Seelow (MOZ) Die sogenannte "Ostbahn"-Zugstrecke von Berlin Lichtenberg über das Oderbruch bis ins polnische Gorzów hat für Deutsche und Polen große Bedeutung. Trotzdem wurde ihr Ausbau nicht im Bundesverkehrswegeplan berücksichtigt. Vor diesem Hintergrund fand in Seelow (Märkisch-Oderland) eine gemeinsame Konferenz statt.
Die Situation ist äußerst widersprüchlich: Seit vor zehn Jahren deutsche und polnische Kommunen die "Interessengemeinschaft Ostbahn" gründeten, haben sich die Fahrgastzahlen auf dieser Strecke auf jährlich rund 100000 verdreifacht. Und sowohl die Deutsche Bahn wie auch Berlin, Brandenburg und Polen investierten nicht unerhebliche Summen in die Ertüchtigung der Strecke sowie in die Gestaltung von Bahnhöfen und deren Umfeld. Trotzdem wurde die geforderte Elektrifizierung und durchgehende Zweigleisigkeit dieser Strecke nicht in den Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgenommen.
"Der Bund spricht hier von Personennahverkehr und betrachtet sich deshalb nicht als zuständig", erläuterte Egbert Neumann vom Infrastrukturministerium Brandenburg auf einer deutsch-polnischen Konferenz am Dienstag in Seelow. Und fügte gleich hinzu: "Da muss man einfach in die nächste Überzeugungsrunde gehen."
Der Landrat von Märkisch Oderland, Gernot Schmidt, und der Vizelandrat des Kreises Gorzów (Landsberg), Marcin Cyganiak, stießen ins gleiche Horn: "Wir müssen noch mehr Lobbyarbeit für die Strecke betreiben, denn für die Entwicklung unserer Region und deren Verknüpfung mit Polen und Berlin ist sie ganz wichtig", erklärte der SPD-Politiker Schmidt. Sein polnischer Kollege pflichtete ihm bei: "Auch für uns ist die Verbindung nach Berlin bedeutsam." In Gorzów wird ab kommenden Jahr beispielsweise die gesamte innerstädtische Trasse der Ostbahn erneuert, die vor mehr als 100 Jahren nach dem Vorbild der Berliner Stadtbahn und deren Arkaden angelegt worden war.
Tatsächlich gibt es bereits für mehrere wichtige Abschnitte der Strecke weitere Investitionsabsichten. So wird derzeit etwa ein zusätzlicher Bahnsteig am Berliner Ostkreuz ausgebaut, damit ab 2018 die Ostbahn auch dort halten kann. Und für die Strecke bis nach Strausberg und Rehfelde (beide Märkisch-Oderland) ist die Zweigleisigkeit schon geplant.
Selbst für den neuralgischsten Punkt der gesamten Linie - die Brücke über die Oder bei Küstrin - hatte die Deutsche Bahn bereits im vergangenen Jahr eine Großinvestition in Höhe von 47 Millionen Euro angekündigt. Die jetzige Brücke, die mehr als 100 Jahre auf dem Buckel hat, soll spätestens in vier Jahren durch eine neue ersetzt werden.
Seit einigen Monaten leidet das Image der von der Niederbarnimer Eisenbahn betriebenen Strecke freilich dadurch, dass es mit den neu eingesetzten polnischen Triebwagen Probleme gibt. Weil diese sich anfangs nicht koppeln ließen (ein Grund dafür ist, dass die Sicherungstechnik der deutschen und der polnischen Eisenbahnen unterschiedlich sind), waren zahlreiche Züge verspätet oder fielen aus. "Mit Hilfe einer neuen Software sind diese Kinderkrankheiten aber jetzt überwunden", versicherte eine NEB-Sprecherin gestern.
Der Europaabgeordnete der Grünen, Michael Cramer, gab den Tipp, grenzüberschreitende Förderprogramme der Europäischen Union zu beantragen. Tatsächlich wird die Ostbahn in europäischen Planungen als "ergänzender Bestandteil" für die Strecke Berlin-Warschau aufgeführt. Denn auch für den Güterverkehr könnte sie bedeutender werden.