Abkommen zum CO2-Ausstoß; Luftfahrtnationen einigen sich zum ersten Mal

10. Oktober 2016 zur Übersicht

Artikel erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 8.10.2016

BRÜSSEL, 7. Oktober. Die Luftfahrtnationen der Welt haben sich erstmals auf ein Abkommen zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen im Luftverkehr geeinigt. Der Sektor soll vom Jahr 2020 an CO2-neutral wachsen: Er soll die Treibhausgasbelastung auf der Welt nicht mehr steigern. Das hat die Generalversammlung der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation Icao am Donnerstagabend im kanadischen Montreal beschlossen. Die Luftfahrtgesellschaften müssen dafür die Emissionen nicht tatsächlich auf dem Niveau von 2020 einfrieren. Sie müssen einen Anstieg des Ausstoßes aber durch Investitionen in CO2-Senken, etwa das Pflanzen von Bäumen, ausgleichen. Zudem sieht die Einigung Ausnahmen für Entwicklungsländer vor, so dass nur 80 Prozent der gesamten Emissionen im Luftfahrtsektor abgedeckt sind.

Der Luftverkehr steht derzeit für 2 Prozent des CO2-Ausstoßes auf der Welt. Der Ausstoß wird aber in den kommenden Jahren weiter steigen, obwohl Flugzeuge den Kraftstoff immer sparsamer verbrauchen. Nach Studien wird sich die Zahl der Flugpassagiere bis 2030 verdoppeln. Ohne Schritte zur Reduzierung des Ausstoßes würde sich dieser Untersuchungen zufolge bis 2050 im Vergleich zu 2006 verdreifachen. Verpflichtend ist das neue System erst von 2027 an. Nach Angaben der Europäischen Kommission haben sich aber 65 Staaten, inklusive der EU-Mitgliedstaaten, dazu verpflichtet, schon von 2021 an auf freiwilliger Basis daran teilzunehmen. Der Mechanismus soll zunächst nur bis 2035 gelten. Ende 2032 soll allerdings eine mögliche Verlängerung geprüft werden.

Die Einigung kam trotz großer Vorbehalte Russlands und großer Schwellenländer wie China und Indien zustande. Russland hatte bei den Verhandlungen von einem unrealistischen Ziel gesprochen. Der internationale Luftverband Iata erwartet, dass das Abkommen die Branche zwischen 8,9 und 23,9 Milliarden Dollar kosten wird.

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft bezeichnete die Vereinbarung als Kompromiss. "Wir hätten uns von Anfang an eine verbindliche Teilnahme vorstellen können", sagte Verbandschef Stefan Schulte in Berlin. EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc sagte, es sei erfolgreich gewesen, dass die Europäer auf eine koordinierte Antwort auf den Anstieg der CO2-Emissionen im Luftverkehr gedrungen hätten. "Heute hat sich unsere Hartnäckigkeit bezahlt gemacht", sagte sie in Brüssel. Kritik gab es hingegen im Europaparlament. Als "unambitioniert" bezeichnete der CDU-Abgeordnete Peter Liese die Einigung. Die Europa-Abgeordneten müssten nun analysieren, wie sie mit dem Ergebnis umgingen und welche Konsequenzen das für die europäische Gesetzgebung habe. Wenn die EU beim internationalen Klimaschutz vorangehen wolle, müssten die Mitgliedstaaten nun alle internationalen Flüge aus der Union und in die Union von 2017 an in den EU-Emissionshandel einbeziehen, forderte der Grüne Michael Cramer.

Die EU hatte ursprünglich 2008 beschlossen, alle Flüge, die in der EU starten oder landen, in den Emissionshandel einzubeziehen. Fluggesellschaften sollten für ihren CO2-Ausstoß genauso wie Energieerzeuger und Industrie Emissionsrechte erwerben. Als die EU-Regeln 2012 in Kraft traten, gab es allerdings heftigen Widerstand aus den anderen Luftverkehrsnationen. Sie verlangten, ihre Gesellschaften vom Emissionshandel auszunehmen. Die EU beschloss daraufhin, Flüge aus der und in die EU vorübergehend vom Emissionshandel auszunehmen. Bedingung war, dass die Icao bis Ende 2016 ein ehrgeiziges System zur Reduzierung des Treibhausgasausstoßes beschließt. Nach dem Ende der Icao-Versammlung muss die EU nun entscheiden, ob ihr die Einigung von Montreal ausreicht. Die Aussetzung des Emissionshandels für Flüge in die und aus der EU läuft Ende 2016 automatisch aus.