Von Arno Stoffels
Der ICE 3 ist für die Deutsche Bahn unentbehrlich. Mit einem Spitzentempo von 300 Kilometern pro Stunde ist er der schnellste Hochgeschwindigkeitszug in der DB-Flotte und wird vor allem auch auf der neuen Strecke Nürnberg—Berlin noch jahrelang gebraucht, auch wenn mit dem ICE 4 eine neue Generation bereits am Start ist.
Deshalb werden die 66 Züge nach 15 Jahren im Betrieb jetzt auch nach und nach im Werk Nürnberg für über 200 Millionen Euro modernisiert. Das ist schön, findet Michael Cramer. Was den Grünen-Politiker aber stört, der seit 2004 im Europäischen Parlament sitzt und dort jahrelang dem Verkehrsausschuss vorsaß, ist eine in seinen Augen verpasste Chance. Denn für Fahrräder wird auch nach der Frischekur kein Platz an Bord des ICE 3 sein. Und das, „obwohl ja im neuen ICE 4 die Fahrradmitnahme möglich ist“. Im neuen DB-Flaggschiff haben immerhin acht Zweiräder Platz. Damit sei der Staatskonzern dabei, einen Megatrend zu verschlafen, ist sich Cramer sicher.
Überall sei schließlich vom Ausbau der Radwege-Infrastruktur die Rede, von der wachsenden Bedeutung des Tourismus auf zwei Rädern. Aktuelle Zahlen des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub) belegen, dass kaum ein Urlaubssegment in Deutschland so dynamisch wächst. 5,2 Millionen Bundesbürger haben im letzten Jahr einen Radurlaub unternommen. 700 000 mehr als im Vorjahr. Das sorgt allein für jährlich über 30 Millionen Übernachtungen. Insgesamt werden nach ADFC-Schätzung rund drei Milliarden Euro für Hotels, Verpflegung und Kulturgenuss ausgegeben, die vor allem der lokalen Wirtschaft zugutekommen.
Die DB winkt ab
Laut einer Schweizer Studie geben Radtouristen täglich mehr als dreimal so viel aus wie Autoreisende. „Viele Radfahrer wollen nicht nur auf kurzen Distanzen mit dem Zug reisen“, ist sich Cramer sicher. Aber außer im Regional- und Nahverkehr sowie an Bord von IC- und EC-Zügen und neuerdings auch begrenzt im ICE 4 ist eine Fahrradmitnahme nicht möglich.
Der Streit darum ist nicht neu und die Bahn argumentiert wie in der Vergangenheit vor allem mit dem Zeitverlust, den das Ein- und Ausladen der Räder mit sich bringen würde. „Gerade in unserer ICE 3-Hochgeschwindigkeitsflotte haben wir aufgrund des Wettbewerbsvorteils von sehr attraktiven Reisezeiten auf bestimmten Teilstrecken schon heute nicht genügend Sitzplätze beziehungsweise wenig Stauraum für Gepäck“, so eine DB-Sprecherin.
Deshalb stünde bei der ICE 3-Modernisierung die „verbesserte Ausnutzung der Fahrgastbereiche für komfortabel gestaltete Sitzplätze in Verbindung mit ausreichendem Gepäckstauraum“ im Fokus. Zudem seien die Fahrradabteile „im Jahresdurchschnitt leider nur schlecht ausgelastet“. Viele der angebotenen Stellplätze würden nur während einzelner Tage am Wochenende im Sommer voll gebucht — und Kunden könnten bei klassischen Städtereisen vor Ort ja auch das DB-Mietfahrrad-Programm „Call a Bike“ nutzen.
Ein Blick über die Grenzen zeigt jedoch, dass es auch anders geht. Im österreichischen Railjet-Schnellverkehr gibt es spezielle Gepäckabteile für Fahrräder. Auch im Thalys und im Eurostar ist es grundsätzlich möglich, selbst nicht demontierte Räder aufzugeben. Im französischen TGV müssen Räder hingegen teilweise auseinandergeschraubt und so verkleinert werden. Und auch in den ICE-T-Zügen wurde einst von 1999 bis 2002 die Fahrradmitnahme zwischen Stuttgart und Zürich getestet, dann aber sang- und klanglos eingestellt. Seither hat aber auch die Politik ein Interesse daran, dass es die DB ihrer Kundschaft im Fernverkehr wieder ein wenig leichter macht und über mehr Angebote Nachfrage generiert.
Druck vom Bundesrat
Das EU-Parlament beschloss bereits vor zehn Jahren, dass die Fahrradmitnahme „in allen Zügen — auch in Hochgeschwindigkeitszügen“ möglich sein soll. Für den einschränkenden Zusatz in den DB-Fahrgastrechten „wenn es den Betriebsablauf nicht stört und leicht zu handhaben ist“ hätte sich die Bundesregierung auf Druck der Bahnspitze starkgemacht, so Cramer. 2008 forderte aber auch der Bundesrat die Deutsche Bahn dazu auf, „die Fahrradmitnahme in ihren ICE-Zügen schnellstmöglich umzusetzen und, wo möglich, die Züge dafür umzubauen. Bei Neuanschaffungen muss die Bahn Fahrradabteile gleich mit einplanen.“
Die DB „kann sich hier hinter niemandem verstecken, wenn sie den Fahrradtrend verschläft“, so Cramer. Und auch ADFC-Sprecherin Stephanie Krone ist sich sicher, dass mit dieser Haltung „eine sehr attraktive Kundengruppe verprellt wird“ und spricht von einem Eigentor. Schließlich hätte die scharfe Konkurrenz der Fernbus-Unternehmen sofort reagiert und biete die Fahrradmitnahme an. Umso unverständlicher sei es, dass der ICE 3 nicht nachgerüstet würde. „Moderner Fernverkehr geht anders“, so Krone.