Flugverkehr: EU-Parlament stellt sich gegen US-Attacke aufs Klima

10. Dezember 2004 zur Übersicht

Grüne Initiative zeigt Erfolg - ICAO-Beschluss ist Türöffner für EU-weite Kerosin-Besteuerung. Von Michael Cramer

Das Europäische Parlament hat auf Initiative der Grünen Fraktion einen wichtigen Etappensieg beim Klimaschutz errungen und das Thema Flugbenzin-Besteuerung zurück auf die internationale Tagesordnung gebracht. Auf der Versammlung der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) Anfang Oktober wurde Staatenverbindungen wie der EU ausdrücklich der Weg zu einer gemeinsamen Kerosin-Besteuerung eröffnet. Nicht durchsetzen konnten sich die USA, die ein quasi weltweites Verbot von solchen Steuern durchsetzen wollten.

Die unfairen Rahmenbedingungen zwischen den Verkehrsträgern sind den Grünen schon lange ein Dorn im Auge. Während die Bahnen für Energie und Diesel Steuern zahlen, ist der Treibstoff für den Flugverkehr steuerfrei. Dabei stellt gerade das Fliegen eine enorme Belastung für das Klima dar. Ziel des Klimaschutzes muss daher auch eine Reduzierung des Flugverkehrs sein.

Klares Wort der EU gefordert

Denn die Besteuerung von Kerosin kann ein entscheidendes Instrument zum Klimaschutz sein. Wir Grüne im Europäischen Parlament wollten daher vorab eine klare europäische Linie einfordern, die der Politik alle notwendigen Maßnahmen offenhält. Das Parlament in Straßburg folgte mit großer Mehrheit (307 Ja-Stimmen gegen 20 Nein-Stimmen und 206 Enthaltungen) der Initiative der Grünen und verabschiedeten eine Resolution, in der die EU aufgefordert wurde, sich zur Besteuerung von Kerosin bei der bevorstehenden weltweiten Konferenz positiv zu verhalten. So wurden die EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, ein Verbot der Kerosinbesteuerung auf der ICAO-Konferenz abzulehnen und darüber hinaus für strengere Klimaschutzstandards einzutreten. Insbesondere sollte auch die Einführung weltweiter Abgaben, die an die CO2-Emissionen geknüpft sind, in Erwägung gezogen werden, heißt es in dem Beschluss.

Mit seinem klaren Statement hat sich das Europaparlament damit auch gegen eine Knebelresolution gewendet, die eine eigene Klimaschutzpolitik im Flugverkehr der EU und seiner Mitglieder erheblich eingeschränkt hätte. Es geht um die Eigenbestimmung der EU über Europa. Die Sache Europas ist die Sache Europas, und die Europäische Union - die Kommission, das Parlament und der Rat - müssen darüber entscheiden und das bestimmen, was für die Zukunft dieses Kontinents notwendig ist. Das dürfen nicht andere Staaten von außen machen.

Emissionshandel allein reicht nicht

Die Europäische Union hat dem Klimaschutz immer einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt, weshalb sie auch das Kyoto-Protokoll unterzeichnet hat (das mit der Ratifizierung durch Rußland jetzt endlich Gesetzeskraft erlangt hat). Aber auch in dieser wichtigen Klimaschutz-Maßnahme ist der Flugverkehr privilegiert im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern, weil seine Emissionen abgesehen von nationalen Verbindungen nicht mitgerechnet werden. Der Flugverkehr leistet also auch hier keinen Beitrag. Selbst die Lobby-Organisationen der Airlines bieten jetzt schon von sich aus an, einer Aufnahme der Flugemissionen in das Kyoto-Protokoll zuzustimmen. Die Sorge um das weltweite Klima dürfte hier zwar weniger Hintergrund der Offerte sein, vielmehr steckt dahinter das Angebot an die Politik "Kyoto ja - Kerosinsteuer nein".

Im Sinne eines wirkungsvollen Klimaschutzes darf sich die Politik auf einen solchen Deal nicht einlassen. Der Flugverkehr gehört in das Kyoto-Protokoll, damit ein Emissionshandel auch hier möglich ist. Auch das würde übrigens nur bedeuten, dass die Airlines auf eine Stufe z.B. mit dem Eisenbahnverkehr gehoben würden, die selbstverständlich mit ihren Emissionen im Protokoll aufgeführt werden. Eine volle Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen Luft und Schiene kommt aber nur, wenn die Airlines auch für den Kraftstoff Steuern zahlen.

Der Ball liegt jetzt wieder auf dem europäischen Spielfeld. Die EU darf sich nicht hinter Absichtserklärungen verstecken und die Besteuerung von Kerosin auf den St. Nimmerleinstag verschieben - in der Hoffnung, die USA würden einer gemeinsamen Initiative irgendwann zustimmen. Die Entschließung der ICAO-Konferenz sollte mutig genutzt werden, um jetzt eine europaweite Kerosin-Steuer einzuführen. Europa könnte so seine wichtige Rolle im Klimaschutz erneut bestätigen.

Dieser Beitrag erscheint in der Verkehrszeitschrift SIGNAL.

Besondere Begegnung

Bei der Debatte im Europäischen Parlament kam es nach fünf Jahren zu einer Begegnung der besonderen Art zwischen zwei Berliner Verkehrspolitikern. Ingo Schmitt (CDU), der langjährige Verkehrsstaatssekretär im Berliner Senat, sprach im Parlament gegen ("falscher Zeitpunkt, falscher Ort"), Michael Cramer, langjähriger verkehrspolitischer Sprecher im Abgeordnetenhaus für Bündnis 90/Die Grünen, für den Antrag der Grünen ("wann, wenn nicht jetzt, wo, wenn nicht hier").

Während Ingo Schmitt als Staatssekretär in Berlin immer die Mehrheit von CDU und SPD hinter sich hatte, war es im EP umgekehrt. Sein damaliger und heutiger Counterpart, Michael Cramer, hatte nicht nur die EP-Mehrheit gewonnen, sondern auch noch so gut argumentiert, dass Ingo Schmitt in der namentlichen Abstimmung für den Antrag stimmte, obwohl er im Plenum noch dagegen sprach.