EU-Parlament lehnt längere Arbeitszeiten für Piloten ab

01. Oktober 2013 zur Übersicht

Laut einer Studie ist die Hälfte der Piloten schon mal im Cockpit eingeschlafen. Dennoch wollte Brüssel die Arbeitszeiten lockern. Ein Artikel von Anja Ingenrieth, erschienen in der Rheinischen Post am 01.10.2013.

Brüssel Umstrittene EU-Pläne zu neuen Flugdienstzeiten für Piloten drohen am Widerstand des Europa- Parlaments zu scheitern. Der Verkehrsausschuss lehnte gestern den Vorschlag der EU-Kommission ab. Das Plenum könnte ihn nun endgültig beerdigen.

 

Pilotenvereinigungen laufen seit Monaten Sturm gegen die Pläne der Kommission. Die Vereinigung Cockpit und der Dachverband Eurocockpit warnen vor Übermüdung am Steuerknüppel und einer „Gefahr für die Flugsicherheit“. Die Pläne erlaubten es, dass Fluggesellschaften ihre Besatzung elf Stunden bei Nachtflügen einsetzen können, obwohl Wissenschaftler maximal zehn Stunden für vertretbar halten. Die Kombination von Bereitschafts- und Flugdienstzeit führe in Extremfällen zu Arbeitszeiten von bis zu 22 Stunden, so die Verbände. Sie verweisen auch auf eine Studie der britischen Pilotenvereinigung Balpa, wonach die Hälfte aller Piloten schon mal im Cockpit eingeschlafen ist. Erst vor einer Woche wurde ein Vorfall in einer britischen Passagiermaschine bekannt, in der bei einem Langstreckenflug beide Piloten einnickten – und die Maschine eine Stunde auf Autopilot flog.

 

Entsprechend zufrieden sind die Piloten nun mit der Entscheidung des EU-Parlaments. „Der Verkehrsausschuss hat heute demonstriert, dass Sicherheit vor monetäre Interessen gestellt werden kann und muss“, kommentierte der Präsident der Vereinigung Cockpit (VC), Ilja Schulz, das Votum.

 

Die EU-Kommission wirft der Piloten-Lobby dagegen Panikmache vor. Die Debatte dürfe nicht auf Grundlage von „irreführenden Schreckgeschichten und falschen Behauptungen“ geführt werden, sagte EU-Verkehrskommissar Siim Kallas. Es gehe darum, europäische Mindeststandards für Arbeits- und Bereitschaftszeit zu setzen. Seinen Vorschlägen zufolge würde für die Bereitschaftszeit am Flughafen und die anschließende Arbeitszeit am Steuer eines Flugzeuges zusammen genommen eine Obergrenze von 16 Stunden gelten. Bei Nachtbereitschaften außerhalb des Flughafens sollten Piloten schlafen, deshalb käme es nicht zu Wachperioden von 22 Stunden.

 

Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer warf der EU-Kommission vor, vor den Interessen der Airlines eingeknickt zu sein. Die Nachtregelung von elf statt zehn Stunden etwa solle ermöglichen, dass Strecken wie von Frankfurt nach Miami mit zwei statt drei Piloten geflogen werden dürften. „Dabei würde laut Studien ein weiterer Pilot an Bord auf Langstrecken jeden Passagier gerade einmal zwei Euro mehr kosten, so Cramer. Er hält die Kommissionspläne für verantwortungslos und will sie im Parlament endgültig kippen. Das Votum gestern sei ein wichtiger Etappensieg.

 

Für deutsche Piloten beträgt die maximale Zeit für Flüge inklusive Vor- und Nacharbeiten derzeit 14 Stunden, im Ausnahmefall auch 15 Stunden. Nachts liegt die Zeitgrenze bei 11 Stunden, im Ausnahmefall bei 11 Stunden und 45 Minuten.