Flughafen Schönefeld: Privatisierung gescheitert

13. November 2003 zur Übersicht

Gewinne privatisieren, Verluste den SteuerzahlerInnen aufbürden - so hatten sich die privaten Bieter den Bau des Flughafen Berlin-Brandenburg International vorgestellt. Rede im Abgeordnetenhaus am 22.05.2003

Anrede,

In dem Theaterstück "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich" geht der Vorhang auf zum nächsten Akt. Wir erinnern uns. Mitte der 90er Jahre hatte das Konsortium um Hochtief den Zuschlag für Bau und Betrieb des Single-Airports bekommen, wogegen die unterlegene IVG erfolgreich klagte. Das Gericht schloss Hochtief wegen illegaler und krimineller Praktiken vom Verfahren aus. Dagegen wiederum klagte Hochtief - ebenfalls erfolgreich, denn dasselbe Gericht schlug nun vor, dass sich die beiden Streithähne doch bitte schön zusammentun und die Beute teilen sollten.

Nach jahrelangen Verhandlungen und kurz vor dem Scheitern zeigten die Kontrahenten in der letzten Woche noch einmal ihr wahres Gesicht und stritten sich öffentlich wie die Kesselflicker. Höhepunkt des letzten Aktes: Die IVG legte - ohne Einvernahme mit Hochtief - ein eilig zusammengeschustertes Konzept vor, über das zu reden nun wirklich die Zeit zu schade ist.

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, warum die Privatisierung scheitern muss: Mit zerstrittenen Konsorten kann und darf man nicht zusammenarbeiten.

Unabhängig davon sah der Vertragsentwurf so aus, dass die Gewinne privatisiert und die Risiken sozialisiert werden sollten. Das hat mit Wettbewerb und Markwirtschaft nicht das geringste zu tun. Deshalb wollen wir die jahrelange Hängepartie beenden und die Privatisierungsverhandlungen für gescheitert erklären.

Das einzig Positive in der Airport Chronique scandaleuse war die Entscheidung, die Planfeststellung von der Privatisierung zu trennen. Deshalb ist es wichtig, zu betonen: Auch nach dem Scheitern der Privatisierung muss die Planfeststellung unverzüglich zu Ende geführt werden.
Grundlage dafür ist der Konsens-Beschluss von 1996. Demnach soll Schönefeld zum Single-Airport ausgebaut, Tempelhof spätestens mit Rechtskraft der Planfeststellung und Tegel mit Fertigstellung des Schönefeld-Ausbaus geschlossen werden.

Auch wenn CDU und FDP trotz ihrer damaligen Unterstützung im Deutschen Bundestag heute aus fadenscheinigen Gründen dagegen sind: Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hält an diesem Konzept fest. Wir wollen den Single-Airport in Schönefeld und die schnellstmögliche Schließung von Tegel und Tempelhof!

Die Konzentration auf einen Flughafen ist nicht nur wegen der Reduzierung der Lärm- und Schadstoffemissionen richtig und notwendig, sie ist auch ein Gebot der finanziellen Vernunft!

Im Geschäftsjahr 2002 schrieben - wie in den Jahren davor - zwei der drei Flughäfen tiefrote Zahlen: Während Tegel einen Gewinn von 53 Millionen Euro erwirtschaftete, verzeichnete Tempelhof ein Minus von 11 Millionen Euro und Schönefeld sogar ein Minus von 20 Millionen Euro. Herr Sarrazin, nicht nur die Schulden der Bankgesellschaft, auch die der beiden Flughäfen zahlen die Berliner Steuerzahler. Deshalb wollen wir mit dem Single-Airport in Schönefeld nicht nur die Bevölkerung in Pankow und Spandau, in Tempelhof und Lichtenberg vom Fluglärm befreien, sondern alle Berlinerinnen und Berliner auch von einer schweren Finanzlast!

Wenn wir von der Schließung in Tegel und Tempelhof reden, dürfen wir aber nicht die Menschen in Schönefeld vergessen, die durch den neuen Flughafen zusätzlich belastet werden. Deshalb unterstützen wir Bundes-Umweltminister Jürgen Trittin in seinen Bemühungen, das Fluglärmgesetz im Interesse der Anwohner zu verbessern. Außerdem fordern wir auch für Schönefeld ein Nachtflugverbot! Was in Frankfurt am Main real existiert, darf in Schönefeld nicht unmöglich sein!

