Das unsichtbare Gas Ozon ist giftig - schon geringe Mengen gelten als gesundheitsgefährdend. Eine neue US-Studie aus dem Juli 2013 führt auf, dass jährlich etwa 470.000 Menschen an den Folgen hoher Ozonkonzentration sterben.
Ozon-Warnungen dank Katalysatoren seltener geworden
Am Boden gilt daher: Steigt die Ozonkonzentration in der Luft auf 180 Mikrogramm, dann muss zwingend in den betroffenen Gemeinden und Städten eine Ozon-Warnung ausgelöst werden. Die Bevölkerung wird informiert, anstrengende Tätigkeiten und Sport sind zu vermeiden.
Bei mehr als 240 Mikrogramm folgt die nächste Stufe: Ozon-Alarm. Hierbei kommt es zu massiven Einschränkungen wie z.B. Geschwindigkeitsbegrenzungen für den Straßenverkehr, bis hin zu Fahrverboten. Dank des Einbaus von Katalysatoren und schärferen Abgaswerten für die Autoindustrie seit Mitte der 90er Jahre sind solche Maßnahmen jedoch in Deutschland seltener geworden.
Studien zeigen: Ozon kann Erbmaterial verändern
Im europäischen Luftverkehr sieht es anders aus: Flugzeuge saugen die Atemluft für die Kabine von Außen an und leiten sie in die Kabine. So gelangt auch giftiges Ozon ins Innere des Flugzeuges und wird von den Insassen eingeatmet. Gerade in normalen Reiseflughöhen kann Ozon sehr konzentriert vorkommen. Obwohl Fluggesellschaften und Herstellern diese Umstände seit Jahrzehnten bekannt sind, sehen sie offenbar keine Notwendigkeit für Präventionsmaßnahmen.
Dabei warnen Wissenschaftler, Mediziner und andere Experten wie beispielsweise Prof. Dr. med. Heinz-Erich Wichmann vom renommierten Helmholtz Zentrum in München seit Jahren: „Ozon wird eingeatmet und kann in den tiefen Atemwegen dazu führen, dass es zu Reizungen kommt, zu Husten-Attacken und Atembeschwerden, insbesondere bei Asthmatikern und zusätzlich steht Ozon im Verdacht, krebserzeugend zu sein.“ Jüngere medizinische Studien belegen auch, dass Ozon das Erbmaterial verändern kann. Als besonders gefährdet für Folgeerkrankungen durch Ozon gelten Personen mit Lungenschädigungen sowie Babys, Kleinkinder, Senioren, Vielflieger und natürlich das fliegende Personal wie Piloten und Flugbegleiter.
Airlines sind zurückhaltend beim Einbau von Filtern
Dabei kann man Ozon sehr einfach und effektiv filtern: Ein weltweit führender Anbieter solcher Filter-Systeme ist zum Beispiel das Ludwigshafener Unternehmen BASF. Die hier bereits in den 80er Jahren eingeführten Ozon-Konverter filtern das giftige Ozon aus allen gängigen Flugzeugtypen. Nicht komplett, aber der Ozonwert kann so deutlich gesenkt werden. Der Listenpreis liegt bei etwa 8.000 Euro pro Stück. In der Regel wird pro Triebwerk ein Konverter benötigt. Für eine Maschine vom Typ Airbus A320 oder Boeing 737 wären das Kosten von knapp 16.000 Euro pro Flugzeug.
Recherchen des „Bericht aus Brüssel“ ergaben, dass die Airlines freiwillig nur ihre gängigen Langstreckenflugzeuge serienmäßig mit solchen Konvertern ausgestattet haben. Viele Kurz- und Mittelstreckenmaschinen, darunter auch erst kürzlich in Dienst gestellte Flugzeuge verfügen hingegen über keine Konverter.
Lobbyverband tritt nicht vor unsere Kamera
Keine deutsche Airline wollte sich uns gegenüber zu diesem Thema äußern. Auffallend einhellig verwiesen Lufthansa, Air Berlin, TuiFly und Condor unsere Anfragen an den Bundesverband der deutschen Luftfahrtindustrie (BDL) in Berlin. Doch auch dort wollte sich niemand vor der Kamera Stellung beziehen. Konkrete Fragen zum aktuellen Ausrüstungsstand deutscher Airlines mit Ozonkonvertern blieben unbeantwortet.
