an der Nordsee,
wodurch Flugzeugbenzin am Rande der Alpen eben teurer sei als anderswo.
Nachdem Anfang 1994 mehrere Fluggesellschaften München aus diesem Grund verlassen hätten, seien die Treibstoffzuschüsse eingeführt worden, so
die Bundesregierung. Zu berücksichtigen sei, dass "es ohne deren Gewährung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu bedeutenden
Abwanderungen verschiedener Luftfahrtunternehmen an andere Standorte gekommen wäre", rechtfertigt die Bundesregierung das Vorgehen. Genau das
aber liegt im Wesen von Wettbewerb: Schließlich musste sich auch der belgische Flughafen Brüssel damit abfinden, dass ein bedeutender Teil
des Frachtverkehrs aus Kostengründen nach Leipzig verlagert wurde.
Bei der Konkurrenz in Frankfurt, die immerhin zu 48 Prozent privaten Aktionären gehört, wartet man erst einmal ab, was in Brüssel entscheiden wird. "Wir bekommen keine Subventionen. Wenn die europäischen Behörden die Vorgänge in München als Wettbewerbsverzerrung einschätzen, gehören
wir bestimmt zu denen, die das positiv werten", sagt Flughafensprecher Klaus Busch.
"Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen", sagte ein Vertreter der EU-Kommission. Sollte die Kommission allerdings zu dem Ergebnis kommen,
dass die Verbilligung des Sprits in München gegen EU-Recht verstößt, würde es für die Fluggesellschaften wohl teuer werden. Der bei der EU für Energie und Verkehr zuständige Generaldirektor Matthias Ruete hatte
die Bundesregierung im April bereits gemahnt, dass "Beihilfen von dem zu Unrecht begünstigten Empfänger zurückgefordert werden müssen".
"Die EU muss harte Strafen verhängen", fordert der Grünen-Europaparlamentarier Michael Cramer. Es sei ein Skandal, den extrem klimaschädlichen Flugverkehr noch weiter zu bevorzugen. Dass die
Fluggesellschaften heute ihre Tickets zu Spottpreisen anbieten könnten, läge zu einem Großteil daran, dass sie "im Gegensatz zur umweltfreundlichen Bahn vom Emissionshandel befreit sind, ihr Kerosin nicht besteuert und auf internationale Tickets keine Mehrwertsteuer erhoben wird". Damit die Akten über den Münchner Flughafen nicht zu tief in den Schubladen verschwinden, will Cramer in den nächsten Tagen eine Anfrage im Europäischen Parlament zu den Verhältnissen in München starten.
TAZ-Bericht von ANNETTE JENSEN, taz Nr. 8426 Seite 8