EU-Verfahren gegen Deutschland wegen BER

30. Mai 2013 zur Übersicht

Ein Artikel von Sabine Beikler und Elisa Simantke, erschienen im Tagesspiegel online am 30.5.2013

Der neue Hauptstadtflughafen macht wieder Ärger. Grund sind die möglichen Folgen geplanter Flugrouten für die Umwelt. Brüssel vermutet, dass Deutschland diese nicht genug prüft. Die Bundesregierung muss sich nun erklären.

Dem pannengeplagten Berliner Hauptstadtflughafen BER droht nun auch Ungemach aus Brüssel: Die EU-Kommission eröffnet ein Verfahren wegen Verletzung europäischen Rechts gegen Deutschland. Deutschland müsse bei der Planung von Flugrouten die Folgen für Natur und Umwelt prüfen, sagte der Sprecher von EU-Umweltkommissar Janez Potocnik am Donnerstag in Brüssel.

„Es geht um zwei Aspekte der deutschen Luftfahrtgesetzgebung“, erklärte der Sprecher. „Wir würden behaupten, dass man die tatsächlichen Flugrouten berücksichtigen muss, um die Umweltauswirkungen eines Flughafens zu beurteilen.“ Die Brüsseler Behörde hatte Beschwerden zum neuen Berliner Hauptstadtflughafen erhalten: Demzufolge hätten die Planer die Flugrouten im Nachhinein geändert, ohne erneut Auswirkungen auf die Umwelt zu untersuchen. Gegen die geänderten Flugrouten waren Gegner massiv vorgegangen. Sie befürchten Lärm- und andere Umweltbelastungen.

„So wie die Dinge stehen, würden wir Deutschland sagen, dass es Teile seiner Gesetzgebung gibt, die EU-Umweltrecht nicht respektieren“, sagte der Komissionssprecher. „Wir würden von ihnen erwarten, dass sie ihre Gesetzgebung so ändern, dass sie kompatibel mit der EU-Gesetzgebung wird.“

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sagte in der spontanen Fragestunde des Berliner Abgeordnetenhauses, dass es sich um ein Verfahren handele, in dem die Bundesrepublik Deutschland die Trägerin sei. "Dieser inhaltliche Streit ist länger anhängig. Die Bundesrepublik Deutschland wird in dem Verfahren ihren Standort vertreten. Das wird nicht zum Schaden des Standortes BER sein." Wowereit sagte, der Bund habe einen "vernünftigen Standpunkt". Zuständig für die Flugrouten seien die Bundesbehörden.

Flughafensprecher Ralf Kunkel verwies auf das Bundesverkehrsministerium und sagte: „Auf die Fertigstellung des BER hat das keinen Einfluss.“ Es gehe um grundsätzliche Fragen der Flugroutenfestlegung.

Auch die brandenburgische Staatskanzlei sieht sich nicht in der Verantwortung: "Von dem Verfahren sind das Land Brandenburg und die Flughafengesellschaft formal nicht betroffen. Wir haben aber selbstverständlich trotzdem ein großes Interesse an der Klärung einer solchen Grundsatzfrage des europäischen Flugrechts".

Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament, begrüßte die Entscheidung der EU-Kommission ein Verfahren einzuleiten. "Die Kommission stellt zu Recht die Sicherheit des Flugverkehrs und den Schutz der Umwelt über die kurzfristigen Planungsbelange der Flughafenbetreiber." Es sei selbstverständlich, dass bei einer substantiellen Änderung der Routen eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgen müsse. Die Flugrouten würden über empfindliche Biotope verlaufen. "Das ist nicht nur gefährlich für die Natur, sondern auch für die Passagiere im Flugzeug", sagte Grünen-Politiker Cramer.

Die Bundesregierung hat nun zwei Monate Zeit, Stellung zu beziehen. Wenn sich die Bundesregierung und die EU-Kommission nicht gütlich einigen, kann die Brüsseler Behörde den Fall vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg bringen. Das oberste EU-Gericht kann am Ende auch mit Zwangsgeldern Druck machen.