BBI Flughafen-Ausbau, erschienen in der Broschüre Berlin Brandenburg International

Das Eisenbahnkonzept wurde festgelegt, als der Flughafenstandort noch nicht bekannt war. Anstatt das Ringkonzept auszuwählen, das alle drei damals in der Diskussion befindlichen Standorte für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI) hätte integrieren können (Sperenberg, Jüterbog, Schönefeld), entschieden sich CDU und SPD seinerzeit für das Pilzkonzept, das Schönefeld links liegen ließ. So wurden in Berlin Milliarden ausgegeben, um eine bestehende Anbindung zum Flughafen zu zerstören. In Frankfurt am Main wurden Milliarden investiert, um Flughafen und ICE-Verkehr zu integrieren.
Nach dem Fall der Mauer fuhren alle nach Süden verkehrenden Fernzüge über Stadtbahn und Außenring und hielten in den Bahnhöfen Zoologischer Garten, Ostbahnhof und Flughafen Schönefeld. Neben Frankfurt am Main war Berlin-Schönefeld der einzige Flughafen, der in das Eisenbahnnetz integriert war. Seit Inbetriebnahme des Nord-Süd-Tunnels mit dem neuen Hauptbahnhof fahren die Züge an Schönefeld vorbei. Auch die Milliarden-Investition für den neuen Flughafen-Bahnhof wird daran nichts ändern.
Das derzeitige Konzept sieht vor, abzweigend vom Berliner Außenring Fernverkehrs- und S-Bahn-Gleise zu einem Tunnel unter dem neuen Flughafen BBI zu führen und in einem Tunnelbahnhof unter dem neuen Terminal enden zu lassen, der für die S-Bahn dauerhaft und für Fern- und Regionalzüge zunächst als Kopfbahnhof realisiert werden soll. Später - wann immer das ist - soll der Fern- und Regionalverkehr eine Durchbindung nach Osten zur Görlitzer Bahn erhalten.
Das Problem besteht darin, dass der künftige Flughafen BBI nicht unmittelbar an einer der nach Berlin hineinführenden Radialstrecken der Bahn liegt, sondern am Berliner Außenring, der durch den Nord-Süd-Tunnel aufs Abstellgleis geschoben wurde. Deshalb fährt kein aus der Ferne oder aus dem Land Brandenburg nach Berlin fahrender Zug über den heutigen Flughafen-Bahnhof Schönefeld. Eine Verbindung von der Berliner Stadtbahn zum Flughafen herzustellen und einigen Kommunen in Brandenburg eine umsteigefreie Verbindung zum Flughafen zu ermöglichen, gelingt nur - wie bei RB 14 und RE 7 - durch gezielte Umwegfahrten.
Die geplante Neubaustrecke mit dem Tunnelbahnhof ist eine Parallelstrecke zum südöstlichen Abschnitt des Berliner Außenrings. Deshalb bleibt der strukturelle Mangel, nämlich die Lage am Außenring statt der Anbindung an eine Radiale, auch nach Realisierung der Neubaustrecke zum neuen Flughafen BBI erhalten. Damit verlängert sich die Fahrzeit für die Mehrheit der Reisenden, die nicht zum Flughafen will, in der Regel um mindestens 10 Minuten.
Das Potenzial an Reisenden, die mit Fernzügen zum Flughafenbahnhof fahren werden, ist gering. Deshalb haben die bis zur Eröffnung des Tiergartentunnels über Schönefeld verkehrenden Züge Berlin?Leipzig am Flughafenbahnhof überwiegend nicht gehalten. Das wird sich mit Inbetriebnahme des BBI nicht wesentlich ändern, weil auch ein Flughafen mit 20 Mio. Fluggästen pro Jahr keine Auslastung für Fernzüge bedeutet. Außerdem wäre diese Möglichkeit erst nach dem Bau der Ostanbindung des neuen Bahnhofs möglich, die bisher aber noch nicht planfestgestellt ist. Zudem sind Shuttle-Verkehre teuer, nicht nur beim Bau sondern auch in der Unterhaltung. Eigenwirtschaftlich wird sich kein Flughafen-Shuttle rechnen, weshalb die Bahn auf verbindlicher Bestellung und Finanzierung für mindestens 20 Jahre besteht.
Auch bei 20 Millionen Flugpassagieren im Jahr gäbe es pro Stunde durchschnittlich nur rund 500 Fahrgäste. Diese verteilen sich auf Shuttle-Verkehr, S-Bahn und Busse. Selbst wenn man noch Begleitpersonen und Berufspendler hinzu zählt, wäre ein Fernverkehrs-Angebot wirtschaftlich nicht tragfähig.
Deshalb sieht die gegenwärtige Planung vor, dass die Mehrzahl der Fluggäste mit dem geplanten Shuttle vom Berliner Hauptbahnhof zum Flughafen fährt. Wenn aber schon ein Shuttle nötig ist, warum dann ein neuer Flughafen-Bahnhof mit neuer Streckenführung? Denn schon heute ist der Flughafen über Stadtbahn und Außenring erreichbar - und zwar nicht nur vom Hauptbahnhof, sondern auch von Zoo und Ostbahnhof.
