Gut 28 Jahre stand die Mauer, in diesem Jahr ist sie 30 Jahre weg. Wo sie einst war, entstand der Mauerradweg, einmal rund um den einstigen Westteil Berlins auf 160 Kilometer. Doch an einer Stelle gibt es seit fast 30 Jahren keine Lösung: Hinter Lichtenrade fehlt eine Unterführung unter dem S-Bahn-Gleis, seit fast 30 Jahren müssen Radfahrer und Spaziergänger einen kilometerlangen Umweg machen - durch Lichtenrade. Und zwar über Kopfsteinpflaster. Seit fast 30 Jahren streiten die Beteiligten vor allem ums Geld, aber auch über den Nutzen und manchmal nur ums Prinzip. Am 9. Mai soll nun die letzte fehlende Entscheidung fallen. An diesem 9. Mai stimmt die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow darüber ab, ob sie die Unterhaltungskosten übernimmt.
Der grüne Europaabgeordnete Michael Cramer kämpft seit Jahrzehnten für den Mauerradweg, und vor allem für den Tunnel unter der Dresdner Bahn. Diese soll bekanntlich ausgebaut werden, neben dem Gleis der S-Bahn entstehen bis 2025 zwei weitere für Fernzüge. Cramer ist Realist: „Wenn der Tunnel jetzt nicht kommt, dann kommt er nie.“
Dabei ist die restliche Finanzierung mittlerweile gesichert. 2010 hatte der Senat die Baukosten von 1,2 Millionen Euro übernommen. Brandenburg, das jahrelang das Thema blockierte, gab irgendwann nach - aber nicht ganz. Das Land übernimmt die Unterhaltung des Bauwerks - aber nur von oben. Es geht um etwa 250 000 Euro in zehn Jahren. Um das Pflaster im Tunnel möge sich doch bitte die Gemeinde kümmern, beschied Potsdam. Bislang hat Brandenburg keinen einzigen Euro in den Weg investiert. Schon vor Jahren stand unter anderem der Gurkenradweg im Spreewald in der Prioritätenliste weit vor dem Mauerweg.
Die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow ist nicht in der historischen Verantwortung für den Mauerweg. Aber um das Projekt nicht scheitern zu lassen, soll der Gemeinderat abstimmen, ob die Unterhaltungskosten übernommen werden. Bürgermeister Ortwin Baier (SPD) ist sicher, eine Mehrheit zu bekommen, so groß sei der finanzielle Aufwand nicht. Wenn alles klappt, könnte der Tunnel drei Jahre vor der Dresdner Bahn fertig sein, also 2022, hofft Baier. Michael Cramer hofft mit. „Es kann nicht sein, dass es jetzt an der Unterhaltung des Weges scheitert“, sagte er dem Tagesspiegel. Der frühere Berliner Abgeordnete wird nach der Wahl nach 15 Jahren aus dem Europaparlament ausscheiden. Ursprünglich wollte die Bahn keine Unterführung für den Radweg, Cramer hatte erreicht, dass dieser zumindest planerisch gesichert wird.
Unabhängig von der Tunnelfrage wird das Land Berlin den Mauerradweg in den kommenden fünf Jahren sanieren, um ihn „durchgehend auch für Fahrrad- und Rollstuhlfahrer nutzbar zu machen“. Derzeit ist die Piste teilweise in desaströsem Zustand oder gar nicht gepflastert. Vergangene Woche gab der Senat 11,15 Millionen Euro frei. Laut Verkehrsverwaltung sind 90 der 162,6 Kilometer „überwiegend mängelfrei“. 44 Kilometer sind langfristig, 23 mittelfristig und acht Kilometer kurzfristig oder „akut sanierungsbedürftig“, so das Ergebnis einer Bestandsaufnahme von Sommer 2018. Einiges hat sich seitdem getan, gerade wurden Abschnitte in Pankow-Rosenthal und Prenzlauer Berg asphaltiert. Fest steht, dass zum 30. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November weder der Tunnel in Lichtenrade fertig ist noch die Sanierung der 160 Kilometer beendet.
Am 1. Juni startet Cramer seine „Mauerstreifzüge“. In Etappen von etwa 20 bis 30 Kilometern geht es rund um Berlin, die erste Tour startet an dem Sonnabend um 14 Uhr am Potsdamer Platz an der historischen Ampel. Diese Touren bietet Cramer nunmehr zum neunten Mal an, es dürfte keinen besseren Kenner des Weges geben. Die Teilnahme ist frei. Cramer hat auch das Buch „Berliner Mauer-Radweg“ geschrieben.