Neuer Streit um die Planung am künftigen Berliner Hauptstadtflughafen (BER): Die Europäische Kommission hat wegen der vorgesehenen Flugrouten ein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Die Behörde vermutet, dass gegen Umweltgesetze verstoßen wurde, wie ein Sprecher am Donnerstag in Brüssel sagte.
"Wir haben Beschwerden über den Brandenburg Berlin Airport erhalten, bei dem die Flugrouten ursprünglich 2004 begutachtet wurden", sagte der Sprecher von Umweltkommissar Janez Potocnik. Die aktuell geplanten Flugrouten seien jedoch andere als vor knapp zehn Jahren. "Wir würden sagen, dass man die aktuellen Flugrouten berücksichtigen muss, um die Umweltauswirkungen eines Flughafens zu bewerten." Nach vorläufiger Auffassung der Behörde verstößt Deutschland gegen zwei EU-Umweltgesetze.
Von anfliegenden oder startenden Flugzeugen könnten zum Beispiel die Lebensräume von Kranichen und Seeadlern betroffen sein, meint die Kommission. Auch bestimmte Arten von Schwänen und Sumpfhühnern könnten womöglich unter dem Luftverkehr leiden. Formal bezieht sich das EU-Verfahren dabei nicht allein auf den Berliner Flughafen, sondern auf ein allgemeines deutsches Gesetz zur Flugroutenplanung. Der Fall "könnte" demnach auch andere deutsche Flughäfen betreffen, beziehe sich derzeit aber nur auf die Berliner Planungen.
Schon in der Vergangenheit gab es Gespräche zwischen Brüssel und Berlin, um das Problem zu lösen. Ansprechpartner ist dabei das Verkehrsministerium von Peter Ramsauer (CSU). "Bis jetzt hat Deutschland mit uns nicht übereingestimmt", sagte der Sprecher des Umweltkommissars. Laut Kommissionskreisen stellte sich Deutschland bisher auf den Standpunkt, dass zwar das Flughafenprojekt selbst unter Umweltgesichtspunkten geprüft werden müsse. Die Flugrouten und deren Auswirkungen auf die Umwelt fielen aber nicht darunter.
Darum bekommt Berlin nun das sogenannte Auskunftsersuchen, mit dem offiziell ein EU-Vertragsverletzungsverfahren startet. Danach kann eine formale Rüge folgen und schließlich sogar eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Meistens kommt es aber nicht soweit, sondern die Konflikte werden früher beigelegt.
Deutschland will das Schreiben inhaltlich prüfen und dann der Kommission in der gesetzten Zweimonatsfrist antworten, hieß es aus EU-Kreisen. Das Bundesverkehrsministerium wollte sich unmittelbar nach der Entscheidung aus Brüssel nicht äußern.
Rückendeckung erhielt die Kommission von den Grünen aus dem EU-Parlament. "Die Kommission stellt zu Recht die Sicherheit des Flugverkehrs und den Schutz der Umwelt über die kurzfristigen Planungsbelange der Flughafenbetreiber. Es ist selbstverständlich, dass bei einer substantiellen Änderung der Routen eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgen muss", erklärte deren verkehrspolitischer Sprecher, Michael Cramer.
Die Inbetriebnahme des BER wurde bislang viermal verschoben. Grund sind unter anderem massive Mängel an der Brandschutz-Anlage. Zurzeit ist offen, wann an dem neuen Flughafen die ersten Maschinen starten und landen können. Der brandenburgische Ministerpräsident und BER-Aufsichtsratschef Matthias Platzeck (SPD) hat angekündigt, er wolle noch in diesem Jahr einen neuen Eröffnungstermin für den Flughafen nennen. Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn strebt eine Öffnung in Etappen an