Das heißt: Kein EU-Staat wird verpflichtet, seine Straßen gebührenpflichtig zu machen. Wenn sich eine Regierung aber dazu entscheidet, muss das System für die Erhebung der Maut entfernungsabhängig sein. Und die Einnahmen aus der Maut sollen dem Ausbau der Straßen zugute kommen. Eine spezielle Maut für überlastete Straßen und Verkehrsstaus (congestion charge) lehnten die Abgeordneten ab.
Vereinheitlichte Systeme
In einer zweiten Abstimmung votierte der Ausschuss für die Harmonisierung der unterschiedlichen Techniken bei der Mauterhebung auf Europas Straßen. Für den zuständigen Berichterstatter, den konservativen Italiener Massimiliano Salini, ist das „ein positiver Schritt für viele Trucker in Europa“. Endlich würden die Mautsysteme in der EU vereinheitlicht.
Der Verkehrsausschuss stimmte außerdem dafür, dass Staaten, die eine Straßengebühr für Nutzfahrzeuge erheben, die Unternehmen steuerlich entlasten dürfen, um Doppelbelastungen zu verhindern.
Der deutsche Abgeordnete der Grünen, Michael Cramer, würdigt, dass die EU-Staaten die Möglichkeit erhalten, „in bergigen Regionen, in denen Einwohner und Umwelt besonders gefährdet und Infrastrukturkosten für Tunnel und Brücken hoch sind“, den Mautbetrag heraufsetzen können.
Verbände begrüßen mehr Gerechtigkeit
In ersten Reaktionen der Verbände lobt die Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) das Abstimmungsergebnis. Das Votum für entfernungsabhängige Straßengebühren bedeutet, dass LKW und Lieferwagen für die Emissionen zahlen, die sie verursachen. T&E würdigt ausdrücklich die Differenzierungsmöglichkeiten bei der Mauterhebung: Bei Dreckschleudern kann die Straßengebühr mit einem Malus erhöht, bei sehr sauberen mit einem Bonus gesenkt werden.
Freude löst das Abstimmungsergebnis auch bei der Bahnlobby CER aus. Deren geschäftsführender Direktor Libor Lochman sieht darin den Versuch des EP-Verkehrsausschusses, das bestehende Ungleichgewicht zwischen der Bahn, deren Streckennutzung komplett gebührenpflichtig ist, und den nur zu einem sehr geringen Anteil bemauteten Straßen aufzuheben.
Iru ist enttäuscht
Widerstand kommt hingegen von der Internationalen Straßentransportunion (Iru). Sie hatte lange intensiv dafür gekämpft, dass den EU-Staaten die Wahl gelassen wird zwischen einem entfernungs- und einem zeitbasierten Mautsystem. Iru weist deshalb die „unfaire Behandlung der Straße“ durch den Verkehrsausschuss zurück. Der Leiter des Brüsseler Iru-Büros, Matthias Maedge, spricht von einem „enttäuschenden Abstimmungsergebnis“. Er hofft, dass die Verkehrsminister der EU-Mitgliedstaaten und das Plenum des EP die Ausschussentscheidung korrigieren werden.