von Markus Grabitz
Die Zehn-Tages-Vignetten für durchreisende Autofahrer, die der Maut-Kompromiss zwischen der EU-Kommission und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vorsieht, werden die preiswertesten in ganz Europa sein. In Deutschland werden sie ab 2,50 Euro zu erhalten sein. In Tschechien kostet die Vignette, die zur zehntägigen Benutzung von Autobahnen und Bundesstraßen nötig ist, zwölf Euro, in der Slowakei zehn Euro und in Österreich 8,80 Euro. In Bulgarien müssen ausländische Fahrzeughalter für sieben Tage sieben Euro zahlen.
Dobrindt hatte in seinen Gesetzen zur Einführung einer Pkw-Maut vorgesehen, dass die Kurzzeitvignetten zwischen fünf und 15 Euro kosten. Nun werden sie zwischen 2,50 und 20 Euro kosten. Inländische Autohalter zahlen je nach Hubraum, Schadstoffausstoß und Motorart zwischen null und 130 Euro im Jahr.
Zudem steht nun fest, dass Deutschland auf weitere 100 Millionen Euro Einnahmen aus der Kfz-Steuer verzichten muss. Die Kommission besteht nämlich darauf, dass es für inländische Fahrzeughalter nicht eine Eins-zu-eins-Entlastung bei der Kfz-Steuer gibt, wenn die Straßenbenutzungsgebühr eingeführt wird. Daher verständigten sich Brüssel und Berlin darauf, dass Autos, die weniger Schadstoffe ausstoßen, um einen noch höheren Betrag entlastet werden als sie für die Maut zahlen.
Wann die Pkw-Maut startet, ist ungewiss. Zunächst müssen Bundestag und Bundesrat die beiden Gesetze, die 2015 zur Erhebung der Abgabe verabschiedet wurden, noch einmal ändern. Zudem müssen Leistungen, die Unternehmen im Zusammenhang mit der Maut erbringen sollen, ausgeschrieben werden. Bis die Gesetze geändert sind, legt die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren auf Eis. Das heißt, sie treibt das vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängige Verfahren nicht weiter voran. Sobald die Bundesregierung ihre Hausaufgaben erledigt hat, soll dann das Verfahren offiziell beendet werden.
Damit ist ein langer Streit zwischen der EU-Kommission und dem CSU-Politiker beigelegt. Die EU hatte wegen der Maut gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Zentraler Kritikpunkt war, dass Deutschland EU-Ausländer mit der Pkw-Maut diskriminiere. Das deutsche Gesetz sah in der Tat vor, dass inländische Autofahrer exakt um den Betrag bei der Kfz-Steuer entlastet werden, um den sie bei der Abgabe belastet werden. Unterm Strich hätten lediglich ausländische Fahrzeughalter die Abgabe bezahlt. EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc spricht nun davon, dass nach den entsprechenden Gesetzesänderungen „das deutsche Mautsystem mit dem EU-Recht in Einklang steht“. Bulc sieht den Kompromiss zudem als „großen Schritt in Richtung einer binnenmarktfreundlichen EU-weiten Maut“.
Dobrindt griff diesen Punkt auf: Deutschland begrüße das Ziel der Kommission, „mittelfristig einen einheitlichen europarechtlichen Rahmen für ein einheitliches europäisches Mautsystem zu schaffen“. Berlin sei bereit, die Kommission bei ihren Bemühungen dazu auf europäischer Ebene zu unterstützen. Dobrindt, der im Laufe der Jahre immer wieder heftige Vorwürfe Richtung Brüssel erhoben hat, findet nun lobende Worte: „Mein Dank gilt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Kommissarin Violeta Bulc für ihren persönlichen Einsatz.“ Und weiter: „Die Maut ist fair, sinnvoll und gerecht.“
Anders sieht es der Verkehrsexperte der Grünen im Europa-Parlament, Michael Cramer: „Die Kommission winkt einen faulen Kompromiss durch.“ Am Ende sollen nur ausländische Fahrer die Maut berappen. „Das ist antieuropäisch und wird Klagen provozieren.“