Zudem soll die heute am Flughafenbahnhof Schönefeld endende S-Bahn in einer über 6 km langen Schleifenfahrt (wie viel im Tunnel ? ?) über Waßmannsdorf zum BBI verlängert werden. Vom Bahnhof Zoo dauert die Fahrt eine knappe Stunde - attraktiv ist das nicht. Sinnvoller wäre es, die S-Bahn auf dem kürzesten Weg von Lichtenrade über den Außenring zum Flughafen zu verlängern. Dann hätte auch der Süden Berlins eine schnelle und attraktive Anbindung zum Flughafen. Diese Alternative wäre auch erheblich kostengünstiger, weil die vier Gleise kaum ausgelastet sind.
Wenn schon die Integration des Flughafens durch die Entscheidung für das Pilzkonzept verhindert wurde, muss nun die zweitbeste Lösung gefunden werden. Der vorhandene Flughafen-Bahnhof Schönefeld ist etwa 2 km Luftlinie vom geplanten neuen Terminal entfernt. Deshalb braucht man einen Zubringerverkehr, der auf vielen Flughäfen - auch bei solchen mit Fernbahnhof - im Einsatz ist. Statt eines 15-Minuten-Taktes für den Fernverkehrs-Shuttle ist ein 2-Minuten-Takt für den sogenannten Peoplemover die bessere Variante. Zudem könnten beim Flughafen BBI so auch mehrere Haltepunkte eingerichtet werden.
Würde der Peoplemover dann auch noch mit dem zum ICE-Halt ausgebauten R-Bahnhof Blankenfelde auf der Dresdener Bahn verbunden - er ist 16 km vom Bahnhof Südkreuz entfernt - wäre der Flughafen in den Fernverkehr wenigstens einer Radialen integriert.
Der Fahrgastverband IGEB hat zum Bahnhofs-Neubau ein bemerkenswertes Alternativ-Szenario vorgelegt, das gegenüber dem geplanten Bahnhof enorme Vorteile hätte. Die Integration des Flughafens in das Eisenbahnkonzept ist aus der beiliegenden Skizze ersichtlich - und auch der Unterschied zum Senats-Konzept. Denn der bestehende Bahnhof kann sofort nicht nur von Westen, sondern auch von Osten mit Fern-, Regional- und S-Bahn-Zügen angefahren werden und ist für die unterschiedlichsten Linienkonzepte flexibel nutzbar. Im Gegensatz zum geplanten Tunnelbahnhof kann er auch von Zügen mit Dieselantrieb genutzt werden und statt eines Shuttle-Verkehrs nur nach Berlin Hauptbahnhof gäbe es Regionalverkehrslinien in alle Richtungen.
Mit nur kleinen Umwegfahrten wäre es möglich, Regionalverkehrslinien aus Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt über den Flughafenbahnhof zu führen und somit zahlreichen Fernreisenden und Berufspendlern eine umsteigefreie Direktverbindung nach Schönefeld zu bieten.
Diese Bündelung von Regionalverkehrsangeboten im VBB-Tarif entspräche auch den Forderungen der Berliner Bezirke. Der Ostteil Berlins erhielte über Hohenschönhausen, Lichtenberg, Ostkreuz und Schöneweide eine Tangente, die mit Sicherheit nicht nur für Flugreisende attraktiv ist. Viele brandenburgische Gemeinden im Nord-Ost-Berliner Raum, die sich bei der derzeitigen Planung zu Recht "abgehängt" fühlen, erhielten umsteigefreie Direktverbindungen. Und wenn beim Ausbau der Dresdener Bahn - analog zur Anhalter Bahn mit dem Regionalbahnhof Lichterfelde Ost - wenigstens ein zusätzlicher Regionalbahnhof Buckower Chaussee gebaut würde, hätte man bei diesem Konzept für weniger als die Hälfte der Kosten einen mehr als verdoppelten verkehrlichen Gewinn.
Als Gegenargument wird immer angeführt, dass der neue Flughafen-Bahnhof planfestgestellt sei. Das ist richtig - aber das spielte bei der Straßenbahn in die Wissenschaftsstadt Adlershof ebenso keine Rolle wie bei vielen Projekten, die wegen fehlender Finanzen nicht gebaut werden konnten. Während mit dem Bahnhofsneubau noch nicht einmal begonnen worden ist, wurden beim Bau des Hauptbahnhofs Planungsänderungen sogar noch während der Bauzeit realisiert. Dass beim Hauptbahnhof kurzerhand auf den Bahnhof der S 21 verzichtet oder das Dach verkürzt wurde, zeigt, dass es einen rechtlichen Weg gibt, wenn der politische Wille vorhanden ist.
Deshalb sind alle Beteiligten - insbesondere die Bundesregierung und die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg - aufgefordert, das von der IGEB entwickelte Konzept zu prüfen und die verkehrlichen und finanziellen Vorteile genau abzuwägen. "Die Planung ist fertig" kann bei einem Milliardenprojekt nun wahrlich kein überzeugendes Argument sein.