Ausbau europäischer Verkehrsnetze soll beschleunigt werden

31. Mai 2013 zur Übersicht

Ein Artikel, erschienen im Dow Jones German Newswire am 31. Mai 2013

BRÜSSEL--Aus dem jetzigen Flickenteppich von europäischen Straßen, Schienen, Flughäfen und Schifffahrtskanälen soll bis 2030 ein einheitliches Verkehrsnetz werden. Auf die Details, um fehlende grenzüberschreitende Verbindungen zwischen den bald 28 EU-Mitgliedstaaten herzustellen und das gesamte Verkehrsnetz intelligenter zu machen, einigten sich jetzt Vertreter von Europäischem Parlament, EU-Kommission und den Mitgliedstaaten. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas begrüßte den Kompromiss zur Verordnung über Leitlinien für ein europäisches Verkehrsnetz als "historische Einigung". Sie muss nun noch vom Parlamentsplenum und dem Rat der Mitgliedstaaten verabschiedet werden, bevor sie in Kraft treten kann.

Ohne gute Verkehrsverbindungen werde es weder Wirtschaftswachstum noch Wohlstand geben, betonte Verkehrskommissar Kallas. Die Vereinbarung sei ein wichtiger Schritt, um ein neues Verkehrsnetz aufzubauen.

Insgesamt 83 Häfen und 37 Flughäfen sollen zukünftig zu einem Kernnetz gehören, das bis 2030 umgesetzt sein soll, wie Kallas Sprecherin vor Journalisten weiter mitteilte. Zudem sollen 1.500 Kilometer Bahnstrecke für den Hochgeschwindigkeitsverkehr ausgelegt und mit 35 grenzüberschreitenden Projekten Engpässe beseitigt werden. Nach Berechnungen der Kommission müssten in den nächsten sieben Jahren 500 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur der EU investiert werden, die Hälfte davon allein, um Engpässe zu beseitigen und fehlende Verbindungen im Kernnetz zu ergänzen.

Das Kernnetz soll von einem Gesamtnetz umgeben werden, das bis 2050 fertiggestellt werden soll. Jeder EU-Bürger soll dann nicht länger als eine halbe Stunde benötigen müssen, um aus dem Gesamtnetz das Kernnetz zu erreichen, wie die EU-Kommission am Donnerstag weiter mitteilte.

Die Mitgliedstaaten würden nun "in die Pflicht genommen, für Europa wichtige Verkehrsprojekte fistgerecht umzusetzen", erklärte der SPD-Europaabgeordnete und Co-Berichterstatter im Parlament Ismail Ertug. Es sei verbindlich festgelegt worden, dass das Kernnetz bis 2030 umgesetzt sein muss. Die Frist für das Gesamtnetz sei aber flexibler, da die Mitgliedstaaten sich nicht auf solch einen langen Zeitraum festlegen wollten, sagte Ertug im Gespräch mit Dow Jones.

EU-Gelder erhielten zudem nur noch Projekte, für die nachgewiesen werden könne, dass sie "von größtem wirtschaftlichen und sozialen Nutzen sind und in absehbarer Zeit realisiert werden können". Außerdem soll der Ausbau des europäischen Verkehrsnetzes (TEN-T) zukünftig umweltfreundlicher erfolgen. Umwelt- und Klimafolgen müssten stärker bei Kosten-Nutzen-Analysen berücksichtigt werden, teilte der Grünen-Europaabgeordnete Michael Cramer mit. Demnach dürften auch Flüsse nicht mehr so stark ausgebaut werden wie bisher. Auch sollen Standards eingeführt werden. So sollen etwa alle Bahnstrecken mit dem Europäischen Zugleitsystem ERTMS ausgerüstet werden, ansonsten gibt es kein Fördergeld.

Zudem sollen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass entlang der zum Kernnetz gehörenden Autobahnen ausreichend Parkplätze für Lastwagen zur Verfügung stehen sowie an den Knotenpunkten alternative Kraftstoffe getankt werden können. Zum Aufbau einer Infrastruktur für alternative Kraftstoffe und Stromladesäulen hatte Kallas im Januar eine eigene Richtlinie vorgeschlagen, die noch von Parlament und Mitgliedstaaten angenommen werden muss.

Ursprünglich hatte die Europäische Union das Ziel, schon bis 2020 die wichtigsten Verkehrsachsen fertig zu stellen. Doch der Aufbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-T), das auf Pläne aus den 1990er Jahren zurückgeht, als die EU noch aus 15 Mitgliedstaaten bestand, kommt nur schleppend voran. Bei den 30 prioritären Projekten, die urspünglich bis 2020 fertiggestellt sein sollten, gibt es erhebliche Verzögerungen. Die meisten dieser Projekte sind laut dem Abgeordneten Ertug noch nicht fertiggestellt. Diese Projekte seien nun in das geplante Verkehrskernnetz integriert worden.

Auch sei die EU-Förderung zu breit gestreut worden, da nicht nur Leuchtturmprojekte kofinanziert wurden, wie die Kommission bereits in ihrem Grünbuch Verkehr 2009 feststellte. Nun sollen die EU-Fördergelder aus der für die nächste Finanzierungsperiode 2014 bis 2020 geplanten "Europa verbinden"-Fazilität auf das Kernnetz konzentriert werden. Lediglich 15 Prozent der vorgesehenen Mittel sollen für Studien zum Gesamtnetz genutzt werden. Die Finanzierung der Projekte mit EU-Geldern steht noch unter Vorbehalt des EU-Haushaltsrahmens ab 2014, über den Parlament und Mitgliedstaaten noch verhandeln.

Cramer kritisierte allerdings, dass die Mitgliedstaaten zu viele Projekte hinzugefügt hätten, die nicht dem Ausbau grenzüberschreitender Verbindungen dienten. "Letztlich hat das Parlament nicht mehr als Schadensbegrenzung betrieben", so der Abgeordnete. Die Verkehrsminister hätten einen "schier endlosen Wunschzettel nationaler wie regionaler Groß- und Wunschprojekte" vorgelegt.

"Schon das ursprünglich vorgeschlagene Budget von 32 Milliarden Euro reicht dafür hinten und vorne nicht. Hinzu kommt, dass die Mitgliedstaaten, die für die Wunschliste verantwortlich sind, dieses Budget auf 23 Milliarden Euro kürzen wollen", sagte Cramer.

Ertug widersprach dem und betonte, dass Infrastrukturprojekte in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liegen. Zuvor seien außerdem konkrete Kriterien zur Auswahl der Projekte erarbeitet worden. "Das Parlament hat darauf geachtet, dass eine Änderung immer mit der Methodik übereinstimmt", sagte Ertug. Die Kommission habe das überprüft.