BGL fordet mehr Fairness im Transport

16. Juni 2018 zur Übersicht

Artikel erschienen via "eurotransport.de" am 15.6.2018

Die Neuregelungen zu Lenk- und Ruhezeiten und Entsendungen für Lkw-Fahrer werden in Brüssel noch einmal überarbeitet.

Von Regina Weinrich

Das Europäische Parlament hat Reformvorschläge des Verkehrsauschusses im
Rahmen des ersten EU-Mobilitätspakets abgelehnt und die Abstimmung auf die
Plenarsitzung im Juli verschoben. Damit können in der Zwischenzeit noch
Änderungsanträge eingebracht werden. Der Ausschuss hatte sich unter anderem
mehrheitlich dafür ausgesprochen, internationale Transporte vom Mindestlohn
auszunehmen und die Ruhezeitenregelung flexibler zu gestalten. Von den
Bestimmungen sind etwa drei Millionen Lkw-Fahrer betroffen.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) begrüßte das
eindeutige Votum: "Damit kann das deutsche Transportgewerbe weiter darauf hoffen,
dass durch das Mobilitätspaket der EU fairere Rahmenbedingungen auf dem EUTransportmarkt
geschaffen werden", zeigte sich BGL-Hauptgeschäftsführer Professor
Dirk Engelhardt erleichtert. Der Verband hatte vor der Abstimmung gewarnt, dass
eine Streichung grenzüberschreitender Verkehre aus der EU-Entsenderichtlinie
unweigerlich zu weiteren Marktanteilsverlusten deutscher Unternehmen im
europäischen Güterverkehr führe.

BGL warnt vor Sozialdumping


Der BGL setzt darauf, dass das Parlament bei der weiteren Beratung über die
Entsenderichtlinie "eine ausgewogenere und mit mehr Fairness ausgestattete
Lösung" findet, bevor es versucht, mit dem EU-Verkehrsministerrat und der
Europäischen Kommission eine Einigung zu erzielen. Andernfalls seien nicht zuletzt
Fahrer aus Niedriglohnländern, auf deren Rücken Sozialdumping betrieben werde,
die Leidtragenden. Die Abgeordneten hatten gleichzeitig aber auch die Vorschläge
zum Marktzugang und zu den Lenk- und Ruhezeiten abgelehnt. Diese seien aber eine
deutliche Verbesserung gegenüber dem derzeitigen Zustand und dürften nicht „durch
einen Verzicht auf Entsenderegelungen im internationalen EU-Verkehr zunichte
gemacht werden“, sagte Engelhardt.

DSLV will offene Grenzen mit Arbeitsteilung


Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) dagegen hatte genau auf die
Lösung gesetzt, die die Parlamentarier jetzt zunächst einmal zurückgewiesen haben
und sah darin eine Stärkung der auf Arbeitsteilung, Spezialisierung und offene
Grenzen aufgebauten Logistik. Es sei nicht zu verkennen, dass im europäischen
Straßengüterverkehr soziale Fehlentwicklungen entstanden seien, betonte der
Verband.

Die konsequente Umsetzung des vom Ausschuss ebenfalls beschlossenen Vorschriftenpakets zu Lenk- und Ruhezeiten, Übernachtungen im Fahrzeug und zur
Wochenruhezeit reiche aber aus, um die Bedingungen deutlich zu verbessern und das
sogenannte Fahrernomadentum wirkungsvoll zu bekämpfen. Die Kontrolldichte in
Europa müsse spürbar erhöht werde, einer Ausweitung des Entsenderechts bedürfe
es aber dafür nicht.

Verdi warnt vor Briefkastenfirmen


Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hatte die vom Ausschuss abgesegneten
Veränderungen im Vorfeld als "katastrophal" eingestuft. Damit werde verhindert,
dass der Lohn vor Ort bei internationalen Transporten gezahlt werden müsse,
außerdem werde ermöglicht, dass das Fahrpersonal sämtliche wöchentlichen
Ruhezeiten in der Fahrerkabine verbringe. Dem Geschäftsmodell der
Briefkastenfirma werde so weiter Vorschub geleistet, kritisierte die stellvertretende
Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis.

Die Grünen wollen Druck machen


Es sei seiner Fraktion zu verdanken, dass das Parlament vorerst nicht auf der Basis
des Ausschussberichts in die Verhandlungen mit dem Rat gehe, sondern zunächst
noch einmal im Plenum abstimme, betonte der deutsche Grünen-Abgeordnete
Michael Cramer. "Dort werden wir glücklicherweise noch einmal die Möglichkeit
haben, diesen Bericht durch Änderungsanträge zu verbessern oder dagegen zu
stimmen"
, sagte er. Es gelte jetzt, weiter Druck zu machen, um zu verhindern, dass
Lkw- und Busfahrer in ganz Europa weiter ausgebeutet würden.

SPD: Unterbietungskamof muss ein Ende haben


"Der Wettbewerb um günstige Transportpreise schadet Fahrerinnen und Fahrern
genauso wie fair wirtschaftenden kleinen und mittelständischen Unternehmen, die
das Lohn- und Sozialdumping nicht mitmachen", erläuterte der verkehrspolitische
Sprecher der europäischen Sozialdemokraten, Ismail Ertug. Die Mehrheit des
Parlaments habe ein Zeichen der Hoffnung gesetzt und verfüge jetzt über die
Möglichkeit, den Unterbietungswettkampf zu beenden. Eine Flexibilisierung der
Lenk- und Ruhezeiten gehe zu Lasten der Fahrer, sind sich Sozialdemokraten, Grüne
und Gewerkschaften einig.