Von Frederik Bombosch und Peter Neumann
Am Montag herrschte scheinbar Normalität bei Air Berlin. Es gab zwar einige Verspätungen an den wichtigsten Drehkreuzen der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft, Berlin-Tegel und Düsseldorf. Der Nachmittagsflug aus der Hauptstadt nach Köln etwa verzögerte sich um vierzig Minuten, die Abendmaschine nach Göteborg um eine halbe Stunde. Doch solche Verzögerungen sind ärgerliche Normalität, zumal am überlasteten Flughafen Tegel.
Viel wichtiger aber: Bis zum frühen Abend wurde in Tegel und Düsseldorf kein einziger Flug als annulliert angezeigt. Es ist das deutlichste Symptom der Krise bei Air Berlin, dass einigermaßen reibungsloser Verkehr nicht mehr selbstverständlich ist. Laut Zahlen des Flugrechteportals EUClaim wurden im Juni bislang durchschnittlich 20 Air-Berlin-Flüge pro Tag annulliert. Seit Jahresbeginn waren es mehr als 2 800 Verbindungen. Zum Vergleich: Die viermal so große Lufthansa annullierte im selben Zeitraum knapp 2 000 Flüge.
Doch jetzt, so heißt es von Air Berlin, sei die Lage stabilisiert. "Unsere Passagiere können beruhigt bei uns buchen", sagte ein Sprecher am Montag. Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass Air Berlin bestimmte Verbindungen aus dem Flugplan genommen, etwa die Zahl der Flüge nach New York reduziert und Nebenrouten gestrichen hat. Diese Änderungen seien ausreichend, bis zum Ende des Sommerflugplans werde es keine weiteren Anpassungen geben. Zudem wurde das Kabinenpersonal aufgestockt, 700 neue Flugbegleiter fingen seit Jahresbeginn an. Und stolz verweist man auf einen kleinen Erfolg: Am vorigen Donnerstag seien 85 Prozent der geplanten Flüge in Tegel pünktlich gestartet. An den schlechtesten Tagen nach dem Wechsel des Bodendienstleisters in Tegel waren es 35 Prozent.
Doch ob diese Maßnahmen ausreichen, um das ramponierte Vertrauen wiederherzustellen, ist ungewiss. Zwar heißt es, die Buchungszahlen seien stabil. Ob das auch für die Ertragslage gilt, dazu äußert sich Air Berlin nicht. Nur so viel: "Die Liquidität der Gesellschaft ist gesichert." Ende April hatte Großaktionär Etihad zugesichert, bis Ende nächsten Jahres die Verluste von Air Berlin zu tragen. Allein im vorigen Jahr belief sich das Defizit auf 780 Millionen Euro.
Berlins Mitschuld
Gut möglich, dass diese Summe im laufenden Jahr deutlich höher ausfällt - unabhängig davon, ob die öffentliche Hand die Gesellschaft mit einer Bürgschaft unterstützt. Ende voriger Woche hatte Air Berlin die Landesregierungen von Berlin und Nordrhein-Westfalen gebeten, die Möglichkeit einer Bürgschaft zu prüfen. Inzwischen schaltete sich das Bundeswirtschaftsministerium ein. Nach inoffiziellen Angaben geht es um 120 Millionen Euro - im Vergleich zu den horrenden Verlusten der vergangenen Jahre also um einen überschaubaren Betrag.
Die Frage ist, was die Absicherung bewirken würde. Bei Air Berlin heißt es: "Die Bürgschaftsanfrage gehört zu unserer vorausschauenden Unternehmensführung." Man sei es Mitarbeitern und Aktionären schuldig, die Möglichkeit staatlicher Beihilfen zu prüfen und die Umstrukturierung so abzusichern.
Es ist auch durchaus erkennbar, dass die Anfrage bei der Politik nicht auf taube Ohren stößt. Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) äußerte sich vorige Woche verhalten positiv. Berlin hat ein starkes Interesse an der Fluggesellschaft, die seinen Namen trägt. Air Berlin hat am Flughafen Tegel einen Marktanteil von 41 Prozent, ohne die weiß-roten Jets wäre es dort auf einmal sehr öde. Zudem ist Berlin nicht ganz unschuldig an Air Berlins Problemen: Dass der BER bis heute nicht eröffnet hat, brachte die Planungen des Unternehmens stark durcheinander. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) wiederum dürfte die Möglichkeit wohlwollend prüfen, sich kurz vor einer Wahl als Retterin in der Not zu profilieren.
Doch sie entscheidet nicht allein. Die EU-Kommission würde eine Entscheidung überprüfen. Ihr wichtigster Maßstab lautet vereinfacht ausgedrückt, ob ein privates Unternehmen ebenso handeln würde wie die öffentliche Hand. Und das ist bei Air Berlin schwer darstellbar. Der Berliner EU-Abgeordnete Michael Cramer (Grüne) sagte am Montag: "Ich bin dagegen, dass die Steuerzahler für Air Berlin aufkommen." Beihilfen würden den Wettbewerb verzerren. "Ich glaube nicht, dass konkurrierende Fluggesellschaften das einfach hinnehmen würden."
Viel lieber würden sie Linien oder Flugzeuge der Air Berlin wohl übernehmen, zumindest teilweise.
"Eine öffentliche Bürgschaft würde den Wettbewerb im Luftverkehr verzerren."
Michael Cramer (Grüne), EU-Abgeordneter
"Unsere Liquidität ist bis Ende nächsten Jahres gesichert."
Ralf Kunkel, Air-Berlin-Sprecher