Die Bodenverkehrsdienste an Flughäfen werden nun doch liberalisiert. Das Europäische Parlament stimmte am Dienstag für einen entsprechenden Verordnungsvorschlag von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas, nahm aber einige Änderungen vor, wie das Parlament mitteilte. Im vergangenen Dezember hatten die Abgeordneten den Vorschlag nach Protesten von Flughafenmitarbeitern noch abgelehnt, das Thema allerdings an den Verkehrs- und Beschäftigungsausschuss zurückverwiesen.
Die EU-Kommission wollte die Mindestzahl an Dienstleistern für die vier Bodenabfertigungsdienste, die noch nicht liberalisiert sind, auf Flughäfen mit mehr als 5 Millionen Passagieren pro Jahr, von heute zwei auf drei erhöhen. Damit sollte mehr Wettbewerb geschaffen werden, wodurch sich die Kommission preiswertere Tickets erhofft. Die aktuelle EU-Richtlinie erlaubt für die Gepäckabfertigung, Vorfelddienste, Betankung sowie Fracht- und Postabfertigung Zulassungsbeschränkungen, die viele Länder darunter Deutschland nutzen.
Gewerkschaften und Beschäftigte von Flughäfen und Bodenabfertigungsfirmen befürchten aufgrund der Liberalisierungspläne Sozial- und Lohndumping. Die Fluggesellschaften sowie nicht flughafeneigene Dienstleister drängen hingegen auf mehr Wettbewerb bei der Bodenabfertigung.
Das Parlament stimmte nun zwar für mehr Wettbewerb, erhöhte aber die Schwellenwerte. So sollen lediglich Flughäfen, die pro Jahr über 15 Millionen Passagiere pro Jahr abfertigen oder über 200.000 Tonnen Fracht transportieren, dazu verpflichtet werden, mindestens drei Anbieter für die vier Bodendienste zuzulassen. Das trifft nach Parlamentsangaben in Deutschland auf Frankfurt, München, Düsseldorf und Berlin Tegel zu.
Außerdem wurden dem Gesetzestext Schutzklauseln für Personalverschiebungen und Mindestqualitätsstandards hinzugefügt. "Dies wird die maximale Wartezeit vor der Gepäckabfertigung, die maximale Auslieferungszeit für das erste und letzte Gepäckstück sowie die Mindestvorräte an Enteisungsmittel einschließen", sagte der polnische Berichterstatter Artur Zasada (EVP).
Die Sozialvorschriften sollen dabei auch für Subunternehmer gelten. Im Fall, dass der Bodenabfertigungsdienstleister gewechselt wird, müssen die EU-Mitgliedstaaten demnach sicherstellen, dass das Personal vom neuen Dienstleister übernommen wird und die Tarifverträge eingehalten werden. Für Flughäfen mit eigenen Abfertigungsdiensten fordern die Abgeordneten zudem eine streng getrennte Buchführung, wie es weiter hieß.
Den Mitgliedstaaten würden damit weitreichende Möglichkeiten eingeräumt, den verschärften Wettbewerb mit drei Anbietern einzugrenzen, erklärte der CDU-Abgeordnete Thomas Mann. "So sind die Regelungen für angemessenen Schutz vor Sozialdumping nicht näher spezifiziert." Dies könnten die Mitgliedstaaten ausgestalten.
Der Grünen-Abgeordnete Michael Cramer hingegen kritisierte, die Sozial- und Beschäftigungsstandards würden weiter untergraben. Die Einkommens- und Arbeitsbedingungen hätten sich bereits in den vergangenen Jahren erheblich verschlechtert. Das vorgesehene Sicherheitsnetz sei "zu löchrig", erklärten auch die SPD-Abgeordneten Knut Fleckenstein und Jutta Steinruck.
Das Parlament geht nun in Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten. Die Verkehrsminister hatten sich bereits im vergangenen März mehrheitlich für die weitere Liberalisierung der Bodendienste ausgesprochen, verlangten aber auch Mindeststandards für die Dienste sowie die Aus- und Fortbildung.
Die Bodendienste gehören zu einem Gesetzespaket zu Flughäfen, das auch die Verteilung von Slots erleichtern und Fluglärm reduzieren soll. Dem Slot- und Fluglärmvorschlag hatte das Parlament bereits zugestimmt. Alle drei Gesetzesvorschläge müssen noch mit den Mitgliedstaaten beraten werden.