Vom Großflughafen redet kaum einer mehr. Der heutige Bundesverkehrsminister Stolpe rückte diese Forderung bereits vor zwei Jahren in die Nähe von Größenwahn. Mitte der 90er Jahre spottete der damalige CDU-Verkehrs-Minister Wissmann schon über das "Märchenschloss". Die Vorstellung vom Berliner Großflughafen in der dünnbesiedelten märkischen Region ist nicht nur ökologisch sondern auch ökonomisch unverantwortbar, es ist der reine Größenwahn!

Und dabei spielt es keine Rolle, wer sie vertritt. Denn nicht nur CDU und FDP, auch die rot-rote Koalition rückt offensichtlich vom Konsensbeschluss ab. Denn wie sonst soll man es verstehen, dass der Staatsvertrag über das "gemeinsame Landesentwicklungsprogramm der Länder Berlin und Brandenburg" entscheidend verändert wurde. Während es bisher eindeutig hieß:

"Zur Deckung des Luftverkehrsbedarfs in Brandenburg und Berlin sind die Planung und der Ausbau des Flughafens Schönefeld zu einem internationalen Verkehrsflughafen als Single-Standort vordringlich zu betreiben", soll es im neuen Staatsvertrag nur noch heißen:

"Dabei soll der nationale und internationale Luftverkehrsanschluss für Berlin und Brandenburg möglichst auf einen Flughafenkonzentriert werden."

Damit wird die Flughafenplanung insgesamt zur Disposition gestellt. Wir fordern Rot-Rot auf, beim Single-Airport nicht zu wackeln und die alte eindeutige Formulierung nicht zu verändern!

Bei der ganzen Diskussion über den Luftverkehr darf man die ökologische Dimension nicht aus den Augen verlieren. Die Schadstoffemissionen entstehen zu 80 Prozent bei Start und Landung. Sie belasten insbesondere die Umgebung der Flughäfen. Über den Wolken werden sie in die Stratosphäre emittiert und zerstören dort die Ozonschicht, ein Garant für das Leben auf dem Planeten Erde. Auch deshalb darf der Flugverkehr nicht unermesslich wachsen, er muss so weit es geht, auf die Schiene verlagert, und auf das Notwendige reduziert werden!

Von den Gernegroßen wird immer wieder auf London verwiesen. Übersehen wird dabei jedoch, dass auf den fünf Londoner Airports jährlich 130 Millionen Fluggäste gezählt werden, in Berlin mit etwa 13 Millionen nur ein Zehntel. Wenn man Berlin mit London wirklich vergleichen will, reicht für die dünnbesiedelte Region in Berlin und Brandenburg gerade mal ein halber Flughafen aus.

Mit den 50 Millionen Fluggästen in Frankfurt am Main kann sich Berlin ebenfalls nicht messen. Dort umfasst der Einzugsbereich mit 20 Millionen Einwohnern das Vierfache von Berlin und Brandenburg. Leere Slots, dort heiß begehrt, werden hier wie Sauerbier angeboten. Während von Frankfurt pro Woche 600 interkontinentale Ziele direkt angeflogen werden, sind es in Berlin lediglich 30. Der Umsteigeverkehr in Frankfurt liegt bei 60 Prozent, in Berlin beträgt er weniger als 3 Prozent. Zudem gibt es in Berlin 60 Prozent Kurzstreckenflüge unter 600 km, die sukzessive durch die Fertigstellung der schnellen Eisenbahn-Verbindungen reduziert werden.

Zum Stichwort Eisenbahn, Herr Regierender Bürgermeister: Machen Sie sich nicht - wie weiland Herwig Haase - zur öffentlichen Lachnummer. Wir brauchen keinen Transrapid: weder in München, noch im Ruhrgebiet, und schon gar nicht zwischen Berlin und Moskau.

Das, was diese Region benötigt, wenn sie nach der EU-Erweiterung nicht in Stau und Abgasen ersticken will, ist die schnellstmögliche Wiederherstellung der Schienenwege nach Ost- und Mitteleuropa. Hier war Ihnen bei den Beratungen zum Bundesverkehrswegeplan die Verlängerung der Stadtautobahn wichtiger als die Eisenbahnstrecken ins Baltikum oder in das südliche Polen.

