Von Damir Fras
Autofahrer in Deutschland müssen sich darauf einstellen, demnächst eine Maut für die Benutzung von Bundesstraßen und Autobahnen bezahlen zu müssen.
Zumindest ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die geplante Abgabe von Herbst 2020 an eingeführt werden darf. Denn ein wichtiger Gutachter hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Mittwoch empfohlen, eine Klage Österreichs gegen die deutsche Pkw-Maut abzuweisen. Das Gutachten ist zwar nicht verbindlich, doch in der Vergangenheit folgte das Gericht in der Regel den Schlussanträgen des EuGH-Generalanwalts. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet.
Österreich klagt gegen das Prestigeprojekt der CSU aus dem Wahlkampf 2013, das Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im Oktober kommenden Jahres starten will. Die Maut soll für Bundesstraßen und Autobahnen kassiert werden. Fahrer aus dem Ausland müssen lediglich für die Benutzung von Autobahnen bezahlen. Dennoch argumentiert die Regierung in Wien, dass die deutsche Pkw-Maut ausländische Staatsbürger diskriminieren werde. Denn deutsche Autofahrer sollen die Auslagen für die Maut-Vignette über eine Reduzierung der Kfz-Steuer vollständig ersetzt bekommen.
Den Verdacht der Diskriminierung ließ EuGH-Generalanwalt Nils Wahl in seiner Stellungnahme nicht gelten. Die Klage Österreichs, die von den Niederlanden unterstützt wird, beruhe auf einem grundlegenden Missverständnis des Begriffs Diskriminierung. Fahrer im Ausland zugelassener Fahrzeuge seien, anders als Deutsche, niemals verpflichtet, die deutsche Kfz-Steuer zu entrichten. Auch könnten sie sich - im Gegensatz zu Deutschen - für eine günstigere Vignette mit kürzerer Laufzeit entscheiden und müssten so weniger bezahlen.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber, wirtschaftspolitischer Sprecher der konservativen EVP-Fraktion, reagierte erfreut auf das Gutachten aus Luxemburg. Es zeige, „dass die anhaltende Kritik einzelner Mitgliedstaaten, vor allem von unseren österreichischen und niederländischen Nachbarn, ungerechtfertigt und substanzlos ist.“ Ferber erklärte weiter: „Letztlich geht es doch darum, alle gerecht an der Finanzierung der Straßen auch in Deutschland zu beteiligen. Unser Mautsystem ist gerecht und sinnvoll.“
Dagegen blieben die Grünen bei ihrer Kritik an den Maut-Plänen. „Die deutsche Pkw-Maut ist europafeindlich und breitet den roten Teppich für nationale Alleingänge aus“, sagte Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament. Es sei nicht akzeptabel, dass für den umweltfreundlichen Schienenverkehr EU-weit eine streckenabhängige Maut erhoben werde, während nationale Alleingänge bei der Pkw-Maut geplant würden. Die Grünen wollen durchsetzen, dass auch für den Straßenverkehr eine EU-weite Mautregelung eingeführt wird. Das blockiere allerdings die Bundesregierung, so Cramer.
Von einem „falschen Signal“ sprach auch die SPD. „Ich hoffe sehr, dass der EuGH der Maut in ihrer derzeitigen Form eine Absage erteilen wird“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der Europa-SPD, Ismail Ertug: „Mit diesem diskriminierenden und bürokratischen Prestigeprojekt soll Geld in die deutsche Haushaltskasse fließen - nach aktuellen Schätzungen beliefen sich die Einnahmen aus der Maut auf 500 Millionen Euro. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man sich die Investitionslücke im Bereich unserer Infrastruktur ansieht.“