Auf der Zielgeraden – Maut in Deutschland kommt

05. November 2016 zur Übersicht

Artikel erschienen in "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am 3.11.2016

Verkehrsminister Dobrindt und die EU-Kommission haben sich offenbar weitgehend verständigt: Einer Pkw-Maut in Deutschland dürfte damit nichts mehr im Weg stehen.


In den Streit um die in Deutschland geplante Maut für Personenwagen ist Bewegung gekommen. Eine Sprecherin der Europäischen Kommission bestätigte am Donnerstagabend gegenüber der Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass die Gespräche mit dem Bundesverkehrsministerium "auf gutem Wege" seien und es Aussicht auf eine Verständigung noch in diesem Monat gebe. Auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte: "Wir bewegen uns aufeinander zu, und ich bin sehr zuversichtlich, dass die Einigung mit der EU-Kommission im November steht."

Die "Bild"-Zeitung hatte zuvor gemeldet, dass die Kommission, die als EU-Vertragshüterin über das Gebot der Gleichbehandlung von in- und ausländischen Autofahrern zu wachen hat, ihren Widerstand gegen die Maut aufgegeben habe. Die in Aussicht genommene Verständigung solle, wie im Koalitionsvertrag 2013 vereinbart, nicht mit einer Mehrbelastung deutscher Autofahrer einhergehen. Für ausländische Autofahrer solle es sogenannte Mautpauschalen geben. Sie sollen für zehn Tage 5 bis 15 Euro, für zwei Monate 16 bis 22 Euro betragen. Auch Tagesvignetten seien geplant; ihr Tarif stehe noch nicht fest.

Die Kommissionssprecherin äußerte sich nicht zu Details der geplanten Übereinkunft; sie bestätigte jedoch, dass es Kurzzeitvignetten geben und solle auch Kriterien wie Schadstoffemissionen berücksichtigt werden sollten. Dies soll eine übermäßige Belastung ausländischer Autofahrer vermeiden helfen, die die angeblich bis zu 130 Euro teure Jahresvignette erwerben. Dies entspricht der beim österreichischen "Pickerl" gewählten Lösung - jedoch mit dem Unterschied, dass sie für die österreichischen Straßenbenutzer mit wenn auch vergleichsweise niedrigen Mehrkosten verbunden war. Dagegen soll die deutsche Maut, wie von der CSU im Koalitionsvertrag niedergelegt, mit keinerlei Mehrbelastungen für deutsche Autofahrer einhergehen. So ist in Deutschland vorgesehen, die Höhe der Mautkosten mit der Kraftfahrzeugsteuer zu verrechnen.

Klagt nun Holland?


Offenbar soll es aber keine Steuererstattung im Verhältnis 1:1 zu geben. Hierin sieht der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im EU-Parlament, Michael Cramer, den Beleg dafür, dass es eine "klare Niederlage für Dobrindt" geben werde. Anders, als im Koalitionsvertrag vorgesehen, könnten nur Besitzer schadstoffarmer Autos in den Genuss weitreichender Steuererleichterungen kommen, während andere Autofahrer mehr zahlen müssten. "Ich könnte mit der in Aussicht genommenen Regelung leben", sagte der Grünen-Politiker der Frankfurter Allgemeine Zeitung. Er beklagte jedoch, dass es bei einer Vignettenregelung unerheblich sei, ob ein Auto 200.000 oder 20.000 Kilometer im Jahr zurücklege.

Wie in Brüssel zu hören war, hat sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker - nach dem Eindruck Cramers unter Umgehung von Verkehrskommissarin Violeta Bulc - an den Gesprächen mit Dobrindt beteiligt. Ziel ist es offenbar, die Ende September beim Europäischen Gerichtshof eingereichte Klage fallenzulassen. Da allerdings auch EU-Staaten wie die Niederlande und Österreich mit einer Maut-Klage gegen Deutschland geliebäugelt haben, würde dies nicht zwangsläufig das Ende aller Rechtsstreitigkeiten bedeuten.

Die Kommission versuchte am Donnerstagabend, den angestrebten Kompromiss als Übergangslösung darzustellen. Berlin und Brüssel seien sich in dem Ziel einig, von einer steuerfinanzierten zu einer streckenabhängigen Straßenmaut überzugehen. In der EU gibt es sehr unterschiedliche Mautsysteme. So gelten in Ländern wie Italien, Frankreich oder Spanien seit Jahrzehnten Systeme, bei denen in- und ausländische Autofahrer für die zurückgelegte Strecke zur Kasse gebeten werden. Die deutsche Mautregelung berücksichtigt hingegen nicht exakt die gefahrenen Kilometer.