Ihre Transrapid-Fantasien, Herr Regierender Bürgermeister, und Berlins Anmeldungen für den Bundesverkehrswegeplan sind nicht nur ein verkehrs- und umweltpolitischer sondern auch ein europapolitischer Skandal. Beides zeigt Ihre begrenzte Wahrnehmung von Realität und aktueller Notwendigkeit!
Zurück zum Flughafen: Nach dem Scheitern der Privatisierung gibt es nur zwei Alternativen: Neuausschreibung oder Bau durch die Öffentliche Hand. Die Neu-Ausschreibung bringt einen Zeitverlust von mindestens zwei Jahren und birgt - wie wir schmerzlich erfahren mussten - zahlreiche Risiken.

Dass auch die öffentliche Hand bauen kann stellt sie permanent unter Beweis. Die zahlreichen Autobahnprojekte oder der 10 Milliarden Euro teure Umzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin wurde durch die Öffentliche Hand gemanagt.

Natürlich gibt es auch Negativ-Beispiele. Aber die gibt es - Philipp Holzmann lässt grüßen - auch bei den Privaten. Viel wichtiger ist aber die Bekämpfung der Korruption. Und hier sollten wir die Empfehlung des Untersuchungsausschusses der 14. Wahlperiode "Flughafen Schönefeld II" befolgen: "Der Ausschuss empfiehlt die Begleitung solcher Verfahren durch eine Anti-Korruptionsorganisation, wie z.B. Transparency International".
Unter dieser Voraussetzung gibt es bei einem öffentlichen Management gegenüber dem gescheiterten Privatisierungsvertrag sechs Vorteile:

#. Die Investoren wollten die Kosten der Altlasten nur bis zu einer bestimmten Betrag übernehmen, den Rest hätte der Steuerzahler finanzieren müssen. Ein Risiko ohne finanzielles Ende.

#. Auch die Kosten der Umsiedlung von Diepensee waren für den Investor gedeckelt. Alles was darüber liegen würde, hätte das Land Berlin übernehmen müssen. Auch das ein finanzielles Risiko ohne Ende.

#. Die Investoren wollten die Verkehrsanbindung nicht finanzieren. In der Tat ist sie - nach dem alten West-Berliner Motto: Das beste ist gerade gut genug für uns, wenn es die Investoren bezahlen - äußerst luxuriös ausgestaltet worden. Von den vorgesehenen 250 Millionen Euro lässt sich locker mehr als die Hälfte einsparen, ohne dass die Attraktivität für die Fluggäste darunter leidet.

#. Die Investoren wollten für ihr eingesetztes Kapital vom Staat eine Rendite von 13,5 Prozent garantiert haben. Bedenkt man, dass das Land Berlin Kommunalkredite für weniger als drei Prozent bekommt, ergibt sich auch hier eine gewaltige Einsparsumme.

#. Mit der Privatisierung der Flughäfen würden auch die Einnahmen aus dem Luftverkehrsgeschäft dem Land Berlin verloren gehen. Trotz der Verluste in Tempelhof und Schönefeld waren das im letzten Jahr immerhin mehr als 20 Millionen Euro. Nach Fertigstellung des BBI und der Schließung von Tegel und Tempelhof sind aber Einnahmen in Höhe von gut 60 Millionen Euro zu erwarten. Auch dieser Betrag muss berücksichtigt werden.

#. Die Flughafengebühr ist eine Lizenz zum Gelddrucken. Sie sollte vom Land Berlin nicht leichtsinnig aus der Hand gegeben werden. Vorgesehen war ein Betrag von etwa 10 Euro, was bei 13 Millionen Fluggästen ein Betrag in Höhe von etwa 130 Millionen Euro pro Jahr ergibt.

Nach meiner Überzeugung lässt sich mit diesem Geld auch für die Öffentlich Hand der Single-Airport in Schönefeld finanzieren - insbesondere, wenn auf Großkotzigkeit verzichtet wird, Anti-Korruptions-Organisationen eingebunden werden und der Flughafen Schritt für Schritt bedarfsgerecht ausgebaut wird.

Aus all diesen Gründen setzen wir auf ein Scheitern der Privatisierung mit Hochtief/IVG und fordern die drei Gesellschafter auf, schnellstmöglich ein öffentliches Finanzierungskonzept vorzulegen. Unabhängig davon muss das Planfeststellungsverfahren für den Single-Airport in Schönefeld zügig zu einem rechtskräftigen Abschluss geführt werden.

Im Interesse von Umwelt und Natur, im Interesse der Menschen in Pankow und Reinickendorf, in Tempelhof und Lichtenberg und auch im Interesse der knappen Haushaltsmittel von Bund und Ländern bleibt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dabei: Der Single-Airport in Schönefeld muss zügig fertiggestellt, Tempelhof und Tegel müssen schnellstmöglich geschlossen werden!