Der Lobbyverband argumentiert mit der aktuellen Gesetzeslage und verweist an die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA). Per E-Mail teilte man uns mit: „In Deutschland gibt es zurzeit keinen Grenzwert für Ozon in Flugzeugen und die Europäische Flugsicherungsbehörde EASA sieht keine Beeinträchtigung der Sicherheit.“
Nur neuzugelassene Flugzeuge sind den Grenzwerten unterworfen
Offenbar übersieht der BDL hier jedoch, dass es bei dem Thema „Ozon in der Kabinenluft“ weniger um die Sicherheit des europäischen Luftverkehrs, als um die Gesundheit von Passagieren und Besatzungen geht. Das ist zumindest die Ansicht Nicoley Baublies, Chefsteward bei einer großen deutschen Fluggesellschaft und Vorsitzender der Gewerkschaft der Flugbegleiter UFO. Gegenüber dem "Bericht aus Brüssel" sagt er: „Die ganzen gängigen älteren Modelle mit den wir auch alle noch ne ganze Weile fliegen, die werden bei Lufthansa, Condor, Air Berlin eingesetzt, auch bei TuiFly, das ist die 320 Familie von Airbus aber auch die Boeing 737, die sind von dieser Vorschrift ausgenommen, obwohl wir auch hier längst durch Messungen, dass hier Grenzwerte überschritten werden.“
Hier bezieht sich Baublies unter anderem auf ihm vorliegende Messungen der Berufsgenossenschaft Verkehr (BG-Verkehr) aus den vergangenen Jahren. So wurden beispielsweise auf einem Condor Mittelstrecken-Flug im Mai 2011 von Hurghada nach Hamburg Werte von 200 bis über 500 Mikrogramm Ozon in der Kabinenluft gemessen. Hiervon unabhängige Untersuchungen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Jahr 2009 hatten ergeben, dass das Ozon in der Kabinenluft hauptsächlich an den Oberflächen von Sitzen, Kabinenverkleidungen aber auch den Textilien und den Schleimhäuten der Insassen reagiert.
In den USA gelten schon lange verbindliche Grenzwerte...
Ganz anders verhält sich die Situation hingegen in den USA: Dort gelten bereits seit 1980 verbindliche Ozon-Grenzwerte für Verkehrsflugzeuge: Während eines Drei-Stunden-Intervalls darf der Ozonwert von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bei Flügen oberhalb eine Flughöhe von 8.230 Metern nicht überschritten werden. Fliegt ein Flugzeug höher als 9.750 Meter darf der Grenzwert von 500 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft zu keinem Zeitpunkt überschritten werden. Diese Vorschriften haben ausdrücklich Gesetzescharakter und sind für alle in den USA registrierten Flugzeuge und deren Betreiber verbindlich.
Doch der Grenzwert in der Luft ist sehr hoch angesetzt. Nochmal zum Vergleich: Bei 240 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter muss in Europa am Boden bereits Ozon-Alarm ausgelöst werden.
...die EU hat sie erst 2006 übernommen
Erst 2006 hat auch die EU die US-Grenzwerte für Flugzeuge übernommen. Allerdings wurden sie von der EASA nur für die ganz neuen Flugzeugtypen, die seitdem zugelassen wurden bzw. noch werden, in den neuen europäischen Vorschriften verankert. Ältere Flugzeugtypen sind ausdrücklich ausgenommen. Für den UFO-Vorsitzenden Nicoley Baublies völlig unverständlich: „Da wird auf dem Rücken unserer Passagiere und Besatzungen an nachweislich gesundheitsrelevanten Dingen gespart und die Airlines werden von den politisch Verantwortlichen in Schutz genommen.“
Das erzürnt auch den Europa-Abgeordneten Michael Cramer. Seit 2004 ist er Sprecher für die Fraktion der Grünen im europäischen Verkehrsausschuss. Gegenüber unserer Sendung sagt er: „Wenn ich bedenke, dass der europäische Steuerzahler jedes Jahr den Airlines 30 Milliarden Euro schenkt, jedes Jahr, weil keine Kerosin- und keine Mehrwertsteuer erhoben wird, im Gegensatz zu den Bahnkunden, die das alles bezahlen müssen. Also wer bei solch einer Subvention, 30 Milliarden jedes Jahr, wegen 8.000 oder 16.000 Euro sagt, das ist zu viel Geld, der hat die Welt nicht verstanden, der müsste sofort aus dem Verkehr gezogen werden.“ Von diesen 30 Milliarden Euro entfallen übrigens 12 Milliarden Euro allein auf die deutschen Steuerzahler.
Autor: Tim van Beveren