6800 Kilometer lang war einst der "Eiserne Vorhang", der Europa in Ost und West teilte. Die Strecke wird nun Touristenpfad - und die EU gibt Finanzhilfen.
VON KARL-HEINZ BAUM
Am 2. Mai 1989 durchschnitten Ungarns Grenzsoldaten den Stacheldraht zum Nachbarn Österreich und leiteten so das Ende des Kommunismus in Europas Osten ein. Touristen können die Strecke entlang des ehemaligen "eisernen Vorhangs" ablaufen.
Mauer und Stacheldraht, Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen, Wachturm - Schlagsdorf, ein mecklenburgisches Dorf nahe der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein (nahe dem Ratzeburger See), hat die einstigen Grenzanlagen nachgestellt. Für alle, die von der Ostsee, von Priwall nördlich Lübeck, auf dem einstigen Grenzweg wandern oder fahren, erinnert Schlagsdorf als erster Ort mit dem "Grenzhuus" an die deutsche Teilung. Das Dorf lag einst im DDR-Sperrgebiet.
Michael Cramer, Europaabgeordneter der Grünen, fuhr unlängst auf den Weg von Priwall Richtung Süden, kam bis Lauenburg an der Elbe. Ihn wundert: "Auf der ganzen Strecke sagt kein Schild, keine Tafel - von Schlagsdorf abgesehen - hier war die blutige Grenze durch Deutschland und Europa." Auf seiner Karte ist der Rad- und Wanderweg als "EDDG" angegeben, was "Erinnerungsweg deutsch-deutsche Grenze" heißen soll.
Dabei hat der Bundestag im Dezember 2004 beschlossen, den 1400 Kilometer langen Weg am einstigen "Eisernen Vorhang" von Priwall bis Hof in Bayern "zu schützen und für den sanften Tourismus zu erschließen". Das EU-Parlament in Straßburg zog vergangenen Herbst nach und befürwortete einen "Iron Curtain Trail" von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer. Der deutsche "Mauerweg" ist jetzt Teil eines europäischen Projekts. Für den Ausbau stehen ab Juli Mittel bereit. Für ostdeutsche Gemeinden sind bei Vorhaben am "Iron Curtain Trail" bis zu 90 Prozent Förderung möglich.
In Deutschland können sich Radfahrer und Wanderer schon auf den 1400 Kilometern tummeln, mal auf dem Kolonnenweg der DDR-Grenztruppen, zuweilen weiter weg von der einstigen Grenze. Die zwölf EU-Staaten an der Route und weitere sieben EU-Anrainer bauen eifrig. Die Küstenwege der baltischen Staaten und Polens sowie der Weg an Tschechiens Grenze sind fertig, ebenso große Teile an Bulgariens und Rumäniens Grenzen. Gesucht wird noch ein europäisches Logo.
Cramer störte bei seiner Radtour: Leute, die ihm begegneten, lobten zwar die Idylle, aber nur wenige wussten, warum es gerade diesen Weg gibt. Dabei stoße man doch, sagt er, auf diesem Weg hautnah auf Geschichte, Politik und Kultur des 20. Jahrhunderts.
In Deutschland gibt es mehrere Grenzmuseen: in Böckwitz/Zicherie, am einstigen Grenzübergang Helmstedt/Marienborn, wo sich so viele Fluchtdramen abspielten, ein paar Kilometer südlich in Hötensleben mit 350 Metern Originalmauer in der Stadt, im Eichsfeld bei Duderstadt/Teistungern, am Point Alpha in der Rhön zwischen Rasdorf und Geisa oder in Mödlareuth, dem einst durch eine - zum Teil erhaltene - Mauer geteilten Dorf. Der Pfad führt auch am Brocken vorbei, dem Berg im Harz, der vor allem am Tag der Einheit Ziel Zehntausender ist.