erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Rubrik Wirtschaft, S.16

enn. BERLIN, 18. November. Die Europäische Union will sich offenbar an den Kosten der Fehmarnbeltbrücke zwischen Dänemark und Deutschland mit einem Milliardenzuschuss beteiligen. "Das Projekt soll mit 25 Prozent aus Brüssel kofinanziert werden", war am Wochenende in Berlin zu hören. Deutschland und Dänemark hatten sich Ende Juni nach rund 15 Jahre langen Verhandlungen grundsätzlich über den Bau der 19 Kilometer langen Brücke geeinigt. Das Projekt soll 5,6 Milliarden Euro kosten, privat finanziert und durch eine Maut refinanziert werden. Für das Vorhaben will Dänemark zur Absicherung der Kredite eine Staatsgarantie über 4,8 Milliarden Euro gewähren. Der Bund übernimmt nur die 800 Millionen Euro teure Hinterlandanbindung auf deutscher Seite. Beide Regierungen hatten auf einen EU-Zuschuss in Milliardenhöhe spekuliert. Für den deutschen Schienenstrang wird es, anders als sich die Deutsche Bahn erhofft hatte, indessen keine gesonderten Mittel aus Brüssel geben.
Aus dem Europäischen Parlament, das an diesem Montag offiziell über die Pläne informiert werden soll, kommt heftiger Widerspruch gegen den Milliardenzuschuss für die Brücke. Der Grünen-Abgeordnete Michael Cramer nannte sie ein "Großprojekt von zweifelhaftem Nutzen". Die knappen EU-Mittel dürften nicht verschwendet, sondern müssten dort ausgegeben werden, wo der umwelt- und verkehrspolitische Effekt am größten sei, sagte Cramer dieser Zeitung. Für die Transeuropäischen Netze, die großen Verkehrsverbindungen, seien im EU-Haushalt bis zum Jahr 2013 acht Milliarden Euro eingeplant. Die beschlossenen 30 Vorhaben seien aber eine "reine Wunschliste nationaler Egoismen".
"Die Querung des Fehmarnbelt ist ein typisches Projekt des Kalten Krieges", sagte Cramer. Seit 1989 hätten sich aber in Europa die Verkehrsströme gewaltig verändert. Vom schwedischen Trelleborg gebe es heute täglich mehr als 10 Schiffsverbindungen nach Rostock und Sassnitz. Vom dänischen Gedser führen Fährschiffe im Zwei-Stunden-Takt nach Rostock. Seit 2000 gebe es ferner mit der Öresundbrücke eine feste Verbindung zwischen Deutschland, Dänemark und Schweden. Würde die Fehmarnbeltbrücke gebaut, würden die mit Milliardeninvestitionen modernisierten Häfen in Mecklenburg-Vorpommern und Südschweden absterben. "Nicht nur Ostdeutschland, ganz Osteuropa würde vom Nord-Süd-Verkehr der EU abgekoppelt." Da parallel zur Bahnverbindung auch eine Straßenbrücke gebaut werden solle, würde zudem die propagierte Verlagerung auf die Schiene nicht stattfinden.
Vergleiche man die Ostseehäfen, zeige sich, dass besonders in Rostock Personen- und Güterverkehr stark zugenommen hätten. Wie der Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin, Christian Wiesenhütter, betont, sind von Rostock aus die Mittelmeerhäfen inzwischen schneller zu erreichen als von Fehmarn. Anstatt in Rostock die Schienenanbindung des Hafens zu verbessern und die Strecke nach Berlin zu sanieren, solle an der alten Planung festgehalten und eine Brücke an der falschen Stelle gebaut werden.
Die Brücke bedeutet vor allem Konkurrenz für die Fährgesellschaft Scandlines, deren Haupteinnahmequelle der Betrieb der Fehmarnbeltverbindung ist. Nach Ansicht der Brücken-Befürworter werden Deutschland und der zentraleuropäische Markt durch die geplante Brücke aus Dänemark und Schweden deutlich schneller zu erreichen sein. Noch müssen die Lastwagen entweder die rund 160 Kilometer längere Verbindung über das dänische Festland oder eben die Fähre wählen. Die Überfahrt aber dauere rund 45 Minuten, hinzu komme Wartezeit beim Be- und Entladen des Schiffes. Cramer wendet ein, die Überfahrt sei angesichts der Neuregelung für Lenk- und Ruhezeiten für Lastwagenfahrer sogar attraktiver als die Brücke, weil Ruhezeiten eingehalten werden müssen.
Das letzte Wort über den Bau der Brücke ist noch nicht gesprochen. In Dänemark haben sich in einer Umfrage kürzlich 44 Prozent gegen und 39 Prozent für den Bau der Brücke ausgesprochen. Dort wird das Projekt wegen der deutschen Weigerung, sich in stärkerem Umfang an den Kosten zu beteiligen, zunehmend in Frage gestellt. Einen Einfluss auf den Fortgang könnte auch haben, dass einer der größten Befürworter, der dänische Verkehrsminister Flemming Hansen, nicht mehr im Amt ist. Nach einer Regierungsumbildung durch Ministerpräsident Anders Rasmussen musste er im September das Kabinett verlassen.
erschienen am 19.11.2007 in der FAZ, von Kerstin Schwenn